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Der Dichter in der Klemme

Ein Nachspiel nach Curt Goetz

 

Personen:

Paulus, ein Dichter
Paula, sein Weib
Ein sonderbarer Herr

Szene: Paulus' Schreibzimmer

 

Paulus ist soeben mit seiner Frau von der Première seines neuesten Stückes heimgekehrt. Ermattet sinkt er am Schreibtisch nieder. Seine Frau sitzt auf dem Schreibtisch.

Paulus: Ich gebe zu, daß es dekorativ wirkt, wenn eine mollig durchwachsene Frau den Schreibtisch eines Autors ziert. Aber wenn ich ärgerlich bin, mag ich keine Frauen auf Schreibtischen.

Paula (sächselt unmotiviert): Nanu, du bist ärgerlich? Das Schtück war doch ä so scheener Erfolch.

Paulus: Um Gottes willen, Paula, warum sächselst du?

Paula: Die meisten Frauen in deinen Stücken sächseln. Ich dachte, du liebst das …

Paulus: Ich doch nicht. Das Publikum.

Paula: Aber warum bist du ärgerlich?

Paulus: Im zweiten Akt hat ein Aphorismus gefehlt. Und nun, nach der Première, fällt er mir ein. Höre: das Leben gleicht in seiner Vielfalt einer Zeitung. Und die Liebe ist das Feuilleton.

Paula: Sehr schön. Aber verstehen tu ich's nicht. Das Feuilleton ist doch das, was unterm Strich steht. Und wieso ist die Liebe …

(Plötzlich steht, niemand weiß, wie er hereinkam, der sonderbare Herr im Zimmer.)

Paulus: Wer sind Sie?

Herr: Ein fremder Herr.

Paulus: Offenbar. Was noch?

Herr: Der Liebhaber Ihrer Frau Gemahlin.

Paula: Er lügt. Ich kenn meine Liebhaber alle. Dieser war nie darunter. Der ist mir überhaupt viel zu unheimlich ist mir der. Ich liebe nicht die Unheimlichen. Meine Freundin Violetta liebt die Unheimlichen. Die findet die Liebe überhaupt am schönsten, wenn's sie gruselt dabei.

Paulus (unterbricht ihrer Rede Fluß, sich an den Herrn wendend): Was wünschen Sie? Zigarette? Ohrfeige?

Herr: Wir kommen der Sache näher. Ohrfeige bitte. Ich komme von der Presse.

Paulus: Zum Teufel, wer sind Sie?

Herr: Erraten, mein Herr. Ich bin der Teufel, wenn Sie nichts dagegen haben. Satanas Beelzebub oder der Widerpart Gottes …

Paula (hat Bedenken): Du, der schneidet nur auf. Der ist gar nicht der Teufel.

Herr (macht die aus der Hexenküche bekannte unanständige Gebärde und murmelt die Zauberformel): Hokuspokus, Menagerie, Nonne, Hiob und Lampenschirm. (Darauf entsteht ein Feuerschein.) Sie gestatten: mein Gewerbeschein. Der sogenannte kleine Befähigungsnachweis.

Paulus: Was wünschen Sie also?

Herr: Was die Presse wünscht? Ein Interview.

Paulus: Für die Höllischen Nachrichten?

Herr: Ich bitte Sie – für dies schäbige Konkurrenzblatt. Ich vertrete die Nachtausgabe der Unterwelt.

Paulus: Auch nicht übel. Also fragen Sie!

Herr: Nach welchem Rezept arbeiten Sie Ihre Stücke?

Paulus: Alte Motive plus geschliffener Dialog plus heiße Liebe plus ein gehöriger Schuß Gruseln. Das wirkt immer.

Herr: Danke. Sodann: Ist es Ihre Absicht, die Menschen mit Ihren Stücken zu schlechtern oder zu bessern? Manchmal denkt man nämlich: Ha – wie unmoralisch! Ein rechter Fraß für die Hölle. Doch zum Schluß kommt immer ein moralischer Dreh. Mit welcher Absicht??

Paulus: Ohne Absicht. Ich dichte nicht mit Absichten, sondern weil ein ausgewachsener Mensch eine Beschäftigung haben muß …

Herr: Die Hölle ersucht Sie, in Zukunft die Moral fortzulassen.

Paulus: Die Hölle kann mich.

Herr: Vorsicht, die Hölle ist heiß.

Paulus: Aber weit weg!

Herr: Nicht so weit wie der Himmel.

Paulus: Sie sollen recht haben. Ja – und wenn ich nun auf Ihren Vorschlag eingehe – was bietet die Hölle??

Herr: 500 Jahre lang dürfen Sie den Kessel heizen, in dem Ihre Kollegen geschmort werden.

Paulus: Donnerwetter. Ein Angebot, das sich hören läßt. Hast du gehört, Paula? 500 Jahre. Auch die, die sich nur für Dichter halten?

Herr: Gerade die!

Paulus: Allright. Abgemacht.

Herr: Top! Blut ist ein ganz …

Paulus: Lassen Sie man. Sitzt der Herr Geheimrat auch im Kessel?

Herr: Qui vivra, verra. Hokuspokus Towarisch.

(Feuerschein. Herr ab.)

Paula: Paulus, was hast du nun gemacht?

Paulus: Ich habe den Teufel überlistet …

Paula: Aber du mußt doch nun unmoralisch schreiben. Das darf man doch nicht, damit verdirbt man die Menschheit.

Paulus: Der Teufel wird Augen machen. Jawohl, ich schreibe unmoralisch. Damit habe ich meinen Vertrag erfüllt – und die Regisseure, was willst du wetten, streichen es wieder weg, das Unmoralische. Wer also ist geschädigt? Niemand.

Und ich darf sie alle schmoren, Paula, reich mir den Kürschner!

(Das geschieht, und Paulus blättert erregt, wobei langsam der Vorhang fällt.)


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