Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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16. Erinnerung des Gesanges der Vorzeit

Aus Ossian.

Die beiden lezten Stücke sind Versuche einer Uebersetzung nach den von Mac-pherson gegebnen Proben des Originals aus der Temora. Der Herausgeber (denn die Uebersetzung ist nicht von ihm) besitzt einige merkwürdige Anmerkungen als Resultate dieses Versuchs über Oßian, denen aber hier Platz fehlet.

Rühr Saite, du Sohn Alpins des Gesangs,
Wohnt Trost in deiner Harfe der Lüfte?
Geuß über Ossian, den Traurigen, sie,
Dem Nebel einhüllen die Seele.

Ich hör dich Bard' in meiner Nacht,
Halt an die Saite, die zitternde
Der Wehmuth Freude gebühret Ossian,
In seinen braunen Jahren.

Gründorn, auf dem Hügel der Geister,
Webend das Haupt in Stimmen der Nacht,
Ich spüre ja deinen Laut nicht,
Geistergewand nicht rauschend im Laube dir.

Oft sind die Tritte der Todten,
Auf Lüftchen im kreisenden Sturm.
Wenn schwimmt von Osten der Mond,
Ein blasser Schild, ziehend den Himmel hindurch.

Ullin und Carril und Raono,
Vergangne Stimmen der Tage vor Alters,
Hört' ich Euch im Dunkel von Selma;
Es erhübe die Seele des Lieds.

Nicht hör' ich euch, Söhne des Gesangs,
In welcher Wohnung der Wolken ist eure Ruh?
Rührt ihr die Harfe, die düstre,
Gehüllt in Morgengrau,
Wo aufsteigt tönend die Sonne,
Von Wellen, die Häupter blau?

 


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