Wilhelm Jordan
Strophen und Stäbe
Wilhelm Jordan

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Das Lied von der Weide.S. d. betr. Anmerkung in meiner Uebersetzung des Othello.

        Ein verlassenes Kind saß freudenlos
Im Schatten der hängenden Weide,
Die Hand auf der Brust, den Kopf im Schooß
Und das Herze schwellend von Leide.
Mein Liebster ist fort und kommt nicht zurück,
Die Welt ist so kalt, gestorben mein Glück.
So sang sie, o Weide, o Weide!

Die Vögel saßen um sie herum
Auf den schwankenden Zweigen der Weide
Und hatten nicht Angst, doch blieben sie stumm
Als fühlten sie mit wie sie leide.
Mein Liebster ist treulos, ich war ihm so gut,
Er weiß nicht, er weiß nicht, wie weh das thut,
So sang sie, o Weide, o Weide!

So rauschend und kühl das Bächlein floß
Und netzte die Zweige der Weide,
So stille, so heiße Thränen vergoß
Das Kind in unsäglichem Leide.
Ach scheltet ihn nicht, ich war ihm zu schlecht,
Gib du mir den Kranz statt Myrthengeflecht,
So sang sie, o Weide, o Weide.


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