Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Prolog

zu einem Concert für die Verwundeten und Hinterbliebenen.
Herbst 1870
.

            Darf die Kunst um Andacht bitten wann die Welt von Waffen dröhnt?
Dürfen wir in Wohllaut schwelgen wann uns Wundenschmerz umstöhnt?
Ziemt's zu geigen und zu flöten wann uns Trauerflor umhüllt?
Können wir auf Lieder lauschen während die Kanone brüllt?

Nein, versagt ist uns das Schweben in der Schönheit stillen Reichen,
Wann das Heil des Vaterlandes nur beruht auf Schwertesstreichen.
Aus der Gegenwart entrinnen auf der Dichtung Traumesflügeln, –
Wer vermag es, wann das Schlachtfeld blutig starrt von Leichenhügeln?

Keine Kunst des holden Friedens, keines ihrer Meisterwerke
Können heute wir bewundern, nur die Kunst der Völkerstärke,
Nur das Werk der Schlachtenmeister und des hohen Völkerhirten,
Der allein mit Seheraugen, als die meisten murrend irrten,
Fern vom Horizont heraufziehn sah des Krieges schwarze Wolke
Und mit sichrer Hand die Rüstung schmiedete dem treuen Volke,
Dem des Lebens höchste Blüthe seinen Lebensabend schmückte,
Dem der Sieg den vollsten Lorbeer auf die weißen Locken drückte,
Den der Zukunft Heldensage preisen wird mit tausend Zungen
Als den großen Heldenkönig der das deutsche Reich errungen.

Eine Andacht nur geziemt uns während Uns die Weltgeschichte,
Riesig schreitend, zu Vollstreckern wählet göttlicher Gerichte:
Offenbart ein Wunderwalten in der eignen Brust zu spüren,
Das uns weih't, zum Heil der Erde diesen heil'gen Krieg zu führen.
Erst wann unser Volk geleistet diesen Dienst als Gottesknecht,
Hat die Kunst auf deutschem Boden wieder eignes Daseinsrecht.

Aber soll sie ganz verstummen, ganz verschwinden und verzichten?
Müßig feiern, während Alles lebt und webt in heil'gen Pflichten?
Soll ich, was uns hier versammelt, als ein Unrecht selbst verklagen? –
In der edeln Tonkunst Namen wag' ich's heute Nein zu sagen.
Sie auch darf als Samariter Balsam in die Wunden gießen
Und sie sagt: Ihr sollt nicht hörend sondern gebend heut genießen.
Jeder Ton bedeutet heute nur den Dank für eine Gabe;
»Gottes Lohn« – ruft eine Wittwe, »Gottes Lohn« – ein Waisenknabe.
Hört in Saitenklang und Liedern heute nicht das Spiel der Meister;
Hört das dankende Geflüster der im Kampf geschiednen Geister,
Dank, daß ihr vergelten wollet abgewehrte Feindesnoth,
Daß ihr lohnt den Hinterbliebnen ihrer Väter Opfertod.
Welche siegend litten, starben, und für uns mit ihren Leichen
Freiheit, Größe, Ruhm erwarben, in der Welt jetzt ohne Gleichen.

Und so muß denn doch der Jubel übertönen alle Klage!
Solche Siege sah die Welt nicht, meldet kaum der Mund der Sage.
Sie, die blind vermessen prahlten, nach Berlin spazieren ritten,
Müssen jetzt im Seine-Babel büßend um Vergebung bitten.
Die den deutschen Rhein begehrten zahlen heim die deutsche Lande
Die der stolze Ludwig raubte in den Tagen deutscher Schande.
Ungezwängt von wälschen Ufern rollt nun frei der deutsche Strom
Und die deutschen Banner schmücken Meister Erwin's hehren Dom.
Auch die Herzen zu gewinnen der verlornen deutschen Söhne
Sorgt nur, daß des Reiches Größe ordnungsvolle Freiheit kröne,
Daß dies schwere Kampfgewitter reinigend in uns erneue
Manneszucht und Frauenwürde, deutsche Sitte, deutsche Treue.
Auch der noch so sehr verwälschte wird sich rasch und gern bekehren,
Wenn das deutsche Reich die Bürgschaft gibt für höchste Bürgerehren.

Schreiten wir nach diesem Ziele! Offen endlich stehn die Pfade,
Offen durch die deutschen Siege, offen durch des Höchsten Gnade.
Laßt uns also dankend, hoffend, Ihn, den Siegverleiher preisen;
Nur wann Er die Herzen heiligt kommt das Heil durch Blut und Eisen.


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