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Wer einmal einen Puurks schuf

Nach Hans Fallada

10. Kapitel

Ein Paar Schuhe stehen im Weg und Else sagt, daß man die paar Stunden schnell vergißt. Der Kinofritze ist gut gelaunt.

 

Die Tür rutscht ihm aus der Hand und fällt knallend ins Schloß.

»Scheiße«, sagt Elmshorn.

Er bleibt stehen. Selbstverständlich: Else ist wach geworden.

»Ist da jemand?« fragt sie bange.

»Ja, ich!«

Er geht ins Schlafzimmer. Da tritt er auf etwas. Er geht zurück an den Lichtschalter – »– Tschuldige mal, Else« – und knipst an. Da sieht er, daß es die Schuhe des Puurks sind, auf die er getreten ist, die Schuhe seines Herrn Sohnes sozusagen. Winzig kleine Schuhe. Elmshorn hebt sie auf, sieht sie an, lächelt ein bißchen. Dann sieht er Else an. Nett sieht sie aus, die Frau, unter der weißen Bettdecke.

Sie sagt: »Liebst du den Puurks?«

»Klar.«

»Soll er nie ein Schwesterchen haben? Ein Kind ist doch nichts!«

Elmshorn erwidert: »Ein Kind ist reichlich. Bei unserm Gehalt. Und denkst du denn gar nicht an das, was du dabei aushalten mußt? Deine Krampfadern werden sicher noch mehr heraustreten …«

»Das ist schnell vergessen, das sind ja nur ein paar Stunden!« sagt Else.

Er küßt sie. Ihre Lippen sind weich und gut. –

Am nächsten Morgen, in der Bankfiliale ist, wie immer, schlechte Luft. Komisch, denkt Elmshorn, es heißt doch immer: Geld stinkt nicht.

Elmshorn ist heute rechtzeitig gekommen, gutes Zeichen. Aber bei der Abrechnung fehlen 20 Pfennige. 20 Pfennige, lächerlicher Drecksbetrag. Elmshorn möchte sie einfach auf den Tisch legen und sagen: hier sind sie. Aber das geht nicht. Hinlegen kann jeder. Ordnung muß sein. Nachrechnen, suchen, verehrter Herr Elmshorn.

Weinberger, der Filial-Leiter, ist böse: »Immer machen Sie Mist, Elmshorn, immer Sie!«

Elmshorn hält gerade einen Briefbeschwerer in der Hand, einen Briefbeschwerer aus Marmor. Wenn man den dem Weinberger an seinen hageren Schädel schmeißen dürfte, einmal nur: das müßte schön sein. Elmshorn malt es sich aus. Er verfällt ins Schwärmen.

Kurz nach neun kommt der Kinofritze, rothaarig und unangenehm. Liefert jeden Morgen persönlichst seine Einnahmen ab. Lauter Groschen und Markstücke. »Die Pfennige der Armen«, hat er mal gesagt. »Hier sammle ich sie, hier spare ich sie, hier hebe ich sie auf. Ich liefere den Armen dafür prima eingewecktes und auf Streifen gezogenes Theater!« Und jeden Morgen sagt er: »Kassa, Kassa!«

»Na, Elmshorn«, ruft er, »Sie sehen ja so verschlafen aus.« Er ist ein Witzbold, er meint es nicht böse, er sagt es nur so. Aber das lauschende Ohr des Herrn Weinberger fängt es auf.

»Ja, ja, die jungen Eheleute«, fährt der Kinofritze fort und schwelgt in Erinnerungen.

Elmshorn sieht auf Weinbergers Gesicht und denkt: Lange geht das hier nicht mehr gut. Naja. Jedenfalls – ein neuer Puurks kommt gar nicht in Frage.

Die gleiche Szene im Tonfilm

Schlafzimmer. Ärmlich, aber pikant. Else liegt malerisch im Bett, möglichst mit einer entblößten Schulter. Sie atmet, wobei die Bettdecke sich hebt und senkt.

Überblenden auf den Korbwagen. Der Puurks lutscht am Daumen. Großaufnahme des Daumens.

Bild: Wort:
Elmshorn kommt herein, er hat
einen pikfeinen Pyjama an. Die
Tür gleitet ihm aus der Hand.
Die Tür:
klappt zu.
Else schrickt hoch und spricht: Ist jemand da?
Elmshorn antwortet: Ich, ich, Liebste.
Else: Wo warst du, Liebster?
Elmshorn: Auf dem Balkon. Der Mond
scheint so milde und die Luft
weht kühl.
Der Puurks in der Wiege: schreit
Else breitet mütterlich die Arme: Gib. Gib ihn mir.
Elmshorn geht behutsam zur
Wiege, nimmt den Puurks heraus.
Gibt ihn Else. Die betrachtet
ihn lange:
Soll er nicht ein Schwesterchen haben?
Elmshorn lächelt fröhlich: Es ist mein sehnlichster Wunsch.
Else legt den Puurks wieder ins
Bett und singt den Original-Tango:
 

Kleiner Puurks, nun schlaf recht schön,
siehst du nicht den Mond dort stehn,
ach, den gütig-vollen?
Kleiner Puurks, nun schlaf nur schön.
Deine Eltern wollen
nämlich gern ins Kino gehn.
Darum, Puurksi, schlaf recht schön,
daß wir ohne Sorgen
unsern Tonfilm können sehn.

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