Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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4.
Nachspiel zur dritten Rhapsodie.

(Gesang V. und VI. der Sigfridsage.)

            Für heut sei's genug. Nun wünsch' ich zur Nacht euch
Noch trauliche Träume. Hoffentlich tragt ihr
Erhobene Herzen mit euch nach Hause
Und Seelen, erregt zu sanfter Rührung;
Denn liebliche Bilder gebot und erlaubte
Mein heutiges Lied. – Ihr, liebende Herzen,
Sehet im Traum, wie Sigfrid vom Trinkhorn
Herabsah auf Krimhilds berauschende Reize
Und ihr auch die Seele mit Sonnenglanz füllte.
Dann entsinnt euch der Zeit da der süße Zauber
Des ersten Blicks wie ein blendender Blitzstrahl
Euch beide durchbebt und verbunden für immer. –
Euch, die ihr daheim der schönsten Hoffnung
Erfüllung findet, euch, glückliche Väter,
Wann ihr euer Söhnchen sanft und sorglos
Umschlossen sehet vom süßen Schlummer,
Euch zeige der Traum, wie ihr treulich erziehend
Dem lieben Kinde zum Kampfe des Lebens
Wie Mime der Schmidt der muthigen Mannheit
Niemals verrostende Rüstung schmiedet. –
Ihr, seelige Mütter, möget sehen
An der Wiege des Lieblings ein lichtes Wunder.
Die Königin der Feeen komme mit dem Füllhorn
Glänzender Gaben des Glücks und der Güte;
Sie bestreue den Säugling mit Strahlen des Segens
Und winke zur Wiege heran die Weisheit,
Die weltdurchleuchtende wahre Liebe
In der Wunderverhüllung der weißen Hirschkuh
Die seinem Gemüthe zum Muthe der Mannheit
Auch mitheilt die Milch der menschlichen Milde.

Und ich will träumen, ich habe die Truhe
Aus dem rauschenden Rhein an's Land gerettet
Drin unversehrt als blühender Säugling
Die Sage schläft, um, in meinem Gesange
Erwachend, zu wachsen zu Wunderkräften;
Denn Sie soll erlegen den Lintwurm der Lüge
Mit der ein Jahrtausend uns Kinder getäuscht hat:
Als ob unsre Väter, die furchtlosen Helden,
Die Weltüberwinder durch Zucht und Weisheit,
Die das Tiefste erdacht von des Daseins Bedeutung
Was dichtender Geist noch auf Erden entdeckt hat,
Nur Wilde gewesen voll Wahn und Irrthum.
So vertraue mein Lied im lichten Traume
Von dem Fündlingsschmerz mein Volk zu erlösen
Und es stärke mein Herz die stolze Hoffnung
Daß neidlos bezaubert die Zeitgenossen
Dem Liede lauschen, und freundlich lächelnd
Mir Beifall winken die Barden in Walhall,
Die Dichter der Edda, der edle Firdusi
Und Vater Homer, mein Führer und Meister.

So lasset uns Jeden, Jüngling und Jungfrau,
Sorgende Männer und sanfte Mütter
Als wohl gelungen unsre liebsten Wünsche
Getrost und vertrauend im Traum schon erleben,
Doch wachend dann wirken mit wackerer Arbeit
Daß diese Wünsche zur Wahrheit werden.


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