Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Aus einer Novelle.

2. Estrellas Lied.

          Wo nie die Sonne scheitelrecht
Das Firmament entflammt,
Da wird die Liebe voll und ächt
Als Höllengluth verdammt.
Weß Wiege unter Palmen stand,
Der wandre nicht in's kalte Land,
Da muß er stumm vergehn.
Da schlägt so matt das Menschenherz
Und seine Wonne seinen Schmerz
Kann Keiner ganz verstehn.

Der Himmel bleibt auch wolkenlos
Noch dunstig blaß und grau;
Da wölbt sich nie so weltengroß
Sein prachtvoll tiefes Blau.
Da spiegelt sich der stete Kampf
Der Sonne mit dem Nebeldampf
Auch in der Menschenbrust;
Da steht die bleiche Geisterwelt
Als Wache dräuend aufgestellt
Vor jedem Quell der Lust.

Vom Söller winkt die blonde Maid
Hinab den Scheidegruß;
Ihr Liebster unten singt sein Leid
Daß er sie lassen muß.
Ein andrer führt sie zum Altar, –
Er will sie lieben immerdar
Bis einst sein Herze bricht.
Sie ruft: auch meins ist ewig dein,
Doch nun ade, es darf nicht sein,
Uns trennt die kalte Pflicht.

Wo die Vanille duftend rankt
Am Riesenfeigenbaum,
Voll Majestät die Palme schwankt
Am blauen Meeressaum,
Mimosenfiedern, zart geschlitzt,
Ein sonnenhafter Mond durchblitzt;
Wo durch des Dickichts Nacht
Ein Käferschwarm die Leuchten trägt
Als wiederhole sich bewegt
Des Himmels Sternenpracht:

Da schlüpft ein Weib im Nachtgewand
Aus eines Pflanzers Haus
Und späht von des Balkones Rand
Zur Meeresbucht hinaus.
Die Welle blitzt, der Nachen naht –
Nun knackt ein Zweig, da wo der Pfad
In's dunkle Dickicht biegt.
Er kommt. Sie flüstert: schleiche sacht,
Mein Vater selbst ist auf der Wacht –
Wonach er schießt, das liegt.

Er klimmt empor am rauhen Seil
Das die Liane spann;
Denn auch das Leben ist ihm feil
Wenn er den Preis gewann.
Was fragt er viel nach künft'ger Noth?
Ob hinter ihm die Hölle loht,
Der Augenblick ist sein.
Er denkt es nicht, er fühlt, er muß,
Und stürzt' auf diesen Flammenkuß
Die Himmelswölbung ein.


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