Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Grönbaum und Firnkas

Grönbaum und Firnkas (zwei Eskimos in Originaltracht von rechts)

Grönbaum: (schüttelt sich) Kühl ist heut', Herr Firnkas!

Firnkas: Dafür sind wir ja in Grönland, Herr Grönbaum ...

Grönbaum: Leider. Das Klima ist schrecklich aufgenordet. Ein bißchen Wärme wär' ganz gut. Ich werd' zu Weekend auf den Südpol fahren.

Firnkas: Ich war auch schon unterwegs dahin. Aber auf dem Weg ist mir ein Eisbär begegnet.

Grönbaum: Warum haben Sie ihn nicht geschossen?

Firnkas: Er hat nicht den richtigen Gesichtsausdruck für einen Bettvorleger gehabt. – Kommen Sie einen Sprung zum Eisvogel? Der hat einen heurigen Lebertran. Auslese ...

Grönbaum: Aber – schlecht eingekühlt. Und außerdem – (blickt plötzlich nach links) Sie – ist das dort nicht die Aina! Die aus dem Nachbarzelt?

Firnkas: Moment! (zieht ein Fernrohr heraus) Ja. Sie ist's. Ich kenn' ihren Jumper. Und ein Herr neben ihr. Jetzt biegen sie ums Eck. (Er biegt das Fernrohr um) Die ist scheinbar durchgebrannt ...

Grönbaum: Können Sie ihr's verdenken? Ich möcht' gleich auch abfahren. Seit die Parole ausgegeben 254 worden ist: »Lappland den Lappen!« ist für einen Eskimo nichts mehr zu wollen. Wer nicht seine läppische Abstammung nachweisen kann, hat keine Position.

Firnkas: Na ja – es ist schwer, heut' ein Eskimo zu sein! Nehmen Sie z. B. die Steuern –

Grönbaum: No – die Steuern sind ja bei uns seit jeher durch die Lappen gegangen. Aber die Rechte! Vorgestern hab' ich meine Harpune aus dem Versatzamt geholt und hab' einen herrlichen Wal erlegt. Glauben Sie, die Nordpolischen haben mir allgemein das Recht zugestanden, ihn zu behalten?

Firnkas: Tja – das allgemeine Walrecht ist nicht für die Minoritäten da!

Grönbaum: Und dabei war es ein herrliches Tier! So eine Leber!

Firnkas: Ich hab' das Junge gern ... Mit Pilzsauce. Ich pflanz' mir die Pilze selber. Hab' einen eigenen Küchengarten: Pilze, Algen, Flechten – so eine Bartflechte hab' ich jetzt – herrlich!

Grönbaum: Haben Sie auch Moos?

Firnkas: Nicht einen Heller. Und trotzdem möcht' ich so gerne von hier fort. Glauben Sie nicht, daß das zu machen ist?

Grönbaum: Ich bin gleich dabei. Wir setzen uns in meinen Wagen –

Firnkas: Was für einen Wagen haben Sie?

Grönbaum: Einen Fjord. Aber wohin soll's gehen?

Firnkas: Ich würde Ihnen die Österreichisch-ungarische Monarchie empfehlen.

Grönbaum: Von der hat man aber schon lang nichts gehört. 255

Firnkas: Hört man denn hier überhaupt etwas, was in der Welt vorgeht?

Grönbaum: Ja – wie isoliert ist man!

Firnkas: Vor 30 Jahren hat aber ein Österreichischer Forscher noch meinem seligen Vater ein Buch über die Monarchie dagelassen. Ich trag's immer bei mir herum. (Nimmt es aus dem Ranzen) Da werden Sie sehen, daß das das Richtige für uns ist. (Blättert) 1905 –

Grönbaum: Seither kann sich doch nicht viel verändert haben –

Firnkas: Natürlich nicht. (Liest) »Österreichisch-ungarische Monarchie. Im Reichsrat vertretene Königreiche und Länder – im Gegensatz zum russischen Absolutismus Demokratie auf parlamentarischer Grundlage« – – Sagen Sie, was ist absolutistisch?

Grönbaum: Das weiß ich zufällig. Absolutismus ist, wenn die Regierung macht, was sie will, und das Volk nicht dreinreden darf.

Firnkas: Und Demokratie?

Grönbaum: Da darf das Volk dreinreden – aber die Regierung macht trotzdem, was sie will ...

Firnkas: Danke. (Liest weiter) »Die volkswirtschaftlichen Bestrebungen dieser Großmacht gehen dahin –«

Grönbaum: Pardon, daß ich unterbreche. Jetzt bin ich uninformiert. Was ist Volkswirtschaft?

Firnkas: Das weiß wieder ich! Volkswirtschaft ist, wenn eine Generation die Schulden der vorigen Generation mit Wertpapieren bezahlt, die die nächste Generation einlösen muß ... Verstehen Sie? 256

Grönbaum: Ein bisserl kompliziert ...

Firnkas: Ist es auch. Aber das scheint dort Spezialität zu sein.

Grönbaum: Na ja – jede Nation hat halt ihre Eigentümlichkeiten. Die Holländer haben ihren Humor –

Firnkas: Sehr richtig, die Engländer ihr Temperament –

Grönbaum: Die Schotten ihre Verschwendungssucht –

Firnkas: Ja. Aber ich bin nach wie vor für Österreich. Man sollte geradezu eine Auswanderungsaktion dahin in die Wege leiten.

Grönbaum: Das würden die Lappen nie zugeben!

Firnkas: Wir können's doch geheim machen!

Grönbaum: Hier? Ausgeschlossen. Am Nordpol wird man zu leicht – entdeckt ... Nein – schauen wir bloß, daß wir weiterkommen.

Firnkas: Schön. Wir wollen Europa entdecken. Die berühmte Zivilisation, die edle Politik. Das geniale Wirtschaftssystem – die ganze große Kultur, von der wir armen Naturvölker hier keine Ahnung haben!

Grönbaum: Wunderbar. Nur bräuchte man dazu etwas Geld. So vanderbiltartige Sachen.

Firnkas: No – und was würden Sie tun, wenn Sie das Geld vom Vanderbilt hätten?

Grönbaum: Interessanter wär' zu wissen, was der Vanderbilt täte, wenn er mein Geld hätt'!

Firnkas: Dafür wird auch noch Rat werden. Wir machen einfach Station in Christiania. Dort hab' ich zwei Cousins. Zwei Dänen. Die kann man anpumpen wie nichts!

Grönbaum: Dänen? Und wie geht's denen?

Firnkas: Danke. Der eine ist verheiratet. 257

Grönbaum: Und der andere?

Firnkas: Dem geht es gut ...

Grönbaum: Wissen Sie, wenn wir einmal in Wien sind, hab' ich ja keine Sorge mehr. Mein seliger Vater hat dort einen Milchbruder, der ist Präsident der Bodenkreditanstalt ... (Beide ab links) 258

 


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