Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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16. Billiges Unglück

Schottisch.

Deßgleichen <vgl. zu Nr. 15> p. –

Wem Gott das seltne Glück verlieh,
    Sich selbst sein eigner Herr zu seyn;
Und freut sich dieses Glückes nie,
    Und will nur in dem falschen Schein
    Erhabner Grossen sich erfreun:
    Der ist es werth, ihr Knecht zu seyn.

Wer still und glücklich leben kann,
    Wenn er ein armes Mädchen freyt;
Und geht des reichen Teufels Bahn
    Am Weibe, die mit Zank und Streit
    Ihm täglich Sonn' und Mond verleid't:
    Ists werth, daß ihn es ewig reut.

Wen die Natur zur Freud und Lust,
    Und zarten Liebe bildete;
Und hängt sich an der Wollust Brust,
    Und sauget Schwachheit, Gram und Weh,
    Und alt nun noch heirathete,
    Ein junges Weib – o weh! o weh!

Wem die Natur gesunden Leib
    Und festen Arm dazu verlieh;
Und wählt sich nun zum Zeitvertreib
    Der hochgelahrten Doctors Müh,
    Und consultirt sie spät und früh –
    Ins Grab hin consultir' er sie.

So wem Gott guten Sinn verlieh,
    Und ihn verlieh ihm gar umsunst;
Er hängt sich an der Thorheit Müh,
    Und krüppelt um der Narren Kunst,
    Ein grosser Mann zu seyn einmal –
    Seys – im gelehrten Hospital.

 


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