Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Lose Blätter mit Lücken.

1.
            Dein Leben naht sich nun der Mittagshelle,
Vorüber ist die Zeit der Kinderspiele,
Und wenn bisher mit kaum gelenktem Kiele
Dein Schifflein sorglos trieb auf jeder Welle,

So gilt es nun daß sich das Steuer stelle
Zu fester Fahrt nach einem ernsten Ziele.
Doch Muth, denn lebenslang entbehren Viele
Was du schon hast an deiner Jugend Schwelle.

Du nahtest mir mit kindlichem Vertrauen,
Im Reich des Wissens wolltest du dich sonnen
Und ließest mich in deine Seele schauen.

Nachdem ich Dich zu kennen kaum begonnen
Da hattest du dir einen Freund gewonnen
Und kannst nun fest auf seine Treue bauen.

 
2.
Du bist so schön. Es wird noch Jahre dauern
Bevor zum Sommer nur dein Frühling neigt;
Wie kommt es doch, daß mir ein leises Trauern
Bei deinem Anblick in die Seele schleicht?

Du bist so reich; du bist der Neid der Welt;
Du bist beliebt, geliebt in deinem Kreise.
Was ist es nur, das mich befangen hält?
Was ruft in meinem Herzen »Arme Waise!«?

Ist's Ueberhebung nur der Eitelkeit
Daß du mich liebst? Ist's etwa mein Verzagen
Daß für ein Wunder selbst zu tief und weit
Die Kluft uns trennt um je den Steg zu schlagen?

Beim Himmel, nein! Von ganzer Seele gönnte
Ich dich dem Mann der dich beglücken könnte.

 
3.
Kampf heißt das Weltgesetz. Aus ihren Bahnen
Einander zerren wollen selbst die Sterne;
Denn jeder wirkt in unermessne Ferne
Und seine Zugkraft wirbt um Unterthanen.

Die Pflanze kämpft. Sie will die ganze Erde
Erobernd überziehn mit ihren Kindern;
Doch jede will's und jede hilft verhindern
Daß alles Land zur öden Haide werde.

Der Hirsch beweist in tödtlichem Gefecht
Daß er der Stärkste sei; dann darf er werben.
Des Schwächlings Bildung soll sich nicht vererben
Und schöne Stärke nur ist Daseinsrecht.

Es kämpft was lebt denn Kraft ist Kampfesfrucht;
Durch Kampf betreibt Natur das Werk der Zucht.

 
4.
Noch nicht die Sorge für sein Aermelfutter
Benimmt man Einem völlig ohne Schaden:
Ein Kraftatom wird seiner Last entladen
Und die Belastung ist der Tragkraft Mutter.

Weh dem, den Rang und Reichthum hocherhaben
Ob allen kleinen Sorgen hingestellt,
Wenn ihm der Himmel nicht mit großen Gaben
Auch würdig große Sorgen zugesellt.

Ihm ist die Welt ein Freitisch. Durchgenascht
Sind alle Schüsseln bald. Der Jammermann
Der Alles hat obgleich er gar nichts kann,
Hat nichts mehr was ihn reizt und überrascht.

Erst ein Verschwender, wird er dann ein Filz
Und bleibt des faulen Glückes fauler Pilz.

 
5.
Gar schmeichelhaft in traulich süßem Schwärmen
Verglichst du mich mit einem Sonnenstrahl.
Wie soll ich deuten deines Bildes Wahl?
Wie kann ich dich erleuchten und erwärmen?

Wohl glimmt in mir ein Funke Himmelslicht;
Durch ihn erschiene dir die Welt verklärter,
Das wirre Leben schöner lebenswerther;
Doch dich mit ihm entzünden darf ich nicht.

Die Wenigen die drin zu Hause waren,
Die haben warm und treu mein Herz genannt;
Doch zwischen Uns ist eine Scheidewand;
Du kannst es glauben, aber nicht erfahren.

Ich darf zu Dir, das möchtest du wohl meinen,
Aus weiter Ferne nur hinüber scheinen.

 
6.
Erwähle dreist den Dichter zum Vertrauten,
Ihm darfst du rückhaltslos dein Herz ergießen;
Was er empfängt, das wird er treu verschließen
Und dein Geheimniß läßt er nie verlauten.

Von deinen Lippen sinkt durch seine Ohren
In undurchtauchte Tiefen deine Kunde;
Da ruht der Schatz auf stillem Meeresgrunde
Versunken aus, und dennoch unverloren.

Wie Blumen aus versenktem Saatkorn steigen,
So kehrt aus ihm dein Allvertrautes wieder;
Aus deiner Beichte werden seine Lieder
Und ihr Geplauder ist das beste Schweigen:

Das ist der Wahn der Welt: was man berichtet
Wie man's erlebt, das nennt sie stets erdichtet.

 
7.
Ich möchte Strophen zur Erhaltung dichten
Aus jedes liebe Wort aus deinem Munde,
In meinen Reimen jeder schönen Stunde
Die wir verlebt ein Monument errichten.

Zur Feder greifend muß ich oft verzichten;
Was mich beglückt wie frohe Himmelskunde,
Das liest sich, einfach schwarz auf weißem Grunde,
Als wären's ganz alltägliche Geschichten.

Ein altes Kleid, ein Knochenspan, ein Theilchen
Vom Kreuze dünkt dem Klugen schaaler Plunder;
Des Pilgers frommer Sinn erst kann es heil'gen.

Er sieht, er tastet, glaubt – und ist gesunder.
Hier halt' ich deinen Strauß von Winterveilchen
Und meine Liebe schaut ein holdes Wunder.

 
8.
Zusammen wohnen hier in engem Zimmer,
In meiner Brust, die feindlichen Gefährten,
Der fromme Pilger mit dem Aufgeklärten,
Und ihr Gezänk wird alle Tage schlimmer.

»Du bist ein Thor mit deinem Aberglauben.
Sie ist ein liebes Kind, ein junges Blut,
Sie hat uns gern, wir sind ihr wieder gut,
Zumal da man's durchaus nicht will erlauben.

Was predigst du mir salbungsvoll dagegen?
Ich weiß es auch, es führt zu keinem Ziele.
Was thut es? Wenn ich mit Bewußtsein spiele,
So leb ich doch; was brauch ich deinen Segen?

Muß Alles denn, um schön und lieb zu sein
Erst Licht entborgen deinem Heilgenschein?

 
9.
Ich pflege dichtend auf und ab zu schreiten
Bis Wahrheit, Wohllaut dicht zusammen kamen.
Nun folgen mir dabei nach allen Seiten
Zwei Augen die mein Herz gefangen nahmen.

Anstatt zum vollsten Reim den Vers zu leiten
Begrüß' ich dich mit deinem lieben Namen.
Als offne Zauberthür zu lichten Weiten
Erscheint mir deines Bildes goldner Rahmen.

Hinauf, hindurch! Du lebst, – dein Auge lacht,
Ich sehe wie sich deine Lippen regen,
Du hörst und billigst was ich stumm gedacht.

Ich fühle dich die Hand auf's Haupt mir legen, –
Verweht der Traum, dann ist der Vers vollbracht,
Denn dein Berühren war der Muse Segen.

 
10.
Ich sah dich hier in diesem Stuhle lehnen,
Mir war als müßt' ich, daß die lieben Züge
Recht klar und fest die Seelentafel trüge,
So weit als möglich die Pupillen dehnen.

Wir plauderten von kühn entworfnen Plänen
Wie sich zum Wunsch vielleicht Erfüllung füge –
Heut – lichtes Glück, und morgen wieder Sehnen
Nach Dir, du meines Daseins Vollgenüge.

Heut weihtest du die stille Dichterklause,
Noch hängt ein Hauch von Dir an allen Dingen,
Und morgen schon entführt zu langer Pause

Mein Glück der Dampf auf seinen Feuerschwingen!
Schnell ihm voran, mein Vers, im eignen Hause
Beim Eintritt ihr den ersten Gruß zu bringen.

 
11.
Willkommen heißt dich in den eignen Wänden
Der ferne Freund, der gern in stäter Nähe
Dich täglich grüßte, täglich hörte, sähe,
Dich schirmend, führend mit getreuen Händen.

Wie klar voraus ein Dichterauge spähe
Von deinem Pfad Gefährdung abzuwenden,
Mit seinen Gaben deine zu vollenden,
Erführst du wenn dies Wunder doch geschähe.

Den Wunsch verwarf ich sonst mit harter Strenge
Und nannt' ihn Wahn und blinde Leidenschaft;
Nun seh' ich klar der Schwierigkeiten Menge,

Doch sicher fühl' ich meine größre Kraft
Und weiß wie sie das Schwerste selbst erzwänge
Wo Beide trägt was Glück und Sieg verschafft.


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