Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke
Dem Käfer nicht die goldne Brust
Und gönne selbst der kleinen Mücke
Den Sonnentanz, die kurze Lust.
Ein langes mütterliches Bilden
Hat rührend in der Larve Nacht
Gerieft an diesen Flügelschilden
Den Schmelz von grün metallner Pracht.
Er muß nach einem Sommer sterben
Wo du dich siebzig Jahre sonn'st;
O laß ihn laufen, fliegen, werben,
Er sei so prachtvoll nicht umsonst.
Ein Wasserwürmchen lag im Moore,
Vom Himmel träumend, fußlos, blind.
Da wächst ihm Fuß und Aug'; am Rohre
Ersteigt es Lüfte warm und lind.
Voll Sommergluth getrocknet springen
Die Gliederschaalen; blaue Höhn
Erstrebt's auf zart gewobnen Schwingen
Und summt: Wie schön, wie wunderschön!
Nun ist's in seinen Himmelreichen;
Sein höchstes Glück – ein Tag umspannt's.
So gönn' ihm nun mit seinesgleichen
Den Elfenchor im Abendglanz.
Sei mitleidvoll. Was wir erfuhren,
Das schläft im Stein, das webt im Baum,
Das zuckt in allen Kreaturen
Als Dämmerlicht, als Fragetraum.
Sei mitleidsvoll! Du bist gewesen
Was todesbang vor dir entrinnt.
Sei mitleidsvoll! Du wirst verwesen
Und wieder werden was sie sind.
Sei mitleidsvoll, o Mensch! Zerdrücke
Dem Käfer nicht die goldne Brust
Und gönne selbst der kleinen Mücke
Den Sonnentanz, die kurze Lust. |