Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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An König Wilhelm.

Aus den Tagen zwischen Wörth und Gravelotte.

              Ein Morgen voll Betrübniß war's nach einer Nacht voll Bangen
An dem wir Dich zum ersten mal als König hier empfangen;
Denn Dach und Thurm des Kaiserdoms verzehrten wilde Flammen;
Wir fürchteten, es stürze bald der ganze Bau zusammen.

Du eiltest hin und schautest noch mit ernstumwölkter Miene
Von Flämmchen hier und da durchzuckt die rauchende Ruine.
Was Du geredet hört' ich nicht, doch sah ich was du dachtest,
Indem Du wie aus schwerem Traum zu heiterm Blick erwachtest:

»Wohl fest genug erweisen sich die alten deutschen Mauern
Um neu gedeckt auch fernerhin Jahrhunderte zu dauern.
Sie werden bald umrüstet stehn vom Fuß zum höchsten Rande;
Vollendung soll des Meisters Plan verdanken diesem Brande.

»Zerstört ist nur das alte Dach, zermürbt vom Gluthensturme
Die Kappe, welche Hast und Noth einst aufgestülpt dem Thurme.
Sie soll des Bau's Krystallgesetz nicht länger plump verhöhnen;
In Zukunft wird ihn licht und schlank die Pyramide krönen.«

So dachtest Du. Doch als den Thurm umstarrte das Gerüste –
Da schleudert' uns der Erbfeind zu in frechem Raubgelüste
Den Kriegesbrand. Du rufst, und rasch zum schwer bedrohten Strome
In Waffen wogt das deutsche Volk, umrüstet gleich dem Dome.

Schon merkt der dunkelvolle Feind den aufgewachten Riesen,
Schon zweimal wurden derb und weit die Räuber heimgewiesen.
Zu Boden wirf nun ganz, o Herr, mit ungeheuerm Streiche
Dies Neidhartsvolk das uns gewehrt den Bau am eignen Reiche.

Wie eitel sich's auch schminkt und bläht, es fühlt: nur zwischen Kleinen
Gelingt ihm die Komödie, Sich und andern groß zu scheinen.
So hat's geschürt den Zwietrachtsbrand mit Lug und Trug und Tücke
Der unsern alten Kaiserbau zerfallen ließ in Stücke.

Allein die wälsche Niedertracht war doch nur halb gelungen.
Wie tief uns auch die Noth gebeugt, Eins wurde nie bezwungen:
Unsterblich lebt und schafft in uns als göttliches Vermächtnis
Was nie verzichtet, nie verzagt, des deutschen Volks Gedächtnis.

Vom Vater mehr denn einmal schon bis hin zum Enkelsohne
War wirrwarrvolles Zwischenreich, verwaist die Kaiserkrone
Vergessen aber war sie nie, die Hoffnung nie geschwunden,
Einst werde wieder auch für sie das rechte Haupt gefunden.

Durch deutschen Fleiß und deutsche Kraft erhob sich aus den Trümmern
Der Ball des Reichs. Ein Wetterdach der Hälfte aufzuzimmern
War Dir, o Herr, gelungen schon – da riß mit giftgem Neide
Das lange schon geschliffne Schwert der Nachbar aus der Scheide.

So hab' er nun was ihm gebührt, dem frechen Länderdiebe.
Zur Heilung seines Größenwahns empfang' er deutsche Hiebe.
Doch Eines möge das Geschick ihm wirklich ganz erhören:
Der Brand, den er geschleudert, mag das Wetterdach zerstören.

Auch wenn er manchen Stein zermürbt und manche Nebenspitze
Die nur als eitle Zier bisher herangelockt die Blitze,
Auch ihn bestehen stark genug die alten deutschen Mauern,
Aufs neue prachtvoll überwölbt Jahrhunderte zu dauern.

Was vorgezeichnet unserm Volk des Weltenmeisters Plane
Verdanke die Vollendung dann dem letzten Gluthorkane.
Du, Heldenkönig, sorge nun, daß bald ein Ruhmesfriede
Dem Thurm die schlanke Krönung gibt, die Kaiserpyramide.


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