Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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20. Gazul und Zaida

Spanisch.

Eben daher <vgl. zu Nr. 19> p. 538.

Reich gezieret mit Geschenken
Seiner schönen Lindaraja
Reiset ab der tapfre Gazul,
Geht nach Gelves zum Turniere.

Mit sich führet er vier Pferde,
Reich bedeckt mit goldnen Decken,
Wo sich tausendmal der Name
Benceraja schlingt in Golde.

Violet und weiß und blaulich
Sind des Mohren Ritterkleider:
Gleichgefärbt die Federbüsche
Und die Vorderfeder röthlich.

Alles köstlich theures Stickwerk
Feinen Goldes, feinen Silbers:
Gold gesezt aufs Violette,
Auf das Rothe Silberschmelzen.

Und sein Sinnbild war ein Wilder
Mitten da auf seiner Tartsche,
Der zerreisset einen Löwen,
Und dabei die Ehreninschrift,

Die die edlen Bencerajen,
Sie die Blüthe von Granada,
Alle führten, jeder kannte,
Jeder ehrete und liebte,

Die nun führt der tapfre Gazul
Auch aus Liebe seiner Dame,
Die auch eine Benceraja
Jezt er über alles liebet.

So gerüstet trat der tapfre
Gazul auf den Plaz von Gelves,
Führet einen Zug von dreißig,
Alle gleich und schön gekleidet.

Wer sie schauet, der bewundert,
Alle führen gleiches Sinnbild,
Gleiche Inschrift, nur der Eine
Gazul führt die Seine sonders.

Unterm Schall der hellen Zinken
Fanget an das Lanzenwerfen,
Wird so warm und so verwirret,
Daß es eine Schlacht erscheinet.

Aber Gazuls tapfre Rotte
Trägt in allem Dank und Ehre.
Keine Lanze schleudert Gazul,
Die nicht eine Tartsche treffe.

Von Balconen und von Fenstern
Schauen zu die Mohrendamen.
Unter ihnen auch die schöne
Mohrin Zaida, die aus Xeres;

Aber jezo falb gekleidet,
Falb um ihrer Trauer willen:
Denn ihr hat der tapfre Gazul
Ihren Bräutigam getödtet.

Wohl erkennt sie ihren Gazul,
Kennet ihn am Wurf der Lanze,
Denket an verfloßne Zeiten,
Da einst Gazul ihr noch diente,

Und sie ihn so übel ansah,
So undankbar seinem Dienste!
Und je stärker er sie liebte,
Immer nur noch undankbarer.

Dieses kränkt sie jezt im Herzen
Schmerzlich, sinkt in Ohnmacht nieder;
Endlich da sie wieder zu sich
Kommet, spricht ihr Mädchen also:

»Edles Fräulein, was, was ist dir?
Was bedeutet diese Ohnmacht?«
Zaida mit gebrochner Stimme
Krank und traurig ihr erwiedert:

Kennst du denn nicht jenen Mohren,
Der jezt eben seine Lanze
Hebet? Gazul ist sein Name,
Und sein Ruhm ist allenthalben.

Sechs Jahr hat er mir gedienet,
Und ich lohnt ihn so undankbar.
Meinen Bräutgam mir getödtet,
Und auch das hab ich verschuldet.

Und ich lieb' ihn mit dem Allen,
Halt ihn tief in meiner Seele.
Glücklich, als er mich noch liebte,
Aber jezt bin ich ihm nichts mehr.

Er liebt eine Benceraja,
Und ich lebe ihm verachtet. –
Also klagte sie, indessen
Ging das Spiel und Fest zu Ende.

 


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