Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Die Verlobung

            Man kann, wenn man Lust hat, stundenlang pfeifen.
Man kann, wenn man will, auch in Brennessel greifen.
Man kann sogar heiraten (oft ist es Pflicht!),
Aber verloben soll man sich nicht!
Ich hab' schon gehört, daß sich einer erhängt hat,
Weil er sich über ein Unglück gekränkt hat;
Oder es hat ihn was derart verdrossen,
Daß er sich postwendend deshalb erschossen.
Kurz, wer sich ermordet, ist übel daran,
Aber – es geht keinen Menschen was an!
Wenn aber einer Spagat sich kauft
Und – Wochen! – damit in der Stadt herumlauft,
Um jedem die Mitteilung aufzudrängen:
»Da schau'n Sie, mit dem werd' ich nächstens mich hängen!« –
Dann ist das doch wohl eine Aufdringlichkeit,
Welche imstand' ist, zu ärgern die Leut';
Ich wenigstens möcht' solche Selbstmordsitten
Bei meinen Bekannten mir energisch verbitten!
Nun fragt ein Naiver vielleicht desparat:
»Wie kommt die Verlobung zu diesem Spagat?«
Also ich seh' dieser Frage entgegen mit Ruh':
Pardon, aber wie kommt sie nicht dazu?
Es ist doch bekannt wohl im Publikum,
Daß jede Verlobung ein Vorstadium 28
Zu einer Handlung, die jedermann
Füglich als Selbstmord bezeichnen kann.
Ich hoffe, daß keiner mich mißverstehe,
Ich denke natürlich dabei an die Ehe;
Denn daß sich die Ehe als Selbstmord nur zeigt,
Ist derart bekannt, daß man darüber schon schweigt.
Da sich nun eine Verlobung zumeist
Als Ouverture einer Ehe erweist,
So läuft das bei einem Bräutigam,
Den man wochenlang sieht mit der Braut zusamm',
Ungefähr auf dasselbe hinaus,
Wie wenn lebensmüd einer von Haus zu Haus
Bei seinen Bekannten möcht schreien herum:
»Sie! Pst! Nächste Woche bring' ich mich um!«
Und dabei hält in die Höh' er das Mordwerkzeug grad – – –
Und da sind wir auch schon wieder bei meinem Spagat!
Außerdem ist es auch fürchterlich dumm,
So als Verlobter zu rennen herum.
Wer nicht gebildet ist, soll lieber schweigen,
Und einer, der blöd ist, der braucht's doch nicht zeigen;
Da aber zweifellos jeder Mensch blöd,
Der offenen Aug's in den Ehestand geht,
So muß so ein Bräutigam dumm nicht nur sein,
Sondern er gesteht's auch noch öffentlich ein!
Er stellt sich quasi eheschwanger
Öffentlich wochenlang an den Pranger.
Also von ihm ist das dumm, aber dem fremden Beschauer
Zittert das Herz, indem es mit Trauer 29
Flüstert und seufzt unterm Futter des Rocks:
»Armer Teufel! . . . Schon wieder ein Ochs!«
Ich glaub', es bedarf keiner weiteren Proben.
Taktlos und dumm ist es, sich zu verloben.
Denn läßt sich der Mensch schon auf Dummheiten ein
(Womit ich jetzt wieder das Heiraten mein'!),
Dann gibt's eine einzige Entschuldigung bloß:
Er tat's überstürzt und gedankenlos!
(Welchem Prinzip aber der widerstreitet,
Der Dummheiten wochenlang vorbereitet!)

Übrigens wundert auch eins noch mich sehr:
Spür'n denn die Leut', die verlobt sind, nichts mehr?
So täglich die künftige Gattin zu seh'n,
Muß eigentlich sehr auf die Nerven doch geh'n!
Denn ist sie sehr mies, sagt der Mann sich mit Beben:
»Und so was hab' ich engagiert mir für's Leben!«
Und wenn sie sehr schön ist, genau wie man's möcht',
Dann ist doch's Verlobtsein erst recht wieder schlecht!
Was fängt mit dem reizendsten Mädchen man an,
Bei dem man nicht darf, wie man möchte und kann?
Wozu die Verlobung, wenn Liebe zu rauben,
Die Bräute erst knapp nach der Hochzeit erlauben?
Denn wenn sie als Gattinnen lieben erst wollen,
Dann hätt' man sie gleich eben heiraten sollen,
Und sind sie auch ledig hiezu schon erbötig,
Dann war doch auch schon die Verlobung nicht nötig!
Kurz, welchem Prinzip auch die Damen da huldigen –
Verlobtsein ist, wie man's dreht, nicht zu entschuldigen! 30
Ich hätte ja jedem, der drum mich befragt,
Am liebsten den einzigen Ratschlag gesagt:
»Es ist so egal, wie die Sehnsucht du stillst,
Nur heirate nicht, sonst tu, was du willst;
Aber ich weiß ja, du wirst nicht parieren,
Weil ja die meisten zur Eh' sich verirren;
Die Ehe ist grad wie die Cholera:
Man kann ihr nicht weglaufen, wenn sie einmal da;
Doch mußt du schon unbedingt fallen hinein,
Dann soll sie auch ganz wie die Cholera sein:
Da gibt's kein Herumzieh'n, du bist nicht marod,
Heut steckst du dich an und bist morgen schon tot!
Und auch bei der Eh' ist's das nämliche Ding,
Wenn du schon heiratest, heirate flink,
Merk' dir die Weisheit, so einfach und schlicht,
Heirate, aber verlobe dich nicht!« 31

 


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