Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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19. Gasul und Lindaraja

Spanisch.

Aus der Hist. de las guerr. civil, de Granada p. 534.

Durch die Strasse zu Sankt Lucar
Kommt heran der tapfre Gasul,
Prächtig, schöngeschmückt in weisser,
Violett- und grüner Farbe.

Muthig will er ab jezt reisen
Zum Turnierfest, das in Gelves
Der Alcaide gibt zur Feier,
Als ein Friedensfest des Landes.

Er liebt eine Benceraja,
Ueberbliebne jener Helden,
Die die Zegris und Gomeles
Einst verriethen in Granada.

Sie zum Abschied noch zu sprechen,
Wendet er wohl tausendmale
Auf und ab, dringt mit den Augen
Durch die glücklichlieben Wände.

Endlich, nach der Jahreslangen
Stunde seiner raschen Hoffnung,
Tritt hervor sie auf den Balcon,
Seine lange Stunde kürzend.

Er hält an sein Roß, und läst es,
Da ihm aufgeht seine Sonne,
Niederknien in seinem Namen,
Und vor ihr die Erde küssen.

Mit gestörter Stimme spricht er:
»Schönste, nun kann meiner Reise
Trauriges auch nichts begegnen,
Da ich deinen süssen Blick seh.

Pflichten nur und Anverwandte
Ziehn dorthin mich, ohne Seele,
Mein Andenken bleibt zurück dir,
Ob du auch an mich noch denkest?

Schönste, gib mir denn ein Denkmaal,
Nicht, daß es mich dein erinnre,
Nur, daß es mit dir mich schmücke,
Schüze, leit' und mache muthig.«

Aber Lindaraja brennet,
Eifersüchtig bis zum Tode,
Daß in Geres eine Zaida,
Neben ihr sie Gasul liebe.

Daß er in den Tod sie liebe,
Hat erfahren Lindaraja,
Und antwortet Gasul also:

»Wenn sichs im Turnier jezt füget,
Wie es meine Brust dir wünschet
Und die deine es verdienet,
So wirst du, so stolz wie immer,
Nach Lucar nicht wiederkehren,
Nicht vor Augen, die dich lieben,
Noch vor Augen, die dich abscheun.

Ja gefalls dem grossen Alla,
Daß im Spiele deine Feinde
Auf dich ziehn geheime Lanzen,
Und du fallest, wie du lügest;

Und daß, unterm Oberkleide,
Panzerhemde sie beschüzen,
Daß, wenn du nach Rache dürstest,
Du sie suchst und doch nicht findest,

Deine Freunde dich verlassen,
Deine Feinde dich zertreten,
Du auf ihren Schultern ausgehst,
Wie du für die Dame eintratst.

Und daß, statt dich zu beweinen,
Die du liebst und die du täuschest,
Beide dir mit Flüchen beistehn,
Und sich freuen deines Todes.«

Gasul meinet, daß sie scherze,
(Wie die Unschuld pflegt zu meinen)
Hebt empor sich in den Bügeln,
Ihre schöne Hand zu langen.

»Lügner, o Sennora, spricht er,
Ist der Mohr, der mich verläumdet,
Auf ihn alle diese Flüche,
Ihn zu lohnen, mich zu rächen!

Meine Seele hasset Zaida,
Reuig, daß ich je sie liebte;
Fluch auf alle jene Jahre!
Da ich ihr (mein Unglück!) diente.

Sie hat mich um einen Mohren,
Reich an armem Gut, verlassen.« –
Da das Lindaraja höret,
Kann sie es nicht länger ausstehn,

Und in selbem Augenblicke
Kommt der Page mit den Rossen,
Führet sie, geschmückt mit Federn
Und mit anderm Schmuck des Festes;

Aber Gasul faßt die Lanze,
Fasset sie mit starker Rechte,
Splittert sie in tausend Stücke
Gegen die geliebten Wände.

Und befiehlt, daß seinen Rossen
Gleich der Schmuck gewechselt werde,
Statt der grünen Federn falbe,
Falb' hineinzuziehn nach Gelves.

 


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