Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Kabinette, Kinderstuben
und Brautzimmer!

Karl Farkas. Servus, Fritz, der Vorhang hebt sich –

Fritz Grünbaum: Servus, Karl, der Vorhang ist in der Höhe, die Türe hast du offen gelassen, es zieht.

Farkas: Bravo, also wird unsere Revue ein Zugstück.

Grünbaum. Ich will wissen, warum du schon wieder zu spät gekommen bist.

Farkas: Weil ich nicht zu früh kommen wollte. Ich war schon vor einer halben Stunde an deinem Haustor, das war mir zu zeitlich, also bin ich noch ein bißchen herumgeschlendert und habe mir so meine Gedanken gemacht.

Grünbaum: Herr Farkas – ein Pythagoreer! Was für ein Lehrsatz ist dir denn eingefallen?

Farkas: Ich ging durch die Wollzeile und suchte mir einen Platz, wo man einmal das Grünbaum-Denkmal aufstellen wird.

Grünbaum: Unsinn –

Farkas: Wieso? Du bekommst es bestimmt einmal!

Grünbaum: Du meinst?

Farkas: Ganz bestimmt. Und kein Mensch wird vorübergehen, ohne stehen zu bleiben.

Grünbaum: Glaubst du wirklich?

Farkas: Sicher! Und jeder Mensch wird sagen –

Grünbaum. Was?

Farkas: »Wer ist das eigentlich?« 244

Grünbaum: Das wird man ja im Baedeker lesen können: »Fritz Grünbaum, Schriftsteller und Komiker, war verurteilt, mit Karl Farkas Revuen zu schreiben: starb über der ›Unvollendeten‹, nach jahrelanger Nichtarbeit.«

Farkas: Fängst du schon wieder an? Eben war ich dabei, dir den Anfang zu erzählen. Also paß auf: der Vorhang hebt sich – großes Gelage –

Grünbaum: Krötenschmaus?

Farkas: Was ist das für ein Unsinn?

Grünbaum: Das ist kein Unsinn, sondern das heute übliche politische Menü. In Frankreich ist der Chautemps gestürzt, darauf ist er wieder aufgestanden und regiert jetzt weiter. In Rumänien ist der Tatarescu gefallen –

Farkas: – und wieder aufgestanden?

Grünbaum: Nein, vorläufig liegt er noch dort. Aber die neue Goga-Cuza-Regierung weiß sich keinen Rat und hat das Parlament aufgelöst. Dann wird ein neues gewählt werden, und zuletzt wird sich's wieder auf Tatarescu ausgehen. Also wozu ist er gefallen? Und wozu ist der Chautemps gestürzt? Das ist die Politik der gefressenen Kröten.

Farkas: Tatsächlich, wenn in der Politik der Vorhang fällt, ist wieder alles, wie es früher war.

Grünbaum: Laß den fallenden Vorhang, und sprich lieber von dem, der sich hebt. Das ist jetzt aktueller.

Farkas: Aktuell ist jetzt der überhaupt nicht vorhandene Vorhang: Opernball! Da war die Bühne durch keinen Vorhang vom Zuschauerraum getrennt. Ausverkauft! Und ein Bombengeschäft. 245

Grünbaum: Da gäb's doch ein einfaches Mittel, die Staatsoper defizitfrei zu machen.

Farkas: Nämlich?

Grünbaum: Man gibt das ganze Jahr täglich einen Opernball und nur im Fasching einen Abend eine Opernvorstellung.

Farkas: Zerbrechen wir uns nicht den Kopf über die Oper, die Revue ist uns wichtiger –

Grünbaum: Plötzlich hast du's eilig? Sonst bin doch immer ich der Dränger.

Farkas: Und heute bin eben ich der Stürmer!

Grünbaum: Oh, du willst konfisziert werden?

Farkas: Wieso?

Grünbaum: Den »Stürmer« hat man jetzt konfisziert, weil er für Rassenschande Todesstrafe verlangte.

Farkas: Bah, der wird mit Diskussionsthemen nicht in Verlegenheit kommen. Er hat immer ein reichhaltiges – Pogrom!

Grünbaum: Übrigens hat ja auch der amerikanische Senator Ellender für die Lynchjustiz an Negern gesprochen.

Farkas: Ja, diese Rede ist ein ins Schwarze übersetzter »Stürmer«.

Grünbaum: Das ist die vielgerühmte Zivilisation! Wann wird sich endlich unsere Gesittung heben?

Farkas: Zuerst soll sich unser Revuevorhang heben! Also, paß auf! Ich habe schon vorhin gesagt, man sieht auf der Bühne ein Gelage, und zwar handelt sich's um ein Hochzeitsgelage –

Grünbaum: Wer hat geheiratet?

Farkas: Wahrscheinlich das Brautpaar –

Grünbaum: Endlich ein aktueller Stoff, jetzt, wo der 246 König Faruk von Ägypten geheiratet hat – –

Farkas: Warum?

Grünbaum: Vermutlich aus Liebe!

Farkas: Vielleicht auch, um keine Ledigensteuer zu zahlen!

Grünbaum: Der zahlt doch keine Steuer!

Farkas: Rückstände hat er? Da werden sie ihn doch pfänden?

Grünbaum: Ein König wird doch nicht gepfändet.

Farkas: Ah, er läßt alles auf die Frau schreiben? Deshalb hat er geheiratet?

Grünbaum: Er hat geheiratet, und Schluß! Seine Motive kenn ich nicht.

Farkas: Aber eine schöne Hochzeit hat er doch gehabt?

Grünbaum: Natürlich! Alle waren da, die Regierung, die Parlamentsvertreter, die Familie, der Bräutigam –

Farkas: Und die Braut?

Grünbaum: – mußte zu Hause bleiben. So will's das Zeremoniell.

Farkas: Wer hat dann für sie unterschrieben?

Grünbaum: Der Schwiegervater.

Farkas: Und wer hat den Hochzeitskuß bekommen?

Grünbaum: Die Schwiegermutter.

Farkas: Ein grausames Zeremoniell!

Grünbaum: In Fürstenhäusern ist eben alles im Privatleben anders. Ist es dir zum Beispiel nicht aufgefallen, wie lange das holländische Königskind auf sich warten läßt?

Farkas: Aus Zeremonialgründen?

Grünbaum: Natürlich: Fürstlichkeiten lassen immer 247 auf sich warten!

Farkas: So? Ich dacht', das Kind kommt solange nicht, um möglichst spät die – Finsternis dieser Welt zu erblicken.

Grünbaum: Wenn schon geistreich um jeden Preis, Herr Farkas, warum dann nicht in der Abfassung der Revue?

Farkas: Wie du wünschest. Also der Vorhang hebt sich –

Grünbaum: Falsch: in den Simpl gehen wir! Zur Vorstellung! Es ist acht Uhr.

Farkas: Komm mit, ich habe meinen Wagen unten.

Grünbaum: Ist das der frischlackierte vor dem Fenster?

Farkas: Jawohl!

Grünbaum: Komische Farbenzusammenstellung! Warum ist er auf der einen Seite schwarz und auf der anderen weiß?

Farkas: Damit sich bei Unfällen die Zeugenaussagen widersprechen ... 248

 


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