Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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15. Fillans Erscheinung und Fingais Schildklang

Aus Ossian.

<Vgl. zu Nr. 16>

Vom See in Büschen des Lego
Steigen Nebel, die Seite blau, von Wellen hinauf:
Wenn geschlossen die Thore der Nacht sind,
Ueberm Adlerauge der Sonne des Himmels.

Weit von Lara dem Strom
Ziehen Wolken, dunkel tief:
Wie blasser Schild zieht voran den Wolken,
Und schwimmt beiseit der Mond der Nacht.

Mit ihnen haschen die Todte der Vorzeit,
Schnelle Gestalten in Mitte des Sturms:
Sie schlüpfen von Hauche zu Hauche
Auf dem dunkeln Antlitz der Nacht voll Laut.

Auf Lüftchen schleichend zum Grabe der Edeln;
Ziehn sie zusammen Nebel des Himmels,
Zur grauen Wohnung dem Geiste des Todten,
Bis steigt von Saiten das Sehnen des Todtengesangs.


Kam Schall von der Wüsten am Baum –
Konar, der König heran –
Zieht schnell schon Nebel grau,
Um Fillan am Lubar blau.
Traurig saß er im Gram,
Gekrümmt im Nebelstral.
Bald rollt ihn ein Lüftchen zusammen;
Bald kommt sie wieder, die schöne Gestalt.
Er ists! mit langsam sinkenden Blick,
Mit wehender Locke von Nebel im Sturm.

Dunkel ists!
Das Heer noch schlafend in Banden der Nacht;
Erloschen die Flammen auf Königs Hügel,
Der einsam liegt auf seinem Schild':
Halbgeschlossen die Augen in Thaten,
Kam Fillans Stimme zum Ohr ihm:

»Und schläft der Gatte von Klatho?
Und wohnt der Vater des Todten in Ruh?
Und ich vergessen in Falten der Wolken
Bin einsam in Banden der Nacht.«

»Warum kommst in Mitte der Träume du mir?
Sprach Fingal, und hob sich schnell,
Kann ich dich vergessen, mein Sohn?
Deinen Gang von Feuer auf Rethlans Felde!

Nicht also kommen auf Königs Seele
Die Thaten der Mächtgen im Stale des Strals.

Sie scheinen ihm nicht, wie ein Blitzstral,
Der schwimmet in Nacht den Fußtritt hinweg.
Ich denk im Schlaf des lieblichen Fillan,
Denn hebt in der Seele sich Zorn. –«

Grif der König zum Speer,
Schlug zum Schilde tönenden Schall,
Zum Schilde hangend im Dunkel hoch,
Verkündung der Schlacht der Wunden – –

Auf jeglicher Seite des Bergs
Auf Winden flohen die Todten hinweg,
Durchs Thal der vielen Krümmen
Weinen die Stimmen der Tiefe.

Schlug an das Schild, noch einmal,
Aufstand Krieg in den Träumen des Heers:
Weites Streitgetümmel, es glüht
Im Schlaf auf ihren Seelen, den Edeln.
Blauschildige Krieger steigen zur Schlacht,
Das Heer ist fliehend, und harte Thaten
Stehn vor ihnen halbverborgen im Schimmer des Stahls.

Als aufstieg noch einmal der Schall;
Da stürzte von Felsen das Thier
Man hört das Krächzen der Vögel der Wüste,
Auf seinem Lüftchen ein Jedes,
Halb erhoben Albions Stamm des Hügels
Grif jeder hinauf, jeder zum glimmenden Speer:
Aber Schweigen kehrte zurück zum Heere,
Sie kannten Morvens Schild,
Der Schlaf kam auf die Augen der Männer.
Das Dunkel ist schwer im Thal.


Kein Schlaf in deinem Dunkel ist auf dir,
Blauaugigte Tochter Konmors, des Hügels.
Es hört Sulmalla den Schlag,
Auf stand sie in Mitte der Nacht,
Ihr Schritt zum Könige Atha's des Schwerts,
»Kann ihm erschrecken die starke Seele?«
Sie stand in Zweifel, das Auge gebeugt.
Der Himmel im Brande der Sterne. – –

Sie hört den tönenden Schild,
Sie geht, sie steht, sie stutzet, ein Lamm,
Erhebt die Stimme; die sinkt hinunter – –
Sie sah ihn im glänzenden Stahl,
Der schimmert zum Brande der Sterne – –
Sie sah ihn in dunkler Locke,
Die stieg im Hauche des Himmels – –
Sie wandte den Schritt in Furcht:
»Erwachte der König Erins der Wellen!
Du bist ihm nicht im Traume des Schlafs,
Du Mädchen Inisvina des Schwerts.«

Noch hörter <lies: härter> tönte der Schall;
Sie starrt; ihr sinket der Helm.
Es schallet der Felsen des Stroms,
Nachhallets im Traume der Nacht;
Kathmor hörets unter dem Baum,
Er sieht das Mädchen der Liebe,
Auf Lubhars Felsen des Bergs,
Rothes Sternlicht schimmert hindurch
Dazwischen der Schreitenden fliegendem Haar.

Wer kommt zu Kathmor durch die Nacht?
In dunkler Zeit der Träume zu ihm?
Ein Bote vom Krieg im schimmernden Stal?
Wer bist du, Sohn der Nacht?
Stehst da vor mir, ein erscheinender König? –
Ruffen der Todten, der Helden der Vorzeit? –
Stimme der Wolke des Schauers? –
Die warnend tönt vor Erins Fall.

»Kein Mann, kein Wandrer der Nachtzeit bin ich,
Nicht Stimme von Wolken der Tiefe,
Aber Warnung bin ich vor Erins Fall.
Hörst du das Schallen des Schildes?
Kein Todter ists, o König von Atha der Wellen,
Der weckt den Schall der Nacht!«

»Mag wecken der Krieger den Schall!
Harfengetön ist Kathmor die Stimme!
Mein Leben ists, o Sohn des dunkeln Himmels,
Ist Brand auf meine Seele, nicht Trauer mir.
Musik den Männern im Stale des Schimmers
Zu Nachts auf Hügeln fern.
Sie brennen an denn ihre Seelen des Strals,
Das Geschlecht der Härte des Willens.
Die Feigen wohnen in Furcht,
Im Thal des Lüftchens der Lust,
Wo Nebelsäume des Berges sich heben
Vom blauhinrollenden Strom u. f.«

 


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