Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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5. Der versunkne Brautring

Litthauisch.

Die Litthauischen Daino's, die in diesem Theile vorkommen, sind dem Sammler von Herrn P. K. in K. worden. Leßings Urtheil über die Liederchen dieses Volks (Litter. Br. Th. 2. S. 242.) ist schon unter den Zeugnissen von Volksliedern angeführt. »Homers monotomisches Metrum (sagt der Verf. der Kreuzzüge des Philologen S. 216.) sollte uns wenigstens ebenso paradox vorkommen, als die Ungebundenheit des deutschen Pindars. Meine Bewunderung oder Unwissenheit von der Ursache eines durchgängigen Silbenmaaßes in dem griechischen Dichter ist bei einer Reise durch Kurland und Liefland gemässigt worden. Es gibt in angeführten Gegenden gewisse Striche, wo man das lettische oder undeutsche Volk bei aller ihrer Arbeit singen hört, aber nichts als eine Kadenz von wenig Tönen, die mit einem Metro viel Aehnlichkeit hat. Sollte ein Dichter unter ihnen aufstehen: so wäre es ganz natürlich, daß alle seine Verse nach diesem eingeführten Maasstab ihrer Stimmen zugeschnitten seyn würden. Es würde zu viel Zeit erfordern, diesen kleinen Umstand in sein gehörig Licht zu sezen und mit mehreren Phönomenen <!>zu vergleichen.«

Zum Fischer reit' ich,
Den Fischer besuch' ich,
Sein Eidam war' ich gerne!

Am Hafestrande
Spült' ich die Neze,
Rein wusch ich mir die Hände.
Weh! da entfiel mir
Vom Mittelfinger
Mein Bräutgamring zu Grunde.

Erfleh dir, Liebster,
Den Wind, den Nordwind,
Auf vierzehn lange Tage!

Vielleicht er würf' ihn,
Den Ring, vom Grunde
Auf deiner Liebsten Wiese.

Da kömmt das Mädchen
Dort über Feld her
Am Rautengarten.

Verruhe dich, mein Liebster,
Leg ab die Sense
Hier in die Schwade,

Und deinen Schleifstein
Auf diese Schwade!
Verruhe dich, mein Liebster!

Dank dir, mein Mädchen,
Dank für dein Kommen,
Und für dein Mitleid,
Für deine süsse Rede! – – –

Schön Tag, schön Abend,
O gute Mutter!
Kann ich Nachtlager haben?

Nachtlager will ich
Dir nicht versagen,
Doch gut werd' ich dir nimmer.

 


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