Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Vom Teufel!

                Ich hab' einen innigen Wunsch, einen frommen:
Ich möcht', wenn ich sterb', in die Hölle kommen!
Schütteln Sie nicht so Ihr weises Haupt,
Die Hölle ist reizender als man es glaubt!
Bedenken Sie, bitte, vor allem nur
Die angenehm-mollige Temperatur!
Wie bös ist's z. B. im Winter auf Erden,
Wenn uns die Fröste so peinlich werden!
Die Schererei'n, die man hat mit dem Feuer,
Bald gibt's keine Kohlen, bald sind sie zu teuer,
Die Füß' sind eiskalt und die Nas' wie gebeizt – –
In der Hölle dagegen ist – eingeheizt!
Die Preise der Kohl'n sind uns dort keine Fessel,
In der Früh' kommt der Teufel und setzt uns in'n Kessel!
Das siedende Öl, in das man gelehnt ist,
Brennt freilich ein bissel, bevor man's gewöhnt ist,
Und sicherlich schmeckt das im Anfang nicht süß,
Aber – man hat seine warmen Füß'!
Verglichen demnach mit dem Erdenproblem
Ist sicher die Hölle nur angenehm:
Im Winter erwärmt uns ihr glühender Bauch,
Und im Sommer – schwitzt man auf Erden doch auch!
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Ich glaube, Sie sagen mit mir drum: »Famos,
Das Klima der Hölle ist tadellos!«
Doch eins ist von allem der herrlichste Lohn:
Man hat in der Höll' – eine Position!
Man ist was, man stellt etwas vor ohne Zweifel,
Man hat eine Stellung, man ist – ein Teufel!
Ich bitt' Sie, das ist doch noch wenigstens was,
Auf Erden, da ist man doch nicht einmal das!
Was ist man dort wirklich schon? Arzt, Advokat,
Oder – wenn man getauft ist – Regierungsrat!
Die übrigen Leute schimpfen auf Einen,
Und nur, wenn man stirbt, tun pro forma sie weinen.
Als Teufel ist man Respektsperson.
Die Menschen auf Erden laufen davon,
Man stinkt wohl ein bissel nach Schwefel und Pech,
Aber – dafür werd'n die Leute nicht frech!

Ein Vorteil dabei ist noch ganz enorm:
Man hat eine reizende Uniform.
Bekanntlich geh'n doch die Leut' in der Höll'
Als Teufel herum, bekleidet mit Fell;
Vorn hängt herunter bis über die Lunge –
Unberufen! ein Meter Zunge,
Und außerdem sind dort noch angebracht ferner
Unten zwei Hufe und oben zwei Hörner.
Ich weiß nicht, warum über alle die Sachen
Die Menschen auf Erden so lustig sich machen!
Also schön, wenn dem Teufel die Zung' heraushängt,
Geb' ich zu, daß die Sache zum Lachen uns drängt!
Doch wenn auf der Erde die Männer in Haufen 87
Den reizenden Frau'n bis zur Wohnung nachlaufen,
Und wenn sie dann atemlos steh'n vor dem Haus,
Hängt ihnen auch die Zunge heraus!
No, und über die teuflischen Hörnersachen
Hab'n's die Menschen erst recht nicht nötig, zu lachen!
Wahrscheinlich hat Gott es genau bedacht,
Warum er dem Teufel hat Hörner gemacht;
Hat also der Teufel von Gott das Geweih,
So ist auch vermutlich nichts Böses dabei,
Und der Mensch soll nicht spotten auf das empor.
Warum? Bei ihm kommt das gar nicht vor?
Der Mensch wie der Teufel hab'n Hörner zur Zier,
Aber der Teufel kann wenigstens nichts dafür!
Sie hab'n alle zwei den Geweihüberbau,
Der Teufel von Gott und der Mann – von der Frau!
So ist, wenn die Hörner in Rechnung man zieht,
Zwischen Menschen und Teufeln kein Unterschied,
Denn ein Mann mit Geweih ist doch ganz ohne Zweifel
Schließlich und endlich – ein armer Teufel!
Dem wirklichen Teufel gleicht er genau,
Nur gehört in die Hölle statt seiner – die Frau!

Doch das, was man nirgends so fesch sich und schnell schafft,
Wie nur in der Hölle, das ist – die Gesellschaft!
Schau'n Sie z. B. den Himmel sich an,
Was verkehr'n dort für Leute? Die Gutes getan!
Briefträger, würdig, verhungert und grau,
Ein Deutsch-Professor mit seiner Frau,
Gebildet vom Kopf bis herab in die Füß', 88
Er hat Normalwäsch', und sie ist mies!
Sonst aber sind sie korrekt und bieder,
Sitzen auf Wolken und singen Lieder.
Dann kommen dazu noch sechs Amtsgerichtsräte,
Die lesen Zeitung und spiel'n auf der Flöte!
No seh'n Sie, das ist die Gesellschaft im Himmel,
Von edlen Verstorb'nen direkt ein Gewimmel,
Leut', die Verdienste besitzen unzählige,
Feine Entschlafene, bessere Selige,
Alles korrekt und verläßlich probat,
Riesig solid, aber gräßlich fad!
In der Höll' aber ist's grade umgekehrt,
Da wird die Temperamentswelt verehrt.
Damen gibt's da, so entzückend gebaut,
So eine Mitte von Witwe und Braut.
Man weiß zwar, da ist keine Wohlgebor'n,
Das sind keine Frauen von Deutsch-Professor'n,
Sie sind ordinär und entsetzlich galant,
Schrecklich verlumpt, aber – amüsant!

No, und die Männer sind fesch erst und munter!
Freilich sind Mörder und Diebe darunter,
Aber ich bitte Sie, sei'n wir doch ehrlich,
In der Hölle sind alle zwei – ungefährlich!
Der Mörder, sobald in der Höll' er in Not ist,
Kann keinen mehr morden, weil alles schon – tot ist;
Und ein Taschendieb hat in der Höll' nix zu naschen,
Denn die Leut' sind dort nackt und hab'n keine Taschen;
Und stiehlt er die Dinge, die frei herumliegen,
Hat er dabei doch erst recht kein Vergnügen;
Denn die Sachen der Hölle sind heiß eminent, 89
So daß er beim Stehl'n sich die Händ' verbrennt!

So hab' ich bewiesen an dieser Stelle,
Das Schönste auf Erden ist doch die Hölle:
Die Leut' haben Temperament dort und Charme,
Das Klima ist angenehm, milde und warm;
Die Kleidung ist praktisch, kein Schneider will Geld,
Es ist eine reizend-gemütliche Welt,
Drum seufz' ich im Stillen oft: »Gott befohl'n,
Möcht' mich nur endlich der Teufel hol'n!« 90

 


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