Fritz Grünbaum
Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst
Fritz Grünbaum

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Von William Shakespeare
bis Hjalmar Schacht

Karl Farkas: Servus Fritz! Kein Gerede ... kein Geplauder ... Stoff bereits vorhanden ... hochaktuell ... spielt in China ... Also paß auf: ein Neger, der freiwillig in der chinesischen Armee dient, hat es bis zum General gebracht ... Gut?

Fritz Grünbaum: Jedenfalls sehr bunt: ein Schwarzer, der bei den Gelben die roten Borten bekommt. Was weiter?

Farkas: Der Krieg mit Japan bricht aus, und der Obermandarin von Schanghai ersucht den Neger, das Kommando zu übernehmen. Der Neger willigt ein, aber er stellt eine Bedingung: er liebt Mo-Nah, des Obermandarinen Tochter, deren Hand er von ihrem Vater fordert. Nun –

Grünbaum: Erlaube –

Farkas: Unterbrich nicht im Moment der dramatischen Spannung! Also der Neger kehrt siegreich heim, da setzt ihm sein Fähnrich, namens Ja-Go, einen Floh ins Ohr: Mo-Nah hätte ihren Gatten mit einem Leutnant, einem gewissen Ka-Si-Oh, betrogen. Hier ist der dramatische Höhepunkt, wenn der Neger seine Frau, bevor er sie erwürgt, fragt, ob sie zu Nacht gebetet habe, und –

Grünbaum: Moment! Wie soll eigentlich der Titel der Revue lauten? 193

Farkas: »Der Neger von Schanghai«.

Grünbaum: Und wie heißt dieser Neger?

Farkas: Echt afrikanisch: O'Tel-Loh!

Grünbaum: Du, der Mann heißt nicht »O'Tel-Loh«, sondern Othello, und das Ganze ist nicht von Farkas, sondern von Shakespeare.

Farkas: Bist du doch draufgekommen? Ich hab' geglaubt, man wird's nicht erkennen – wegen Schanghai!

Grünbaum: Also stehen wir jetzt wieder ohne Stoff da!

Farkas: Oho! Ich habe noch hundert andere!

Grünbaum: Mir genügt einer. Nenne mir einen einzigen!

Farkas: Schanghai!

Grünbaum: Fängst du schon wieder an?

Farkas: Aber Schanghai ohne Neger! Nur mit Chinesen und Japaner! Das ist hochaktuell!

Grünbaum: Im Gegenteil: es ist eine alte Geschichte, daß sich die Chinesen und Japaner – mit schiefen Augen ansehen!

Farkas: Also welchen Schauplatz schlägst du vor?

Grünbaum: Einen ruhigen: Europa!

Farkas: In Europa gibts doch auch Zusammenstöße!

Grünbaum: Wer sagt das?

Farkas: Der Edthofer!

Grünbaum: Das war nicht in Europa, sondern im »Europe«!

Farkas: Europe und Europa ist dasselbe. Ich kann doch Französisch.

Grünbaum: Seit wann?

Farkas: Seit vierzehn Tagen. Ich studier jetzt 194 »1000 Worte Spanisch«, jedes Wort in einer andern Sprache!

Grünbaum: Danke für Witze! Kommen wir zur Revue!

Farkas: Bitte! Also der Vorhang hebt sich – – – Wie kommst du übrigens dazu, Europa für einen ruhigen Schauplatz zu halten?

Grünbaum: Weil sich dort die Diplomaten bemühen, alle Konfliktstoffe aus dem Wege zu räumen.

Farkas: Das kenn' ich! Diplomatie ist ein Schachspiel, bei dem die Völker mattgesetzt werden.

Grünbaum: Witzig, aber falsch! Eben erst ist es der Diplomatie gelungen, die feierliche Anerkennung der Neutralität Belgiens durchzusetzen.

Farkas: Und was hat Belgien davon?

Grünbaum: Sehr viel! Eingekeilt zwischen Deutschland und Frankreich ist Belgien dauernd geschützt, in allfällige Streitigkeiten seiner beiden Nachbarn hineingezogen zu werden. Die Neutralität ist vergleichbar der Situation dreier Menschen, die in einem Bett liegen: Zieht der Rechte die Decke an sich, ist es dem Linken kalt; zieht der Linke die Decke an sich, ist es dem Rechten kalt; nur dem in der Mitte ist immer warm, der hält sich im gefährlichen Moment abseits, das ist der Neutrale!

Farkas: Nämlich Belgien?

Grünbaum: Nein: England!

Farkas: Genug Politik! Wir wollen doch weiterkommen! Also der Vorhang hebt sich, europäischer Schauplatz, festliches Milieu –

Grünbaum: Warum?

Farkas: Damit wir eine bunte Szenerie bekommen ... Fahnen ... Guirlanden ... griechische Feuer ... 195

Grünbaum: Aber wieso? Wozu Feste? Wofür Fahnen in Europa?

Farkas: Jeden Augenblick kommt doch jemand zu Besuch ... also der Vorhang hebt sich, ein Gast kommt an –

Grünbaum: Einer kommt an, einer fährt weg –

Farkas: Wieso?

Grünbaum: Der Dr. Schacht! Ich habe gelesen, daß er wieder einmal wegen einer Anleihe fortgefahren ist.

Farkas: Dieser Schacht ist eine der seltensten Erscheinungen Mitteleuropas –

Grünbaum: Sehr richtig! Wer sonst heißt noch »Hjalmar«?

Farkas: Der Mann hat die größten Geschäfte ins Rollen gebracht: er war in Warschau, da ging es den Polen gut; er war in Belgrad, da ging es den Jugoslawen gut; dann war er in Bukarest, da ging es den Rumänen gut ...

Grünbaum: Und dann in Belgien?

Farkas: Also in Deutschland hat er halt Pech gehabt! Das kann einmal passieren!

Grünbaum: Und jetzt wackelt er und kann nicht vorhersehen, ob sein Übergang vom Demokraten zum Anhänger des herrschenden Regimes ein Geschäft oder eine Spekulation war.

Farkas: Was ist da der Unterschied?

Grünbaum: Wenn man bei einem Geschäft verloren hat, war es eine Spekulation, und wenn man bei einer Spekulation gewonnen hat, war es ein Geschäft!

Farkas: Und du hast dich verspekuliert, wenn du 196 glaubst, daß wir mit einer ungeschriebenen Revue ein Geschäft machen können.

Grünbaum: Aber wer hindert uns, sie zu schreiben? Also bitte, der Vorhang hebt sich –

Farkas: Jetzt? Nein, jetzt müssen wir in den Simpl zur Vorstellung. Aber das nächstemal muß die Revue fertig werden!

Grünbaum: Ich schwör es – beim Baß der Zarah Leander!

Farkas: Ich habe meinen Wagen unten, fährst du mit?

Grünbaum: Danke, ich gehe zu Fuß. Ich muß noch in der Kärntnerstraße etwas besorgen.

Farkas: In der Kärntnerstraße?

Grünbaum: Ja! Zwischen der Sirk-Ecke und der Mahlerstraße ist ein Bildergeschäft; dort muß ich im Fahrplan nachsehen.

Farkas: Im Bildergeschäft willst du dir den Fahrplan anschauen?

Grünbaum: Warum nicht? Im Reisebureau nebenan schauen sich die Leute das Bild an! 197

 


 << zurück weiter >>