Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

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Das Paradies

                Weinen könnt' ich bittere Tränen,
Wenn ich so denk' an mein nutzloses Sehnen
Nach einem Orte, der einst so süß
Und heute gesperrt ist: das Paradies!
Gott, wie hat man da ruhig gelebt,
Man hat nicht gezittert, man hat nicht gebebt,
Die wilden Tiere sind zahm gewesen,
Unter Tigern hat man die Zeitung gelesen!
Und ist ein Löwe vorübergegangen,
Ist man nicht bleich geworden vor Bangen,
Sondern man hat ein Gespräch angefangen.
Gesagt hat man, ohne zu fassen erst Mut sich:
»Habe die Ehre, Herr Löw'! – Wie geht's denn? – Was tut sich?
Was macht die Frau Löwin? – Was? Wirklich? – Schon wieder?
Und sechs gleich auf einmal? – Ah, da legst d' dich nieder!«
Drauf hat sich der Löwe freudig erregt
Tatsächlich also niedergelegt,
Er hat nicht gestoßen, er hat nicht gequetscht,
Er hat nicht gebissen, er hat nicht gepätscht,
Nicht einmal hat er die Zähne gefletscht!
Das nenn' ich Takt im Benehmen des Viehs. 91
No, war's nicht gemütlich im Paradies?!
Heut' sollt' man's wagen, mit Löwen zu reden,
Auffressen möcht' er Sie wie einen jeden!
Entweder der Löw' stammt aus Afrika her,
No, dann sind Sie sicher für ihn ein Dessert;
Oder der Löw' ist ein Löw hier aus Wien,
Dann sind Sie erst recht doch ein – Futter für ihn!
Er hat ein Geschäft vis-à-vis von der Bahn
Und hängt Ihnen glatt seinen Pofel an!
Drum sag' ich ja stets: »Was mir lieber is'
Der Löw' aus dem seligen Paradies!«

Auch sonst ist, soviel man darüber gelesen,
Im Paradies es viel schöner gewesen.
Schau'n Sie z. B. die Eva sich an!
Das war doch noch ein Vergnügen für'n Mann!
Erstens einmal in puncto der Kleider:
Eva hat gar nichts gebraucht für den Schneider.
Sie wissen doch, wie sie gekleidet sich hat:
Hinten war gar nichts, und vorn war ein Blatt!
Das Blatt war befestigt in mittlerer Höh',
Und alles andre war – Dekolleté!
No, war dieser Adam nicht stark zu beneiden?
Gratis konnt' seine Frau er bekleiden!
Er hat nur geschaut, wo ein Feigenbaum nah,
Ein Sprung und ein Riß, – und das Kleid war da!
Einfach heruntergerissen vom Baum!
No, kann man das schöner sich denken im Traum?
Leider vorbei ist die Zeit für das Träumen, 92
Wo, bitt' Sie, hängen heut' Kleider auf Bäumen?!
Und während den Adam die Frau samt dem Blatt
Eine einzige Rippe gekostet hat,
Inklusive den Kosten fürs Haus,
Nimmt sie ihm heute – das Beuschel heraus!

Apropos, Beuschel! Nicht zu vergessen,
Im Paradies war ein glänzendes Essen!
Und alles ganz gratis von der Natur!
Vom »Schweiße des Antlitzes« nicht eine Spur!
Die Milch und der Honig sind stromweis geflossen,
Man hat sie umsonst und ganz müh'los genossen,
Alles war da, was man gern hat gemögt,
Die Hühner hab'n kostenlos Eier gelegt!
Den Überfluß kann man heut' nicht einmal träumen,
Gullasch mit Saft ist gewachsen auf Bäumen!
Kurz, was man verlangt hat, und was man gemöcht' hat,
Hat man gekriegt, ohne daß man geblecht hat,
Direkt franko Magen und gratis, von Gott.
Nur eins war verboten: das Apfelkompott!
Aber wer ist schon auf Äpfel versessen?
Wo steht geschrieben, ma' muß Äpfel essen?
Es steht nicht geschrieben, und 's muß auch nicht sein,
Nur wenn man ein Trottel ist, bild't man sich's ein.
Denn ausgerechnet auf dieses Obst
Ist der selige Adam hineingehopst.
Wo doch noch ausdrücklich per Zirkular
Der Apfelgenuß streng verboten war, 93
Hat sich der Esel, der Adam, vergessen
Und – ohne Bezugschein Äpfel gegessen!
Freilich hat eigentlich nicht so der Mann
Wie sein Weib und die Schlange die Schuld gehabt dran,
Die solange geschmust mit ihm schmeichelnd und nett hab'n,
Bis sie den Apfel ihm eingeredt't hab'n.
Da hat dann der Adam betäubt sein Gewissen
Und hat in den – sauren Apfel gebissen.
Und da hat ihn Gott dann hinausgeschmissen.
Er hat auf den Adam gesendet empört
Sofort einen Wachmann mit feurigem Schwert,
Der hat ihn gepackt beim Krawattel stark
Und hat ihn gefeuert hinaus vor den Park.
Dort hat sich der Adam gefragt mit Bangen,
»Was hab' ich mir da mit dem Obst angefangen?«
Denn jetzt sind die Augen ihm aufgegangen.
Zu spät war es aber für seine Ruh':
Die Augen war'n auf, und der Park war zu!

Mir, sehn sie, wär' das gewiß nicht passiert.
Ich, wenn man mir Äpfel hätt' offeriert,
Hätt' Zweie heruntergehaut auf die Wange,
Eine der Eva und eine der Schlange,
Ich hätt' unserm Herrgott gelassen den Will'n
Und hätt' anstatt Äpfel gegessen – Marill'n!
Ich hätt' mir gesagt eben streng nach der Bibel:
»Friß keine Äpfel, sonst wird dir übel.«
Streng diätetisch hätt' ich gegessen
Und wär' heute noch im Paradies drin gesessen.
Und nicht allein ich, sondern Sie alle auch, 94
Und statt Kammgarn hätt'n wir heut' Blätter am Bauch!
Dann möchten die Damen, ob häßlich, ob schön
Mit dem Leibblatt allein als Gewand herumgeh'n,
Und wir, statt zu ahnen nur, wie sie gebaut sind,
Wüßten genau, wie sie bis auf die Haut sind!
Danach könnt' man sich richten, bevor man ihr Mann ist,
Indem man genau weiß, was an ihr dran is.
Dann könnte man ferner beim Essen den Mann stell'n,
Man braucht keine Karten, man braucht sich nicht anstell'n,
Statt der Gastwirte, die uns die Haut abzieh'n,
Gäb's Bäume, auf denen Kalbsschnitzeln blüh'n.

So aber leben wir voller Beschwerden
– Der Schlag soll den Adam treffen! – auf Erden;
Wir hüllen in teuere Kleider die Leiber,
Und leider nicht Männer nur, sondern auch Weiber,
Man sieht nichts, man merkt nichts, man weiß nicht, was dran,
Und wenn man dann heiratet, schmiert man sich an.
Im Wirtshaus bekommt man für's Geld keinen Platz,
Und wenn man schon Platz kriegt, gibt's Gullaschersatz,
Das ist der Ersatz für das Prachtparadies,
Der Park ist verschwunden, und uns geht's mies! 95

 


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