Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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Der Zorn des Königs

Wo bist du, schöne Yauna? Der König erwacht, liebevoll breitet sich sein Arm nach dir aus. Wo bist du, strafbare Yauna?

Ruhige, süße Freuden kostest du in den Armen eines neuen Geliebten. Eile, Mädchen! Es sind die lezten deines Lebens.

Schrecklich ist der Zorn des Königs. – Wachen, fliegt hin, greift Yauna, und den Verwegnen, der ihre Liebkosungen empfängt!

Da kommen sie, nackend, in Ketten. Liebe mischet sich in ihren Blicken mit der Furcht. –

Ihr habt beide den Tod verdient; ihr sollt ihn haben.

Verwegner Jüngling, nimm diesen Wurfspieß und durchstoß deine Geliebte!

Der Jüngling schauderte, er stürzte drei Schritte zurück und bedeckte seine Augen mit den Händen. Das zärtliche Mädchen warf ihm Blicke zu, süsser denn der Honig des Frühlings, Blicke, wo die Liebe durch Thränen schimmert. Wüthend ergreift der König den fürchterlichen Wurfspieß; durchstossen ist Yauna; sie sinkt nieder, ihre schönen Augen schliessen sich, und der letzte Seufzer dringt aus ihrem sterbenden Munde. Ihr trostloser Geliebter bricht in einen Schrei des Entsetzens aus; ich habe den Schrei gehört, er ist wiedergehallt in meiner Seele, und sein Andenken erfüllt mich mit Schaudern. Schon empfängt er den Todesstreich und sinkt auf den Leichnam seiner Geliebten.

Unglückliche! Schlummert zusammen, schlummert in Frieden in der Stille des Grabes.

 


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