Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Die Pest und das Lachen

Ein Geleitwort

Es war einmal Pest in Wien. Mehr hat den Wienern nicht gefehlt, die doch raunzen, selbst wenn ihnen gar nichts fehlt. Also war ein großes Wehklagen in der Stadt.

Nur einer hat gelacht: der liebe Augustin.

Eigentlich hieß er gar nicht »Der liebe Augustin«. Er hieß Augustin schlechtweg. Aber man nannte ihn »Der liebe Augustin«, weil er lachte, und weil die Wiener das Lachen lieben. So zwiespältig ist die Wiener Seele: sie liebt das Raunzen und das Lachen. Sie lächelt unter Raunzen. Sie hat eine kritische Natur, und darum ist ihr gar nichts recht. Sie muß alles analysieren, um den faulen Kern bloßzulegen. Sie ist ein umgekehrter Mikado, sie sucht nicht »den Humor in jedem Fall hervor«, sondern spioniert nach dem Ärgerlichen in allen Dingen. Sie sammelt Manki und Defizite. Was man halt so Raunzen nennt!

Aber sie ist nur eine brummige und keine giftige Seele. Ihr Nährboden ist die weiche Wienerwaldluft, und deshalb kennt sie keine Verzweiflung. Wenn sie das Minus gefunden hat, ist sie nicht außer sich, sondern – lacht! Sie freut sich, daß ihr Pessimismus recht behalten hat. Das genügt ihr als Wahrheitsfanatikerin. Aber verzweifeln? Lächerlich!

Sie ist eben voll Weisheit, diese Wiener Seele. Läßt 161 sich auf der einen Seite nicht in einen albernen Optimismus einlullen, weigert sich aber auf der andern, sich wegen der Schlechtigkeit der Welt aufzuhängen. Die Erde, sagt sie, ist eine schiache Wohnung; da es aber keine andere Welt gibt, wo man sich niederlassen könnte, muß man sich eben in dieser miserablen Wohnung nach Möglichkeit einrichten! – – – Ist euch jetzt das Rätsel der Wiener Seele klar? Begreift ihr nun, daß in einer und derselben Brust Platz für Raunzen und Lachen ist?

*

Der liebe Augustin ist vor etlichen hundert Jahren gestorben. Aber weil er ein Teil der Wiener Seele war und die Seele bekanntlich unsterblich ist, lebt er heute noch. Er ist eben wieder auferstanden. Als echter Wiener natürlich in einem Caféhaus.

Also im Café Prückel haust jetzt (seit mehr als tausend Tagen) der neue »Liebe Augustin« und erfreut die Wiener wie sein Vorgänger durch seine ungebrochene Fröhlichkeit. Und er lacht über die Pest auch dieser Zeit, weil er weiß, daß sie nur eine Krankheit ist, die vorübergehen wird. Oh, er kennt die Wahrheit, dieser liebe Augustin. Und er sagt sie auch. Denn er hat lauter junge Menschen angestellt, mit denen er den Wienern das Lachen beibringt. (Und junge Menschen sagen immer die Wahrheit; sie sind noch nicht so bequem wie die Alten, die vor den häßlichen Dingen die Augen zudrücken, »daß man sei' Ruah hat!« Sie hassen die Ruhe, diese Jungen, und lieben den Kampf gegen die Unsauberkeiten der Welt.)

162 Wenn ihr also echte Wiener seid, die nur die Wahrheit hören wollen, wenn ihr zu raunzen wünscht, um dann befreit lachen zu können, wenn ihr ein fröhliches, freies Wort liebt und die Ungebundenheit des Geistes: Dann besucht den Lieben Augustin! 163

 


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