Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Die Perle der Schöpfung

              Das Edelste, was Gott erschuf
Zu opferfreudigem Beruf,
Die Holdesten der Menschenkinder,
Die schon mehr Engel sind als Sünder,
Wo sich das Gute häufte an
Derart, daß man's nicht messen kann,
Im Meter nicht und nicht im Liter . . .
Das sind die – süßen Schwiegermütter!

Nur Idioten können schimpfen,
Um einen Haß dort einzuimpfen,
Wo nur Verehrung ist am Platz.
Die Schwiegermutter ist ein Schatz,
Den man nur drum nicht heben kann,
Weil meistens zu viel Fleisch daran.
Gewiß ist, daß sie wundernett ist . . .
No, wenn sie schon ein bissel fett ist!?
Nach ihren Kilos frag' ich nicht,
Nur das Gemüt fällt ins Gewicht,
Und das ist bei der Schwiegermutter
So weich und rein wie frische Butter.
Man schau' sich diese Frau nur an,
Wenn man mich nicht begreifen kann:
Das Aug' ist treu, der Mund ist zart,
Und auf dem Mündchen wächst ein Bart . . . 37
Was lachen Sie in sich hinein?
Soll sie vielleicht auch schön noch sein?
Sie hat die Tochter anzubringen,
Zu mehr kann sie kein Herrgott zwingen!
Du hast kein Recht, sie auszulachen,
Wenn's ihr nicht paßt, sich schön zu machen,
Sie kann so mies sein, wie sie will,
Und meistens will sie. Drum sei still.
Das Alter ist kein Grund zur Scham.
Die Schönheit ging, der Schnurrbart kam.
Ist es ein größeres Vergnügen
Bei Männern, wenn sie Glatzen kriegen?
Wer denkt so viel ans Haar? Was frommt's?
Der Mann verliert's, die Frau bekommt's!
Der Bart ist da, drum lasse ihr ihn.
Wenn er dich stört, dann ignorier' ihn.
Nur dann, wenn sie dich küssen möcht',
Da weig're dich. Da hast du recht!

Sonst aber ist sie tadelfrei,
Wie immer auch ihr Aussehn sei,
Und ob ihr auch die Schönheit fehle,
Die Hauptsach' ist ja doch die Seele,
Die Seele, die im Busen thront,
Im Busen, wo die Milde wohnt!
No, den Busen, wo die Milde drin,
Den hat sie auch, schau' nur gut hin.
Er hat die größten Dimensionen.
Da hat die Milde Platz, zu wohnen!
Weil wir grad bei der Milde sind,
Will ich was feststell'n noch geschwind.
Bekanntlich ist die Schwiegermutter 38
Für Boshafte das liebste Futter.
So hört man häufig auch erwähnen,
Sie habe – Haare auf den Zähnen.
Wo soll'n denn diese Haare stehn?
Gewöhnlich hat sie keine Zähn'!
Und hat sie manchmal Zähne gar,
Dann hat sie wiederum kein Haar.
Und hat sie Zähne und Geflecht,
Dann sind sie alle zwei nicht echt;
Denn echt an ihr ist nur mehr heut
Der eine Zahn: der Zahn der Zeit!

Drum spare dir als Schwiegersohn
Auf deines Weib's Mama den Hohn.
Was braucht die Mutter dich entzücken?
Dich hat die Tochter zu beglücken.
Und wem verdankst du dieses Glück?
Das fällt auf die Mama zurück.
Als Mädchen hat die Gute schon
Gedacht an dich, den Schwiegersohn.
Sie hat geopfert ihre Scham,
Und als dein Schwiegervater kam,
Hat sie, trotzdem sie sehr beklommen,
Ihn deinetwegen doch genommen.
Zu schenken deiner Frau das Leben,
Hat sie die Unschuld hingegeben,
Die sich, so frisch, so rein und blank,
Gehalten hätt' noch jahrelang!
Sag' nicht, sie hatt' selbst Freude dran,
Das hat sie nur für dich getan.
Sie trug die Schmerzen des Ballastes,
Du hast das Glück. Sei froh, du hast es. 39
Doch wenn du in der Ehe siehst,
Daß deine Gattin sich vermiest,
Dann schimpf' die Schwiegermutter nicht,
Die nur getan hat ihre Pflicht!
Ich frage dich jetzt aufs Gewissen:
Hätt'st du nicht selbst bemerken müssen,
Als du die Mutter schautest an,
Was aus dem Kind noch werden kann?
Als Braut sind alle Mädeln süß,
Nur später werd'n sie leider mies,
Und für dies ungewisse Später
Ist die Mama das Barometer.
Drum leg' ich sie auch nicht in Bann,
Ich schau' nicht weg, ich schau' sie an!
Und wenn ich dann aus nächster Näh'
Die umfangreichen Massen seh',
Die ihr zum Zweck des Sitzens nützen,
Dann – – laß ich ihr Kind drauf sitzen.
Dann mach' ich rasch mich aus dem Staub,
Ihr aber wind' ich Ruhmeslaub,
Die mich bewahrt, zu sagen »Ja!«
Ein dreifach Hoch der Schwiegermama! 40

 


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