Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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An Marie Seebach

nach ihrer Rolle der Adrienne Lecouvreur.

         Du deutsche Künstlerin von Gottes Gnaden
Verirrtest auch zu diesen fremden Pfaden?
Erfüllen kannst du Goethes Ideale
Und dennoch an die wälsche Larvenschaale,
Verzerrt damit die Nerven krampfhaft beben,
Verschwenden deutsches ächtes Frauenleben?

Du reihtest Perlen, eine Fürstenstirn
Zu schmücken werth, auf knotig schlechten Zwirn;
Sie standen lückenhaft und unbequem
Und aus den Perlen ward kein Diadem.
Es leuchtete der helle Gottesfunke
Und brach sein Licht – an falschem Flitterprunke.
Ein Feuerwerk von Blendern, Schlag auf Schlag,
Das war's, kein sonnenwarmer Feiertag
Der wahren Kunst, und Dir ist schwer verzeihen
Denn Du empfingst von ihr die höchsten Weihen.

Das eben zeigt den ächten Künstler an
Daß er gar Vieles nun und nimmer kann
Und, lockt ihn doch einmal die Lust der Menge
Aus seines Zauberzirkels weiser Enge,
In falscher Bahn mit fremdem Licht zu glänzen,
Verzichtend heimkehrt in die eignen Grenzen.
Drum wünsch ich dir aus voller Seele Glück
Daß dieses Virtuosenmeisterstück
Dem Gretchen Goethes nicht gelingen konnte.

Du schöner Stern, am deutschen Horizonte
Verbreite Glanz, in deutsche Herzen strahle
Den Glauben deutscher Frauenideale
Und wisse was du mir zu fühlen schienst:
Die rechte Kunst ist immer Gottesdienst.


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