Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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22. König Esthmer

ein altes Mährchen.

Englisch.

Reliqu. Vol. I. p. 59. Ich habe mir ein Gewissen draus gemacht, dies wunderliche, aber trefliche, lustige, alte Biedermährchen auch nur im mindesten zu schminken oder zu verschönen. Man muß es als Mährchen lesen und nicht anders.

Horcht mir zu, ihr lieben Leut,
        Neigt euer Ohr mir dar;
Ich sing euch von ein'm Bruder Paar,
        Als je nur Eines war.

Der Eine von ihnen hieß Adler jung,
        Der Andre König Esthmer.
Sie waren so wackre Männer in Thaten,
        Als immer nah und ferne.

Und als sie trunken einst Bier und Wein
        In König Esthmers Hallen:
»Wann wollt ihr nehmen ein Weib euch, Bruder,
        Ein Weib zur Freud uns allen?«

Denn besprach's König Esthmer,
        Antwort't ihm hastiglich:
»Ich weiß kein Maid in allem Land,
        Die wär ein Weib für mich.«

»König Adland hat eine Tochter, Bruder,
        Jeder nennt sie fein und schön;
Wär ich hier König an Eurer Statt,
        Die Dam' wär Königin.«

Sprach: »rath mir, rath mir, lieber Bruder,
        Durch's lust'ge Engelland
Wo sollen wir einen Boten finden,
        Der zwischen uns sey zur Hand.«

Sprach: »Ihr müst reiten selbst, mein Bruder;
        Ich will euch kompaneyn.
Wohl mancher ist durch Boten betrogen;
        Ich fürcht', auch ihr möcht's seyn.«

Und also puzten sie sich zu reiten,
        Gepuzt war beider Roß;
Und als sie kamen zu Adlands Hallen,
        Von Golde glänzt ihr Troß.

Und als sie kamen zu Adlands Hallen,
        Wohl vor das hohe Thor,
Allda sie fanden König Adland selbst,
        Macht ihnen auf das Thor.

»Nun Gott mit Euch, König Adland gut,
        Gott mit Euch immer und hier!«
Sprach: »Willkomm, willkomm, König Esthmer,
        Recht herzlich willkomm mir!«

»Ihr habt eine Tochter, sprach Adler jung,
        Jeder nennt sie fein und schön.
Mein Bruder will sie nehmen zum Weib,
        Zu Englands Königin.«

»Und gestern war um meine Tochter hier
        König Bremor aus Spaniens Reich,
Und da nickt sie ihr Nein ihm zu;
        Ich fürcht, sie thuts auch euch.«

»Der König von Spanien ist ein garst'ger Heid,
        Und glaubt an Mahomet.
'S wär Jammer um solch ein schönes Maid,
        Daß so ein Hund sie hätt!«

»Aber sagt mir, (König Esthmer sprach's)
        Ich bitt euch, sagt mirs zu,
Daß morgen ich Eure Tochter seh,
        Eh ich wegreiten thu.«

»Und wärs gleich sieben und noch mehr Jahr,
        Seit sie war in der Hall,
So soll sie kommen um Euretwillen,
        Zur Freud den Gästen all.«

Ab denn kam die schöne Maid
        Mit Jungfraun reicher Zahl,
Wohl halb einhundert Ritter stolz
        Einleiten sie zur Hall,
Und noch so mancher Edelknab',
        Ihn'n aufzuwarten all.

Die Goldstück' all an ihrem Haupt,
        Sie hingen bis zu den Knien,
Und jeder Ring an ihrem Fing'r
        Ein heller Demant schien.

Sprach: »Grüß euch Gott, meine Dame schön!«
        Sprach: »Grüß euch Gott allhier!«
Sprach: »Willkomm, willkomm, König Esthmer,
        Recht herzlich willkomm mir!

Und liebt ihr mich denn, als ihr sagt,
        So herzlich und so treu,
Warum ihr immer nur kommen seyd,
        Geb Gott, euch glücklich sey!«

Ein denn, sprach der Vater theur:
        »Meine Tochter, Nein ich sag!
Bedenk der König von Spanien,
        Was der sprach gestertag.

Wollt stürzen ein mir Schlöss'r und Hall'n?
        Wollt rauben das Leben mir?
Fürwahr, ich fürcht' des Heiden Grimm,
        Wenn ich dies zugeb' dir.«

»Eure Schlösser und eure Thürme, Vater,
        Sind stark und vest gebaut,
Und darum weiß ich nicht, was Euch
        Fürm garst'gen Heiden graut.

König Esthmer, gebt mir Euer Wort,
        Beym Himmel und rechter Hand,
Daß ihr mich nehmen wollt zum Weib,
        Zur Kön'gin in Eur Land.«

König Esthmer freudig gab sein Wort,
        Beym Himmel und rechter Hand,
Daß er sie nehmen wollt zum Weib,
        Zur Kön'gin in sein Land.

Nahm Urlaub von der schönen Braut,
        Zu gehn schnell in sein Reich,
Zu suchen Herzog', Ritter und Grafen,
        Sie heimzuführen gleich.

Sie hatten geritten eine Meile kaum,
        Eine Meile weit hinan,
Als ein thät kommen der Span'sche König
        Mit manchem Kämpfersmann.

Als ein thät kommen der Span'sche König,
        Mit manchem grimmen Baron,
Noch heut zu freyn König Adlands Tochter,
        Und morgen zu ziehn davon.

Stracks sandt sie König Esthmer'n nach,
        So schnell als bitter ihr graut,
Sollt eilig kommen und kämpfen um sie,
        Oder immer aufgeben die Braut.

Ein' Weil' der Edelknabe kam,
        Ein' ander Weil' er lief,
Bis er König Esthmern eingeholt,
        Und schnell und hastig rief:

»Zeitung, Zeitung, König Esthmer!«
        »Und was für Zeitung dann?«
»O Zeitung muß ich euch sagen,
        Die euch wohl schwer seyn kann.

Ihr hattet geritten eine Meile kaum,
        Eine Meile weit hinan,
Als ein schon kam der Span'sche König
        Mit manchem Kämpfersmann.

Als ein schon kam der Span'sche König
        Mit manchem grimmen Baron,
Noch heut zu freyn König Adlands Tochter,
        Und morgen zu ziehn davon.

Die Dame schön Euch freundlich grüßt,
        So sehr und bitter ihr graut,
Spricht: Ihr müst kommen und fechten um sie,
        Od'r immer aufgeben die Braut.«

Sprach: »rath mir, rath mir, lieber Bruder,
        Dein Wort und ich geh's ein,
Wes Weges sollen wir gehn und fechten?
        Gerettet muß sie seyn.«

»Nun horcht mir zu, sprach Adler jung,
        Mein Wort und geht es ein,
So will ich gleich euch zeigen den Weg,
        Da sie kann gerettet seyn.

Meine Mutter war aus Westenland,
        Gelehrt in Schreiberei,
Und als ich noch zur Schule ging,
        Bracht sie mir auch was bei.

Da wächst ein Kraut im Felde hier,
        Und wer es kennet, traun,
Der, ist er weiß wie Milch und Blut,
        Wird dadurch schwarz und braun.

Und ist er dunkel, schwarz und braun,
        Macht's schnell ihn weiß und roth,
Und ist kein Schwert in Engelland,
        Das könnt ihm bringen Noth.

Und Ihr sollt seyn ein Harfner, Bruder,
        Wie Ein'r aus Norden pflegt,
Und ich will seyn eur Singer, Bruder,
        Der euch die Harfe trägt.

Und Ihr sollt seyn der beste Harfner,
        Der je die Harfe schlug,
Und ich will seyn der beste Singer,
        Der je die Harfe trug.

Und soll uns aufstehn auf der Stirn,
        Und All's durch Schreiberei,
Daß wir im ganzen Christenthum
        Wohl sind die Kühnsten zwei.«

Und so sie puzten sich zu reit'n,
        Gepuzt war beider Roß,
Und als sie kamen zu Adlands Hall'n,
        Von Golde glänzt ihr Troß.

Und als sie kamen zu Adlands Hall'n
        Wohl vor das veste Thor,
Da fanden sie einen Pförtner stolz,
        Der aufthun sollt das Thor.

Sprach: »Grüß dich Gott, du Pförtner stolz!«
        Sprach: »Grüß dich Gott allhier!«
»Nun willkomm, sprach der Pförtner stolz,
        Von wannen seyd denn ihr?«

»Wir sind zwei Harfner, sprach Adler jung,
        Aus Nordland kommen wir;
Sind angekommen, mit anzuschaun
        Die reiche Hochzeit hier.«

Sprach: »Und Eur Farb ist weiß und roth,
        Und Eur' ist schwarz und braun;
König Ehstmer (Esthmer) und sein Bruder ist hier,
        Will ich ansagen, traun!«

Ab sie zogen ein'n Ring von Gold,
        Ihn legend an Pförtners Arm:
»Wir woll'n nicht dir, du Pförtner stolz,
        Du uns nicht sagen Harm!«

Ernst er ansah König Esthmer,
        Dann ernst auf seinen Ring,
Dann öfnet er ihnen das Gitterthor,
        Sonst thät ers um kein Ding.

König Esthmer schwung sich ab vom Roß
        An Königs Halle hart.
Der Schaum, der stand vor Pferds Gebiß,
        War wie König Bremors Bart.

Sprach: »Stall dein Roß, du Harfner stolz,
        Geh, stall es in den Stall!
Ein'm solchen Harfner es nicht ziemt,
        Zu stall'n in Königs Hall.«

»Ich hab ein'n Jungen, der Harfner sprach,
        Der ist so keck und kühn,
Ich wollt' ich fänd' einmal den Mann,
        Der einst ihn züchtigt' – ihn!«

»Du sprichst wohl stolz, sprach der Heiden Kön'g,
        Du Harfner hier zu mir:
Da ist ein Mann in dieser Hall,
        Der Eins gibt ihm und dir.«

»O laß ihn kommen, der Harfner sprach,
        Ich möcht' ihn gern doch sehn.
Und wenn er's diesem gegeben hat,
        Soll's über mich ergehn.«

Ab denn kam der Kämpfersmann,
        Und schaut ihm ins Gesicht.
Um alles Gold auf aller Welt
        Dorft er sich nahn ihm nicht.

»Und wie nun, Kämpfer? der König sprach,
        Und was kommt dir jezt bei?«
Er sprach: »Da stehts auf seiner Stirn,
        Und Alles durch Schreiberei!
Um alles Gold auf aller Welt
        Ich ihm nicht nahe bei.«

König Esthmer dann die Harfe zog,
        Und spielt darauf so süß.
Aufstarrt die Braut an Königs Seit';
        Dem Heiden macht's Verdrieß.

»Halt ein dein' Harf, du Harfner stolz,
        Halt ein, ich sag es dir,
Denn spielst du fort, als du beginnst,
        Meine Braut entspielst du mir.«

Er riß, er riß aufs neu die Harf,
        Er spielt so schön und frei;
Die Braut, die ward so wohlgemuth,
        Lacht Eins und zwei und drei.

»Gib mir dein' Harf, der König sprach,
        Dein' Harf und Saiten all,
Und so viel Goldstück sollt du hab'n,
        Als ihrer Saiten Zahl.«

»Und was wollt ihr thun mit der Harf,
        Wenn ich sie Euch lassen thät?«
»Meine Braut so spielen wohlgemuth,
        Wenn wir nun gehn zu Bett.«

»So laß mir denn deine schöne Braut
        So prächtig über All',
Und so viel Goldstück sollt du hab'n,
        Als Ring hier in der Hall.«

»Und was wolltst du mit der schönen Braut,
        Wenn ich dir sie lassen thät?
Ziemt sich doch mehr für mich als dich,
        Die Schöne führen zu Bett.«

Er spielt' aufs neu, strich laut und klar,
        Und Adler sang darein:
»O Braut, dein treuer Liebhaber es ist,
        Kein Harfner, der König dein!

O Braut, dein treuer Liebhaber es ist;
        Blick auf, blick auf und sieh,
Zu retten dich vom garst'gen Heid,
        Sind wir zwei kommen allhie.«

Die Braut blickt auf, die Braut ward roth,
        Blickt auf und ward so roth,
Indeß zog Adler sein scharfes Schwert,
        Der Sultan, er lag todt.

Auf standen denn die Kämpfer all,
        Schrien all' in grosser Noth:
»Verräther, hast den König erschlagen –
        Und schnell sollt auch seyn todt.«

König Esthmer warf hinweg die Harf,
        Ergrif sein Schwert so schnell,
Und Esthmer Er und Adler jung,
        Sie fochten, als gegen die Höll.

Und ihre Schwerter trafen so
        Durch Hülf der Schreiberei,
Daß bald erschlagen die Kämpfer lagen,
        Oder waren nicht mehr dabei.

König Esthmer nahm die schöne Braut,
        Führt sie zum Weibe sich
Daheim ins lust'ge Engelland,
        Und lebt da fröliglich.

 


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