Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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9. Zelindaja

Spanisch.

Hist. de las guerr. civil. p. 196.

Acht und acht, und Tag' auf Tage
Spielen Kampf die Sarrazinen,
Und die Aljataren gegen
Alarifen und Asargen.

Denn der König in Toledo
Feiert den beschwornen Frieden
Von Belchitens König, Zaid
Und Atarfen von Granada.

Andre sagen, dieses Fest sey
Für den König von Achagues;
Zelindaja hab's geordnet –
Ihr zulezt zu eignem Unglück.

Ein zum Kampf die Sarrazinen
Auf hellbraunen Pferden zogen;
Pommeranzenfarb' und grün sind
Ihre Mäntel, ihre Kleider.

Und das Sinnbild auf den Tartschen
Ist ihr Säbel; Amors Bogen
Ist gekrümmet aus dem Säbel,
Und das Wort ist: Feur und Blut!

Gleicherweise folgten ihnen
Zu dem Kampf die Aljatanen <lies: Aljataren>,
Röthlich ihre Ritterkleider,
Und besät mit weissen Blättern.

Und ihr Sinnbild ist ein Himmel
Auf den Schultern des Atlanten,
Und die Schrift dabei hieß also:
»Werd ihn halten, bis er sinkt!«

Ihnen nach die Alarifen
Folgten, köstlich angekleidet,
Gelb und röthlich Kleid und Mantel,
Einen Schleier statt des Ermels.

Und ihr Sinnbild war ein Knote,
Den ein wilder Mann zerreisset,
Und auf dem Kommandostabe
Stand: Die Tapferkeit gewinnet!

Jezt die acht Asargen folgten,
Stolzer sie, als alle jene;
Violett und blau und gelbe,
Statt der Federn grüne Blätter.

Grüne Tartschen, und auf ihnen
Blauer Himmel, in dem Himmel
Schlungen sich zwo Händ', das Wort war:
»Alles fällt dem Grünen zu!«

Und dem König war's zuwider,
Daß sie so vor seinen Augen
Seine Müh zu Spotte machten,
Machten seinen Wunsch zunicht.

Sprach, als er den Trupp ersähe,
Sprach zu Selim, dem Alcaiden:
»Untergehen soll die Sonne;
Denn sie blendet mein Gesicht.«

Der Asarge warf Bohorden,
Die sich in der Luft verlohren,
Daß das Aug' es nicht verfolgte
Wo sie blieben, wo sie fielen.

In der Stadt an allen Fenstern
Standen schauend alle Damen;
Auf des Schlosses Gallerien
Bogen sich hervor die Damen.

Trat er vor und trat zurücke,
Immer rief das ganze Volk ihm:
»Alla mit dir! Alla mit dir!«
Und der König: »Weg mit dir!«

Zelindaja unvorsichtig
Goß auf ihn, als er vorbeiflog,
Kostbar Wasser, ihn zu kühlen,
Da rief schnell der König: Halt!

Alle meinen, weil es spät sey,
Soll das Spiel zu Ende gehen;
Doch der eifersüchtge König
Rufet: »Nehmt ihn, den Verräther!«

Schnell die beiden andern Züge
Werfen weg die Röhre, nehmen
Lanzen, fliegen auf ihn, wollen
Alle den Asargen fangen. –
Denn wer ist es, der dem Willen
Eines Königs in der Liebe widerstrebe?

Und die andern beiden Züge
Stehn entgegen; der Asarge
Spricht: »Die Liebe kennet freilich
Kein Gesez, doch soll sie's kennen!

Legt die Lanzen, meine Freunde,
Lasset sie die Lanzen heben!«
Und mit Mitleid und mit Siege
Schwiegen diese, jene weinten.
Denn wer ist es, der dem Willen
Eines Königs in der Liebe widerstrebe?

Endlich nahmen sie den Mohren,
Und das Volk, ihn zu befreien,
Theilt sich in verschiedne Haufen,
Sondert, sammlet, theilt sich wieder.

Doch da ihm ein Führer fehlet,
Der sie führe, sie ermuntre,
Gehn die Haufen auseinander,
Und das Murmeln hat ein Ende;
Denn wer ist es, der dem Willen
Eines Königs in der Liebe widerstrebe?

Einzig nur die Zelindaja
Rufft: »Befreit, befreit den Mohren!«
Will von ihrem Balkon nieder
Stürzen sich, ihn zu befreien.

Ihre Mutter, sie umfassend
Spricht: »Was hast, was hast du Thörin?
Sterb' er, ohne daß du zeigest,
Daß du nur sein Unglück wissest!
Denn wer ist es, der dem Willen
Eines Königs in der Liebe widerstrebe?«

Schnell ein Bote kam vom König,
Der befahl, daß bei den Ihren
Eine Wohnung ihr zum Kerker
Angewiesen werden sollte.

Schnell sprach Zelindaja: »Saget
Eurem Herrn: mich nie zu ändern
Wähl' ich mir das Angedenken
Des Asargen zum Gefängniß;
Und ich weiß wohl, wer dem Willen
Eines Königs in der Liebe widerstrebe.«

 


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