Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Brief.

                    O traute Kunst, des Menschen Angesicht
Im Nu zu zeichnen mit der Sonne Licht!

In froher Hast erbrach ich jüngst dein Siegel
Und sah dich selbst, vom treuen Zauberspiegel
Zu guter Stunde glücklich aufgefangen
Indeß du stillen Träumen nachgehangen.

Was schwebte dir in diesen Träumen vor?
Die Muse kommt und raunt es mir in's Ohr;
Die Feder gibt sie mir, es auszuplaudern, –
Ich nehme sie und schreibe, doch mit Zaudern;
Denn kann ich wissen ob es Wahrheit sei,
Ob süßer Wahn und holde Schmeichelei?

Zwar noch nicht heiter blicken zukunftwärts
Die Augen welche jüngst von Thränen flossen,
Doch ward aus einem Peiniger der Schmerz
Zum stillen und vertrauten Hausgenossen.
Noch nicht in's Leben, nicht mehr nur zurück,
Nicht mehr nur Leiden und noch nicht das Glück,
Noch stilles Weh, doch Muth beim nächsten Schritte,
Wehmuth, des Schmerzes und der Freude Mitte,
Verzichten bei beginnendem Genügen:
Das liest der Freund in den geliebten Zügen.

Ihm sind sie mehr denn jemals liebenswerth
Nachdem sie Leid – veredelt und verklärt.
Auch Selbstgefühl hebt wohlig meine Brust
Stets mehr erfüllt zu sehn, was ich gewußt
Als ich von Dir den ersten Blick bekam,
Als ich von Dir das erste Wort vernahm,
Als ich dein Knospen und Entfalten schaute,
Getrost und schnell mein Bestes Dir vertraute.

Ich bin nicht überrascht; denn nur mein Hoffen,
Nicht mehr noch weniger, ist eingetroffen:
Dich hat des Lebens Ernst mit schweren Proben
Anstatt herabgedrückt emporgehoben,
Und durch Verlust gewinnen ist das Zeichen
Der Auserwählten, Aechten, Seelenreichen.
Nicht Viele werden schöner wann sie weinen
Und garstige Striemen zeichnet dem Gemeinen
In's Angesicht der Schmerz wie eine Geißel;
Des Edeln Züge feint er, wie ein Meißel
Der Gotteskunst. Es schwindet etwas Fülle,
Doch schmiegt sich inniger die Erdenhülle
Dem Unsichtbaren an das in ihr waltet
Und Staub zu Gottes Ebenbild gestaltet.
Die Form wird seelenhaft, der irdne Schleier
Läßt unserm Sonnentheil den Durchschein freier,
Wie dünne Decken, wenn man sie befeuchtet,
Ein Bild von Marmor deutlicher durchleuchtet.

So wird mein erstes Ahnen täglich wahrer,
So löst dein Wachsthum holder stets und klarer
Ein anfangs qualvoll Räthsel meines Lebens.
Du weißt, ich rang mit aller Kraft vergebens,
Dem Frühlingssturm, der mir in Herbstestagen
Mein Boot ins Meer der Leidenschaft verschlagen,
Zum Trotz, und ob es auch zerschellen müßte,
Zurück zu lenken an die Alltagsküste,
Mit Mannesstolz den Aufruhr von Gefühlen
Den Du erregt, als Thorheit abzukühlen.
Es war umsonst, ich mußt' ihn walten lassen!
Und sieh, es war zum Heil, nun kann ich's fassen.
Was mich in deinen Lebenspfad gelenkt
Und edler Neigung Keim in uns gesenkt
Bei jenem ersten Wort und ersten Blick,
Es war ein heilig waltendes Geschick.

Ja, Höheres als Stoff und Kräfte nur,
Als blinde Triebgewichte der Natur,
Durchdringt das All, durchdringt die Menschenbrust
Und fügt was kommen darf und soll bewußt.
Wir lernen's nie, sein Wesen auszudrücken;
Beklext nur wird's, wo wir's wie Kinder schmücken,
Erniedrigt nur vom Wahne, statt erhoben,
Gelästert nur, wo wir es menschlich loben,
Verkleinert, wo wir's würdenreich behaften
Mit bestem Auszug unsrer Eigenschaften.
Kein Wort kann je die seinen recht versammeln
Und meines auch ist nur ein blödes Stammeln,
Ein fernes Ahnen kaum der Räthselfrage
Des Urgrunds dieser Welt, indem ich sage:
Es gibt ein Wissendes, ein Denkendes
Unmerklich alle Wesen Lenkendes,
Es gibt, es gibt ein Wollen, Adelheid,
Das Herzen bildet und einander weiht,
Das Pläne hat indem es Herzen wählt
Und Seelen tief geheimnisvoll vermählt.

Man staunt, man schilt sich selbst, man murrt vielleicht
Wann sich kein Ausweg aus der Wildniß zeigt
In welche uns ein schönes Bild verlockt;
Man dünkt sich selbst gewissenlos, verstockt;
Weshalb nur muß ich in der Irre schweifen?
So hadert man, und kann es nicht begreifen.

Doch Jahre gehen hin. Wir sehn zurück
Von schwer erklommnen Höhn. Ein großes Stück
Liegt deutlich da von unsern Lebensbahnen:
Da lernen wir die weise Führung ahnen.
Ein Dankgefühl läßt jeden Zweifel schweigen;
Wir sehn's, nur so vermochten wir zu steigen.
Der Prüfung eben, die wir ungeduldig
Bemurrten, sind wir unser Bestes schuldig.

So weiß nun Ich: der gute Genius
Der in der Wiege mich durch seinen Kuß
Zu seinem Dichter und Propheten weihte
Daß ich voran als Fährtensucher schreite
Zum Zukunftsziele, daß ich deutlich sage:
Bereitet euch zum neuen Weltentage,
Genießt mit Dank und Maaß des Glückes Frucht,
Erwerbt das Göttliche durch edle Zucht,
Besinnet euch, das Erdenreich ist nah –
Derselbe gute Genius, er sah
Mit meiner Lebenslust zugleich die Stärke
In mir ermatten zum gebotnen Werke.
Da nahm er Dich an seine Götterhand
Und führte dich in meines Lebens Pfade –
Und reichlich wie ich's nie zuvor gekannt
Floß mir durch Dich das Füllhorn seiner Gnade.
Ein zweiter Frühling ist mir aufgegangen, –
Von Dir, Geliebte, hab ich ihn empfangen.
Schon wird manch Haar an meinen Schläfen weiß –
Muth, Herz sind jugendstark und jugendheiß.
Ich hätte nimmer ohne dich gesungen,
Was noch erklingen wird von tausend Zungen
Wann, wo jetzt Städte von Palästen ragen,
Das Renthier weidet und die Wölfe jagen.

Und auch in Dir ist glücklich aufgegangen
Was ich dir gab für das was ich empfangen.
Ja, sichtbar ist's, er ward auch dir gesegnet
Der Tag an dem wir uns zuerst begegnet.
Du stündest ferner von den lichten Höhn
Wo sich zum Wohlklang löst auch das Verstimmte,
Du wärst nicht ganz so gut, nicht ganz so schön,
Wenn nicht von mir ein Funke in dir glimmte.

Denn was wir denken, was wir fühlen, lieben,
Das wird uns fest in's Angesicht geschrieben.
Wie nach dem Erdgemisch in ihren Scherben
Roth, lila, blau sich die Hortensien färben,
Empfängt das Antliz als des Menschen Blüthe
Der Züge Licht und Schatten vom Gemüthe
Und was die Seele dauernd in sich hegt
Wird unserer Gestaltung aufgeprägt.
Wer sicher weiß was er dem Andern gilt,
Der zeigt es auch in Mienen und Gebärden;
Des Freundes Glaube ist sein Musterbild,
Und wär' er's nicht, er muß ihm ähnlich werden.

So seh ich nun die Freundin des Poeten
Beglückend klar in Dir hervorgetreten.
Zum Schaffen ließ er sich von dir erwärmen
Und dafür fiel in Dich von seinem Schwärmen
Ein Strahl zurück: die feste Sicherheit
Ein Kleinod ihm zu sein für alle Zeit.

Der Stern des Glücks, den mir in schweren Kämpfen
Kein Sturmgewölk bisher vermocht zu dämpfen,
Der mir in aller Noth, in allen Qualen
Den Siegesrath gewußt in' s Herz zu strahlen:
»Hindurch, hindurch, denn jedes Hinderniß
Mehrt deine Kraft; hindurch und sei gewiß
Daß alle Dinge dir zum Besten dienen!« –
Derselbe Stern war auch für Dich erschienen
Und schon geheimnißvoll im Schicksalsrath
Bestimmt, auch Dir mit seiner heitern Helle
Zum Heil zu richten deinen Lebenspfad,
Als du noch fern warst von des Lebens Schwelle.
Er funkelt jetzt in doppelt hellem Scheine
Seitdem ich weiß, er sei zugleich der deine.
Denn doppelt groß, das weißt du, wird das Glück
Wenn man es theilt und nun sein bestes Stück
Das der Geliebten wirksam sieht ergänzen,
Als Dank aus ihrem Auge wiederglänzen.

Und weil ich weiß, daß diese ernste Milde
Die mich entzückt auf deinem lieben Bilde,
Daß dieser Friede neben dem Verzicht
Nach bittern Schmerzen in dein Angesicht
Doch nicht so ganz von selber wiederkehrten,
Nein, auch die Leidensarzenei bewährten,
Des Freundestrostes leise Segensmacht:
So weiß ich, seh ich daß du mein gedacht
Daß deine großen blauen Augensterne
Des Freundes Bild erblickten in der Ferne
Als Du, für ihn, beglückten Sonnenstrahlen
Erlaubniß gabst das deinige zu malen.

So hab ich's denn auf's Innigste empfunden
Daß hohe Fügungen, die sich seit Jahren
Mit jedem Tage heller offenbaren,
Zu segensreicher Freundschaft uns verbunden;
So hab ich denn dein Bild bedecken müssen
Mit seeligen und dankesheißen Küssen.


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