Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Des Hammers Heimkunft.

        Wüthend war Wingthôrr
Als er erwachend
Seinen Hammer vermißt'
Und ihn nirgend bemerkte.
Seinen buschigen Bart
Und das Scheitelhaar schüttelnd
Sucht ihn umsonst
Der Sohn der Erde.

Das war der Ausruf
Mit welchem er anhub:
»Nun lausche mir, Loki,
Und laß dir sagen
Was nirgend auf Erden
Vernommen wurde
Noch im hohen Himmel:
Man stahl mir den Hammer.«

Sie liefen nach Freyas
Leuchtender Wohnung
Und das war der Ausruf
Mit welchem er anhub:
»Willst du mir, Freya,
Dein Federhemd leihen?
Dann erlang' ich vielleicht
Den verlorenen Hammer.«

 
Freya.
»Ich versagt' es dir nicht,
Und wär' es von Silber,
Ich gäb' es dir gern,
Und wär' es von Gold.«

Da flog nun Loki;
Das Flügelhemd rauschte
Bis er hinter sich hatte
Der Asen Gehege
Und rasch erreichte
Das Land der Riesen.

Auf hohem Hügel
Saß Thrym, ihr Herrscher.
Er flocht seinen Hunden
Goldenen Halsschmuck
Und strählte den Mähren
Die struppigen Mähnen.

 
Thrym.
Was gibt es bei den Göttern,
Wie geht es den Alfen,
Daß zum Reiche der Riesen
Du einsam gereist kommst?
 
Loki.
Den Asen geht's schlecht
Und schlimm den Alfen.
Hältst du nicht verheimlicht
Den Hammer des Blitzherrn?
 
Thrym.
Ich halte verheimlicht
Den Hammer des Blitzherrn;
Acht Rasten tief ruht er
Im Innern der Erde,
Und wieder bekommen
Wird ihn Keiner Der nicht
Freya'n herbringt
Und mir zur Frau gibt.«

Loki flog;
Das Flügelhemd rauschte
Bis er hinter sich hatte
Die Heimath der Thursen
Und eiligst ankam
Im Asengebiet.

Im Hof seines Hauses
Stand Thôrr schon harrend
Und das war der Ausruf
Mit welchem er anhub:
»Ist die Reise vollzogen
Und kamst du zum Ziele?
Herab aus der Luft
Gib den langen Bericht;
Nicht selten versagt
Das Gedächtniß im Sitzen
Und leichter mit Lügen
Prahlt man im Liegen.

 
Loki.
Gethan ist die Reise,
Der Auftrag verrichtet.
Deinen Hammer hat Thrym
Der Beherrscher der Thursen
Und wieder bekommen
Wird ihn Keiner
Der nicht Freya'n hinbringt
Und ihm zur Frau gibt.«

Da liefen sie hin
Zur leuchtenden Freya
Und das war der Ausruf
Mit welchem er anhub:
»Hülle dich Freya,
In Hochzeitsleinen.
Wir zwei wollen reisen
In's Riesenland.«

Da entbrannte Freya
Zu brausendem Zorne,
Es bebte der Saal
Der Asenversammlung,
Ihr fiel von der Brust
Der funkelnde Brising.

 
Freya.
Du müßtest meinen,
Mannstoll sei ich,
Wenn ich reis'te mit dir
In das Reich der Riesen.«

Bald saßen versammelt
Die sämmtlichen Asen
Auch die Asinnen alle,
Vereinigt zum Rath.
Und weislich erwogen
Die waltenden Götter
Wie man den Hammer
Wieder hole.

Da redete Heimdall,
Der hellste der Asen,
Der weiser war
Als die Wanen alle:

»Hüllen wir Thôrr
In Hochzeitsleinen;
Ihm schmücke die Brust
Das Brisinggeschmeide;
Ihn mögen umklingen
Klirrende Schlüssel;
Ihm Weibergewande
Das Kniee umwallen.
Mit stattlichen Steinen
Besteckt ihm den Busen
Und schlingt ihm den Schleier
Geschickt um die Schläfen.«

Da sträubte sich Thôrr,
Der strenge Ase:
»Ein zagender Zärtling
Hieß' ich in Zukunft,
Ließ' ich mich hüllen
In Hochzeitsleinen.«

Doch Loki sprach,
Der Laufeya Sprößling:
»Laß ruhen die Rede;
Den Riesen würde
Gar bald zur Beute
Die Burg der Asen,
Holtest du Dir
Deinen Hammer nicht heim.«

So hüllten sie den Thôrr
In Hochzeitsleinen,
Legten ihm an
Den leuchtenden Brising,
Ließen ihn klingeln
Mit klirrenden Schlüsseln,
Ein Weibergewand
Sein Knie umwallen,
Besteckten ihm stattlich
Die Brust mit Steinen
Und schlangen ihm den Schleier
Geschickt um die Schläfen.
Und Loki, der Sohn
Der Laufeya, sagte:
»Ich ziehe mit Dir
Als deine Zofe;
Wir reisen zusammen
Gen Riesenheim.«

Nun wurden alsbald
Geholt die Böcke,
An die Schwengel gespannt
Zu geschwindem Laufe.
Die Felsen zerfielen,
Die Erde gab Funken,
Als Odins Sprößling
In's Riesenland sprengte.

Da redete Thrym,
Der Riesen Thronherr:
»Rühret euch, Riesen,
Errichtet Bänke,
Und bringet mir Freyan
Als meine Braut her
Die Tochter Niörds,
Des Noatuners.
Hier gehn mir und kommen
Goldgehörnte Kühe
Und rabenschwarze Rinder,
Der Stolz der Riesen;
Hab' auch Kostbarkeiten,
Spangen und Kettlein, –
Was ich entbehrt
War nur Freya zur Buhle.«
– Sie kamen gezogen
Zeitig am Abend.
Man füllte mit Bier
Den Riesen die Becher.
Einer der Gäste
Aß einen ganzen
Ochsen auf
Nebst acht von den Lachsen
Und die süßen Sachen
Für Frauen sämmtlich;
Drei Mulden Methes
Trank Sif's Gemahl.

Da redete Thrym,
Der Riesen Thronherr:
»Sah man junge Frauen
Wohl je so gefräßig?
Ich sah niemals so nimmersatt
Neuvermählte;
Nie trank ein Mädchen
So massenhaft Meth.«

Die zierlich zur Seite
Sitzende Zofe
Erklärt' es dem Riesen
Mit kluger Rede:
»Acht Nächte lang nichts
Genossen hat Freya,
Vor unsäglicher Sehnsucht
Euch zu besuchen.«

Thrym lüftete, lüstern
Nach Küssen, das Leintuch,
Doch entsetzt fuhr er auf
Bis zum Ende des Saales.
»Wie funkeln so furchtbar
Die Augen Freyas.
Ich glaube, sie glänzen
Von lodernder Gluth.«

Die zierlich zur Seite
Sitzende Zofe
Erklärt' es dem Riesen
Mit kluger Rede:
»Acht Nächte lang war ihr
Der Schlaf benommen
Vor unsäglicher Sehnsucht
Euch zu besuchen.«

Da trat Frau Trübsal
Die traurige Schwester
Des Riesen herein
Und richtete Bitten
Um ein Brautgeschenk
An des Bruders Verlobte:
»Streife vom Finger
Strahlende Ringe
Wenn dich verlangt
Nach meiner Liebe.«
Da redete Thrym,
Der Riesen Thronherr:
»Bringet den Hammer,
Die Braut zu weihen,
Leget der Maid
In den Schooß den Zermalmer
Und weihet uns Beide
Zum wahrhaften Bund.«

Wie lachte vor Wonne
Der Wetterleuchter
Als er heißen Herzens
Den Hammer erkannte!
Erst traf er tödtlich
Thrym, den Thursen
Und erschlug dann das ganze
Riesengeschlecht.

Die betagte Frau Trübsal
Auch traf er zum Tode
Die sogar noch Gaben
Von ihm begehrt.
Statt der Schillinge schenkt' er
Ihr schallende Schläge,
Statt Handgeschmeides
Zerschmetternde Hiebe.
So holte sich Thôrr
Seinen Hammer zurück.


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