Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Beichte.

(1849)

1.
                        Ich liege, den Kopf in die Rechte gestützt,
Mein eigenes Herz hör' ich pochen,
Und grüble, womit ich geschadet, genützt
Und was ich gefehlt, was verbrochen.

In buntestem Reigen der Seele vorbei
Geflattert kommen die Schwächen.
Weiß Einer sich gänzlich von Sünden frei,
Der möge den Stab mir brechen.

Beim Safte der Reben von Rauenthal
Von Jugendlust überzuschäumen,
In guter Gesellschaft beim leckersten Mahl
Eine Predigt gern zu versäumen;

Ja, seh' ich Einen ein feines Gericht
Wie Kartoffeln und Bohnen verschlucken,
Mich seiner zu schämen und über den Wicht
Verächtlich die Achseln zu zucken;

Im prächtigen Saal, wo von Kerzen umflammt
Ringsumher auf den schwellenden Sitzen
Die reizendsten Frauen in Atlas und Sammt
Diamantengeschmückt mich umblitzen,

Berauscht von des Walzers Tonkatarakt
Mit der Schönsten im Wirbel zu fliegen
Und den Arm, ihres wogenden Busens Tact
Mitfühlend, ums Mieder zu schmiegen,

Zu träumen daß Ich mit ihr in der Welt
Als gebietender König allein sei
Bis die nächste vielleicht mir noch besser gefällt
Und ich wähne daß diese nun mein sei;

An der Leidenschaft Flamme, verschmähend die Flucht
Mein Poetenherze zu wärmen
Und die Kunde der Seele der Frau mir als Frucht
Bis zur Fürstin hinauf zu erschwärmen;

Ja – bekenn' ich es nur! – wohl mitunter zu weit
Mich im sicheren Stolze zu wagen,
Zwar mit Vorbedacht nie, doch zu lohnen mit Leid
Eine Reihe von reizenden Tagen:

So, mit ewig nach Allgenuß hungriger Brust,
Mehr um Glück als um Frieden zu streiten,
Nur zu gern auch dem Sturm der irdischen Lust
Die Flügel entgegen zu breiten,

Bei den Frohen beredt, bei den Traurigen stumm,
In der Kunst nur stät und geduldig:
So zu leben und selten zu fragen warum,
Deß Allen bekenn' ich mich schuldig.

 
2.
Doch nun fragt mich der Freund: Was schweigest du still
Wann die Meute sich kläffend ereifert,
Dich zähnefletschend zerfleischen will,
Dich mit giftiger Galle begeifert?

»Verteidige dich und wolle nicht stolz
Nur immer dir selber genügen;
Schon manch ein guter Name zerschmolz
Am höllischen Feuer der Lügen.«

So wendet sich nun in schlafloser Nacht
An Dich der zweifelnd besorgte,
An Dich, unbegreiflich gewisseste Macht
Der ich, wachend, noch immer gehorchte.

Verlangt es das Wort das Du mir vertraut
Damit ich es sei und es sage,
Daß die Schreier des Marktes mit einem Laut
Ich zerschmettert zu Boden schlage?

O sag' es, ob dennoch mein Wesen gleicht
Des Spottbildes grauser Verrenkung?
Verlor ich die Fühlung und irr't ich vielleicht
Vom Wege trotz deiner Lenkung?

So rede nun, treuester Seelenhirt,
Aus mir selber und doch unbestechlich. –
»Die Buße wird lehren wo du geirrt,
Denn auch Du bist schwach und gebrechlich.

»Indem du sie trägst erkenne die Schuld
Und lerne sie künftig vermeiden;
Jetzt übe dich gern in stummer Geduld
Und lächelnd laß dich beneiden.

»Woran du geglaubt, das hast du ja dreist
Auch bekannt ohne Beben und Bangen;
Die Sünde wider den heiligen Geist
Hast du noch niemals begangen.

»Wie vor Kurzem allmächtiges Willkürgebot
Die Wahrheit geknechtet, doch fruchtlos,
Wird Gesetz nun und Sitte vom Pöbel bedroht;
Denn, entfesselt, wünscht er sich zuchtlos.

»Hast du damals gefürchtet Verbannung und Haft?
Nein, du sprachest hinaus was du dachtest.
Laß sie faseln, daß du die Geisteskraft
Für Gold und Titel verpachtest.

»Laß sie füllen mit Fäden von Lügenwerg
Ihre wüthig schnurrende Spindel!
Vertheidigen darf sich nur ein Zwerg
Gegen solches Lumpengesindel.«


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