Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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7.
Räthsel Epilog.

                  Nach Brunhilds Runen errathet nun selbst noch,
Ihr Lauscher, ein leichtes und lustiges Räthsel.

Ich liebe scholl längst und leidenschaftlich
Ein wunderbar schönes weibliches Wesen,
An Jahren nicht jung, doch jugendlich blühend
Und mit geistigen Gaben in göttlicher Fülle
Vor sämmtlichen Schwestern auf Erden gesegnet.
Ihr fürstlicher Schatz ist durchaus unerschöpflich;
Jeder hat Zutritt und Jedem zahlt sie
An Silber und Gold nach seinem Begehren,
Nach seinem Bedarfe, nach seinen Gedanken.
Es vermindert ihn nicht, nein, es mehrt seine Menge
Und füllt ihn mit Feingold, je kühner man fordert;
Doch mögen die meisten nur kleine Münze
Und ihr Kupfer nur kennt die Mehrzahl der Kunden.

Mehr als tausendmal vierzigtausend Gefäße
Enthalten den Hort; doch wechseln sie häufig
Im Laufe der Zeiten. Schon minder zahlreich
Sind ihre Münzer und Säckelmeister
Und selten besaß noch Einer zusammen
Was man bedarf zum Dienst des Wardeines;
Auch kannte bisher von ihren Kämmrern
Den köstlichen Goldschatz noch Keiner im Ganzen.

Mich reizt auch ihr Reichthum, ich will's nicht verreden.
Ihre sinnliche Schönheit, der strahlende Schimmer
Ihres kleinodbesäten rauschenden Kleides.
Doch die liebste Lust, die Würze des Lebens
Genieß ich an Tagen wo mir's zu Theil wird
Mit meiner Theuern zum Tanze zu gehen
Und in wirbelndem Walzer, als wüchsen mir Schwingen,
Mit ihr zu entschweben der irdischen Schwere.

Da faßt sie mich feurig, da schwinden die Fernen,
Da fallen die Fesseln vereinzelten Fühlens.
Da bin ich verwandelt in sämmtliche Wesen
Die da waren und sind, und was sie bewegt hat
Auf tausend Pfaden, dann weiß ich's empfindend.

Dann bin ich das Berghaupt das, Wolken durchbohrend
Mit glänzendem Glätscher und rosig erglühend,
Die Sonne noch schaut die längst schon versunken.
Dann bin ich der Strom der in donnerndem Strudel
Vom Fels in die Tiefe voll Todeslust taumelt
Und den rasenden Gischt sich in göttlicher Ruhe
Umrahmt mit dem Ringe des Regenbogens.
Dann bin ich der Demant der Farben erdichtet
Aus lauterstem Licht; dann bin ich die Linde
Die wohlig in's Blaue den Gipfel voll Blüthen
Auf der Höhe des Jahres erhebt um dem Himmel
Und der Sonne zu danken mit süßem Dufte.
Dann bin ich die Biene die sie durchbuhlet
In suchendem Summen und ämsiger Sorge,
Den Nectar zu nippen zur Nährung der Brut.
Dann wird mir die Tulpe zum zierlichen Tempel
Drin als Braut und Bräutigam brennend von Liebe
Die Stäbchen voll Staub zu des goldigen Stämpels
Narbigem Köpfchen sich küssend verneigen;
Denn die kunstvolle Kammer des prächtigen Kelches
Kann ich mir anschaun durch's Auge des Käfers,
Des goldgrünen Gast's an der Tafel der Tulpe.

Dann wird mir als wären die Wogen des Weltmeers
Ihr Ebben und Fluthen, die Quellen, die Flüsse
Und ihr ewiger Umschwung durch Himmel und Erde
Von Pole zu Pol ein Pulsen und Rieseln
In meinem Innern, in meinen Adern;
Als folge gehorsam nur meinem Herzschlag
Das Gewässer als Blut; dann wähn' ich daß Blüthen
Wiesen und Wälder und wallende Saaten
Ihr Dasein weben aus meinem Willen;
Dann durchdämmert mein Denken das Dunkel des Raumes
Als wölbe mein Haupt sich zur Halle des Himmels
Und als zögen in ihm ihre Zirkel die Sterne.

So tanz ich schon längst mit der theuern Geliebten
Den wirbelnden Walzer der Weltenwonne.

Einst war ich betrübt, weil ich meine Traute
Seit geraumer Zeit im entzückenden Reigen
Nicht mehr geschwungen, kaum schweren Schrittes
Durch flache Gegend mit ihr gegangen.

Da trat sie bewegt, in vergilbtem Gewande
Das schon vielfach zerfetzt war, doch fürstlichen Stoffes,
In meine Klause. »Nun laß die Klage!«
So rief sie verheißend »Ich komme dich holen
In mein bestes Gebiet in welchem zu Bildern
Die herrlichsten Muster des Malers harren.«

Ich wollte sie fassen. »Nein, folge mir, sprach sie
Hinab in die Tiefen vergangener Tage
Bis dicht in die Kammer in der ich als Kind lag.
Uns der Leuchte bedienend, langsam, bedächtig
Auf schwierigen Wegen zu wandeln gilt es.«

Auf langen Leitern, mit Grubenlichtern
Ging es hinunter in nächtliche Räume.
Doch beschreib ich es nicht, was ich freudig erschrocken
Unten gewahrt in der weitesten Wölbung
Des uralten Bergwerks. Ihr saht schon der Bilder
Farbige Pracht an etlichen Proben.

Hier, theure Geliebte, hier laß uns tanzen!
Rief ich entzückt. Da zeigt mir die reiche
Fürstliche Führerin ihre Füße
Zu beschämendem Vorwurf: ihr fehlten die Schuhe.
In achtlosem Eifer hatt ich die Edle
Zur Einfahrt in's Bergwerk barfuß gelassen.

Sie sohlenlos sehend zog ich nun sorgsam
Aus meiner Tasche die Schuhe zum Tanzen
Die, stattlich gestickt, an gemessenen Stellen
Auf das schönste schimmern von silbernen Schellen
Die laut und lieblich Akkorde läuten
Und Gedanken weit jenseits der Dinge bedeuten.
Sie rufen einander nach jeglicher Runde
Als zög' es den Mann zu des Mädchens Munde.
Das muthet uns an wie ein minniges Märchen,
Als ob in Pausen ein passendes Pärchen
Sich bald entrinne, bald reiche die Rechte,
Bald sittsam fliehe, bald seelig verflechte,
Sich bald aus Mißverstand meiden müsse,
Bald staunend erkenne, verstohlen küsse.
Horch' sagt' ich der Schönen,
Wie hold sie tönen.
Nun will ich dich schwingen
In weiten Ringen,
In Märchenfernen
Und bis zu den Sternen.

Da schüttelt die Schöne den lockigen Scheitel
Und schiebt aus die Seite die Schellenschuhe.

»Der Tanzschuh taugt nichts in diesen Tiefen
Voll buntester Bilder. Zu bald nur würd' ich
In ihm erlahmend die Lust verlieren.
Er ist abgetragen und ausgetreten
Und dennoch so steif als stünd' ich auf Stelzen.
Er dient mir trefflich im dämmrigen Traumland,
In den heiligen Höhen der schwärmenden Herzen.
Doch ich führe dich nun durch Fülle der Wahrheit,
Durch die wirkliche Welt im Wunderspiegel,
Und sie durcheilend in deinen Armen
Will ich erschöpfend aus meinem Schooße
Wiedergebären in treuen Bildern
In reichen Farben und richtigen Formen
Die göttliche Schönheit der ganzen Schöpfung.

»Sieh her, da stehn meine alten Stiefel
Aus den Jahren der Jugend. Zwar sind sie mir jetzo
Ein wenig zu knapp um Waden und Knöchel;
Denn du weißt es, mein Wachsthum war wundergewaltig.
Auch sind sie nicht modisch. Doch die alten Meister
Wußten was ich will. Sie kannten mein Wesen
Und verstanden sich gut auf meine Gangart.
So befrei' mir die Sohle vom fremden Gesetze,
Vom schleppenden Tactschritt auf hohem Kothurne,
Von den schneidenden Schnüren der Schnabelschuhe
Die mir steife Hofherrn, Stubenhocker
Und mönchische Meister nach ihm gemodelt
Auf gelahrtem Leisten, so daß ich zuletzt schon
Gelitten an Leichdorn und künstlicher Lähmung.
Laß mich heiter hüpfen wie mir um's Herz ist
Und wiederum walzen nach heimischer Weise.
Denn ich fühle jetzt freudig des Frühlings Kommen
In meinen Marken und möchte mir pflücken
Auf meinen Wiesen, in meinen Wäldern
Die aus eigenster Erde so ächt wie vor alters
Wieder erblühenden Wunderblumen.

»So nimm nun das Maaß und modle das Muster
Der neuen Schuhe geschickter und schöner
Nach dem alten Gebrauch. Dann will ich zum Brauttanz
Dich feurig umfassen; dann sollst du erst fühlen
Die Himmelsgewalt, die göttliche Hoheit
Mit welcher ich herrsche. Dann soll dir enthüllt sein
An meinem Herzen das Allergeheimste;
Dann sollst du erst sehn, wie zu sonnenumstrahlten
Staffeln am Kulm die noch Keiner erstiegen
Deine hoch schon bejahrte doch ewiglich junge
Geliebte dich leicht und gelenkig hinaufträgt.«

Doch genug schon vernahmt ihr. Jetzt nennt mir die Liebste,
Den Schellenschuh den sie abgeschüttelt,
Und die neuen Sandalen auf denen sie dankbar
Mit mir nun durchtanzt die Höhn und die Tiefen
Des weiten Weltalls. Ihr wißt schon die Lösung,
Ich kann es bemerken an euern Mienen.
Ihr Lächeln sagt mir, es sei uns gelungen,
Mir und der Liebsten, euch Lust zu machen
Bald wieder im Walzer uns wirbeln zu sehen.


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