Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Das Rendezvous

Eine kritische Studie mit dem Versuch einer wissenschaftlichen Einteilung

                Was für den Tischler das hölzerne Kistel,
Was für den Esel die dornige Distel,
Was für das Landesgericht der Filou –
Das ist für die Liebe das – Rendezvous!
Die Rendezvous' oder Stelldichein
Teilt man in mehrere Klassen ein;
Die meisten sind solche, die etwas erstreben,
Aber – es soll auch platonische geben;
Die letzteren haben keinerlei Zweck,
Von denen bleibt man am besten weg!
Solche Sachen soll man vermeiden.
Das heißt doch wirklich nur Zeit vergeuden!
Zu so einem Rendezvous geht man nicht hin,
Das Schmusen allein hat doch gar keinen Sinn!
Solche Sachen hab' ich gefressen,
Wenn eine Dame mir sagt nach dem Essen:
»Sie wollen von mir ein Rendezvous?
Na schön, lieber Freund, ich sag' Ihnen zu,
Wenn Sie versprechen, hübsch artig zu sein!«
In solchen Fällen sag' ich glatt: »Nein!
Artig bin ich bei meinem Vater
Oder aber im Burgtheater,
Aber mit Ihnen beim Rendezvous?
Gnädige Frau, wie kommt das dazu?
Sei'n S' mir nicht bös', ich sag' Ihnen schlicht: 23
Auf dieser Basis verhandel' ich nicht!«
Darauf sagt sie gewöhnlich erschrocken: »Mein Freund,
Um Gottes willen, so war's nicht gemeint . . .«
Oder – sie hat es gemeint, wie sie's spricht,
Dann dreh' ich mich um und kenne sie nicht!
Wir können demnach die platonischen Fälle
Ganz übergehen an dieser Stelle,
Und sprechen also in diesem Rahmen
Nur von entgegenkommenden Damen,
Sei es ätherischen, sei es junonischen.
Wir bleiben also beim Nichtplatonischen!
Aber auch diese Stelldichein
Können wieder verschiedene sein,
Je nachdem, ob sich abspielt der Traum
Im freien oder geschlossenen Raum',
Die letztere Gattung streif' ich nur hier.
Man nennt sie gemeinhin nur Absteigquartier,
Und ein läng'res Verweilen dabei
Vermeide ich gern als Detailmalerei.
Wir kommen demnach zu dem Fall, wo zu zweien
Man in liebender Absicht zusamm'kommt im Freien.
Also über die Liebe im Blumenflor
Sage ich nichts wie: »Ich warne davor!«
Die Nachtluft ist kühl, die Gesellschaft gemischt,
Und außerdem wird man fast immer erwischt,
Man sitzt auf der Bank und flüstert vom Lieben.
Und eh man es denkt, ist man aufgeschrieben
Vom Wächter des Parkes, der uns vertreibt,
Die Liebe muß fort, nur die Bank, die bleibt!
Dann wankt man nach Hause in schamhafter Scheu – – – 24
Kurz ist die Bank, und lang ist die Reu'!
Jeder Vernünftige sieht also ein:
Überall trefft euch, nur nicht im Frei'n!
Zwar – die Natur ist offen und ehrlich.
Aber für Liebe ist sie gefährlich!
Hier wär' eine Abart zu flechten jetzt ein:
Das ist die Begegnung zu dritt statt zu zwein.
Diese entsteht, wenn ein Mädchen vergißt,
Daß der Mann ihrer Liebe verheiratet ist,
Und ihm ein zärtliches Billet-doux
Ins eheliche Logis sendet zu,
Worin sie ihm mitteilt: »Es bleibt dabei,
Wir treffen uns also morgen um drei!«
Und richtig, es bleibt dann auch wirklich dabei,
Nur treffen sich morgen um dreie dann – drei!
Das Mädchen, der Mann, wie besprochen, genau,
Und – nicht, wie besprochen! – überraschend die Frau!
Solcherlei Stelldicheins wohnt evident
Inne ein originelles Moment,
Improvisiert, faszinierend und keck – –
In der Hauptsache aber verfehl'n sie den Zweck.
Denn nur weil sich nach Abwechslung sehnte der Mann,
Hat mit dem Mädel gebandelt er an,
Daß um den Hals sie das Händchen ihm legt,
Was ihn zu Hause schon längst nicht erregt!
Die Hand um den Hals, das lockt ihn so sehr,
Der Abwechslung wegen nur kam er hieher,
Jetzt spürt er die Hand statt am Hals im Gesicht –
Na, Abwechslung ist's, aber schön ist es nicht!
Es zeigt sich da eben mit Deutlichkeit: 25
Für Rendezvous' ist drei Uhr keine Zeit!
Wenn man erwischt wird nur zwei Stunden später,
Kann man doch wenigstens hoffen peut-être,
Weil es doch finster geworden inzwischen,
Unbemerkt eventuell zu entwischen,
Aber um drei, wenn noch die Sonne prangt,
Ist das ein bissel zu viel verlangt!
Zwar – Liebe ist blind, wie der Volksmund spricht,
Aber die Gattin ist es doch nicht!
Drum soll man vermeiden Skandal und Geschimpf,
Vernünftige Leute bestell'n sich um fünf!
Das soll man sich merken bei zärtlichen Festen:
Für solche Sachen ist finster am besten!

Übrigens steht auf diesem Gebiete
Seit jüngster Zeit etwas Neues in Blüte,
Über die Kino-Stelldicheins
Ist das Entzücken ein allgemein's!
Und wirklich, da stimm' ich begeistert zu,
Ich lob' mir im Kino das Rendezvous!

Warum? Das brauch' ich nur flüchtig zu streifen,
Seine Vorzüge sind nämlich wirklich – zum Greifen!
Spannende Dramen mit Räubern und Flinten,
Sie sitzt vorne, und ich sitz' hinten.
Die Bilder verfolgt sie mit Schwärmerei,
Erst packt sie der Film, dann – bin ich so frei,
Mit einem Wort, es ist zum Entzücken . . .
Nur peinlich ist es – danebenzuzwicken,
Und direkt entsetzlich, wenn Amor sich wendet,
Und heißes Begehren mit Watschen endet!
In solchen Fällen wird keiner bestreiten: 26
Das Finst're hat auch seine Schattenseiten!

Meine Verehrten, ich hatte die Ehre,
Heute vor ihnen die Stelldicheinlehre
Kurz zu skizzieren in flüchtigen Zügen.
Fest steht nur eins: es ist kein Vergnügen!
Wie man es wendet und wie man es dreht . . .
Bald ist es zu früh, und bald ist es zu spät,
Da ist's zu finster, und dort ist's zu licht . . .
Wer klug ist, der tut so was überhaupt nicht!
Glauben Sie mir, und Sie werden sich freu'n,
Reden Sie gar nicht von Stelldichein!
Schau'n Sie doch mich an! – Sehn Sie, ich tu's,
Ich rede niemals von Rendezvous'!
Das heute war nur eine Ausnahme hier
Und nur, weil ich eben gezahlt krieg' dafür!
No, soll ich's nicht nehmen? Da wär' ich doch dumm!
Und wer ist der Zahler? Das Publikum!
Da sieht man halt wieder den Leichtsinn der Welt,
Auf solche Sachen haben Sie Geld!
Ich steh' hier oben, und Sie hör'n mir zu,
Wie ich erzähle vom Rendezvous,
Und bezahl'n noch dafür, daß Sie dableiben können . . .
No, wissen Sie, soll da der Zorn nicht entbrennen?
Sie sind ja schon wieder gefallen hinein –
Der Teufel hole das Stelldichein! 27

 


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