Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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24. Klaggesang von der edlen Frauen des Asan-Aga

Morlackisch.

S. Fortis Reise Th. 1. S. 150. oder die Sitten der Morlachen, Bern 1775. S. 90. Die Uebersezung dieses edlen Gesanges ist nicht von mir; ich hoffe in der Zukunft derselben mehrere zu liefern.

Was ist weisses dort am grünen Walde?
Ist es Schnee wohl, oder sind es Schwäne?
Wär es Schnee da, wäre weggeschmolzen,
Wären's Schwäne, wären weggeflogen.
Ist kein Schnee nicht, es sind keine Schwäne.
'S ist der Glanz der Zelten Asan Aga;
Niederliegt er drein an seiner Wunde.

Ihn besucht die Mutter und die Schwester,
Schamhaft säumt sein Weib zu ihm zu kommen.

Als nun seine Wunde linder wurde,
Ließ er seinem treuen Weibe sagen:
»Harre mein nicht mehr an meinem Hofe,
Nicht am Hofe, und nicht bei den Meinen!«

Als die Frau dies harte Wort vernommen,
Stand die treue starr und voller Schmerzen,
Hört der Pferde Stampfen vor der Thüre,
Und es deucht ihr, Asan käm', ihr Gatte,
Springt zum Thurme, sich herab zu stürzen.
Aengstlich folgen ihr zwei liebe Töchter,
Rufen nach ihr, weinend bittre Thränen:
»Sind nicht unsers Vaters Asans Rosse!
Ist dein Bruder Pintorowich kommen.«

Und es kehrt zurück die Gattin Asans,
Schlingt die Arme jammernd um den Bruder:
»Sieh die Schmach, o Bruder, deiner Schwester!
Mich verstossen! Mutter dieser Fünfe!«

Schweigt der Bruder und zieht aus der Tasche,
Eingehüllet in hochrothe Seide,
Ausgefertiget den Brief der Scheidung,
Daß sie kehre zu der Mutter Wohnung,
Frei sich einem andern zu ergeben.

Als die Frau den Trauer-Scheidbrief sahe,
Küßte sie der beyden Knaben Stirne,
Küßt die Wangen ihrer beiden Mädchen.
Aber, ach! vom Säugling in der Wiege
Kann sie sich im bittern Schmerz nicht reissen;
Reißt sie los der ungestüme Bruder,
Hebt sie auf das muntre Roß behende,
Und so eilt er mit der bangen Frauen
Grad nach seines Vaters hoher Wohnung.

Kurze Zeit war's, noch nicht sieben Tage,
Kurze Zeit gnug, von viel grossen Herren
Liebe Frau in ihrer Wittwen Trauer,
Liebe Frau zum Weib begehret wurde.
Und der gröste war Imoskis Cadi.
Und die Frau bat weinend ihren Bruder:
»Ach, bei deinem Leben! bitt ich, Bruder:
Gib mich keinem andern mehr zur Frauen,
Daß das Wiedersehen meiner lieben
Armen Kinder mir das Herz nicht breche.«

Ihre Reden achtet nicht der Bruder,
Fest Imoskis Cadi sie zu trauen.
Doch die Frau, sie bittet ihn unendlich:
»Schicke wenigstens ein Blat, o Bruder,
Mit den Worten zu Imoskis Cadi:
Dich begrüßt die junge Wittib freundlich,
Und läst durch dies Blat dich höchlich bitten,
Daß, wenn dich die Suaten her begleiten,
Du mir einen langen Schleier bringest,
Daß ich mich vor Asans Haus verhülle,
Meine lieben Waisen nicht zu sehen.«

Kaum ersah der Cadi dieses Schreiben,
Als er seine Suaten alle sammelt,
Und zum Wege nach der Braut sich rüstet,
Mit dem (lies: den) Schleier, den sie heischte, tragend.

Glücklich kamen sie zur Fürstin Hause,
Glücklich sie mit ihr vom Hause wieder;
Aber als sie Asans Wohnung nahten,
Sahn die Kinder oben ab die Mutter,
Riefen: »Komm zu deinen Kindern wieder,
Iß mit uns das Brod in deiner Halle!«
Traurig hört es die Gemahlin Asans,
Kehrete sich zu der Suaten Fürsten:
»Bruder, laß die Suaten und die Pferde
Halten wenig vor der lieben Thüre,
Daß ich meine Kleinen noch beschenke.«
Und sie hielten vor der lieben Thüre.
Und den armen Kindern gab sie Gaben,
Gab den Knaben goldgestickte Stiefel,
Gab den Mädchen lange reiche Kleider,
Und dem Säugling hülflos in der Wiegen
Gab sie für die Zukunft auch ein Röckchen.

Das beiseit sah Vater Asan Aga,
Rief gar traurig seinen lieben Kindern:
»Kehrt zu mir, ihr lieben armen Kleinen,
Eurer Mutter Brust ist Eisen worden,
Fest verschlossen, kann nicht Mitleid fühlen!«
Wie das hörte die Gemahlin Asans,
Stürzt' sie bleich, den Boden schütternd, nieder,
Und die Seel' entfloh dem bangen Busen,
Als sie ihre Kinder vor sich fliehn sah.

 

Und so, wenigstens von meiner Seite schiefen Urtheilen vorzubauen, noch ein paar Worte! Der Sammler dieser Lieder hat nie, weder Musse noch Beruf, weder Sinn noch Absicht gehabt, ein deutscher Percy zu werden; die Stücke, die sich hier finden, hat ihm entweder ein günstiger Zufall in die Hände geführt, oder er hat sie, da er andere Sachen suchte, auf dem Wege gefunden. Noch weniger kann es sein Zweck seyn, regelmäßigere Gedichte, oder die künstlichere nachahmende Poesie gebildeter Völker zu verdrängen: denn dies wäre Thorheit, oder gar Unsinn; vielmehr, wenn er etwas zu verdrängen Lust hätte, wär's die neue Romanzenmacher- und Volksdichterei,I had rather be a kitten and cry-mew! than one of this same meter-ballad-mongers I'd rather hear a brazen candlestik turn'd, or a dry-wheel grate on the axle-tree, die mit der alten meistens so viel Gleichheit hat, als der Affe mit dem Menschen. Das Leben, die Seele ihres Urbildes fehlt ihr ja, nemlich: Wahrheit, treue Zeichnung der Leidenschaft, der Zeit, der Sitten; sie ist ein müßiger Stuzer in einen ehrwürdigen Barden, oder einen zerrissenen blinden Bettler verkleidet, und mich dünkt, die Maskerade ist nicht der Rede werth. Auch waren viele Stücke (ohne Stolz gesagt; denn was wäre Stolz in so etwas!) so übersezt und wurden in solchen Uebersezungen immer vervielfältigt, daß ich mir einen Vorwurf machte, diese Stücke, die Jahre lang zwar nicht im gelehrten Pult gelegen hatten, aber doch nicht im Druck erschienen waren, nicht auch, als mein Wort, dazu zu geben und andern etwa weiter einige Mühe zu benehmen. Sie sind nichts als warme Abdrücke dessen, was der Uebersezer beim Lesen der Urstücke dachte und empfand; sie wurden auf's Papier geworfen, nicht fürs gebildete Publikum, das er zu amüsiren oder noch feiner zu bilden, gar keinen Beruf hat, sondern für ihn und einige wenige, die mit ihm hierin Einerlei fühlten. Zu Einem Bändchen ist gewiß noch Vorrath da, und viele bessere Stücke sind mit Fleis zurückbehalten, um erst die Kunstrichter ihre Sprünge thun zu lassen; doch liegt dem Sammler auch nichts dran, wenn nach Veranlassung der Umstände sie ferner oder immer, nur sein bleiben sollen.

Cedamus – vivant Arturius istic
et Catulus, maneant qui nigrum in candida vertunt.

Shakespear.

Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft!
Hier woll'n wir sizen, und den süssen Schall
Zum Ohre lassen schlüpfen. Sanfte Stille
Und Nacht wird Taste süsser Harmonie.
Siz, Jessika, sieh, wie die Himmelsflur
Ist eingelegt mit Stücken reichen Goldes!
Da ist kein kleiner Kreis, den du da siehst,
Der nicht in seinem Lauf wie'n Engel singt,
Stimmt ein ins Chor der jungen Cherubim.
Die Harmonie ist in den ew'gen Tönen;
Nur wir, so lang dies Kothkleid Sterblichkeit
Uns grob einhüllet, können sie nicht hören. –


Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,
Gerührt nicht wird vom Einklang süsser Töne,
Zu Ränken, Raub, Verrath ist der gemacht;
Die Triebe seines Geistes sind wie Nacht,
Sein Herz ist schwarz, wie Erebus –

 


 


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