Jeremias Gotthelf
Leiden und Freuden eines Schulmeisters – Zweiter Teil
Jeremias Gotthelf

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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Wie bei allem Doktern die Schule verdokteret wird.

Während damals dieses Gesetz im Publikum besprochen wurde, fuhr unter uns Primarlehrer unerwartet, wie eine Bombe, ein neu Gesetz; ein Gesetz, das man, um den unangenehmen Widerspruch zu ersparen, nicht vor Großen Rat, sondern nur vor den Regierungsrat gebracht und von dort aus hatte ausgehen lassen. Es war ein Gesetz, welches allen Schulmeistern, die durch die General-Examinatoren für hinlänglich befähigt erfunden würden in den Fächern des § 15, Religion, Sprache, Rechnen, Schreiben, Gesang, ein Minimum von 150 L. zusprach, wo Holz, Haus, Land angerechnet werden konnten. Allen denen, die nicht hinlänglich befähigt gehalten wurden, wurde nichts zugesprochen; hingegen erhielten die, welche in den genannten Fächern des § 16 sich hatten examinieren lassen und befähigt erfunden wurden, per Fach 25 L. mehr, so daß das Maximum der Schullehrer-Besoldung auf 300 L. anstieg. Es war auch befohlen, daß kein bisheriges Einkommen solle vermindert werden, sondern daß die Gemeinden, welche bisher ihrem Schulmeister z. B. 250 L. gegeben, ihm es fürderhin auszubezahlen hätten, auch wenn er nur 150 L. oder gar nichts geschatziget worden. Hingegen müßten auch die Gemeinden, welche gar nichts von den Fächern des § 16 begehrten in ihren Schulen und dem Lehrer bis dahin nur 150 L. gaben, dem Lehrer das Einkommen bis auf 300 L. erhöhen, sobald er fähig erachtet worden, diese Fächer zu lehren. Freilich war im Hintergrunde auch auf die Beihilfe des Staates gewiesen; aber wie ihre Ausmittelung geschehen sollte, war auch hier nicht bestimmt angegeben, und welche Kraft man hätte, die Gemeinden, welche nicht wollten, zu zwingen, war auch nicht angegeben. Und welche Kräfte man dazu brauche, hätte man vom Sommer 1835 bei Verfügung über die Sommerschulen wissen sollen.

Dieses Gesetz traf eine Menge Lehrer furchtbar und zerstörte alle Hoffnungen; zwar sah man nicht sogleich in dessen Tiefen nieder, weil man die besondere Anwendung desselben auf jeden einzelnen sich nicht dachte und jeder mit der Hoffnung sich tröstete, daß er wenigstens 150 L. hoch gewertet sei; was doch für viele in einzelnen Landesteilen eine bedeutende Verbesserung ausmachte.

Hingegen stellte es die Primarschule auf den Kopf, indem es dadurch, daß jedes Fach des § 16 mit 25 L. dotiert wurde, also alle Fächer zusammen mit 150 L. über die andern 150 L. aus, während der tüchtigste Lehrer in den Fächern des § 15 nur auf 150 L. Anspruch machen konnte, den Wahn erweckte, als wären die Fächer des § 16 die Hauptsache, als müßten die um jeden Preis eingeführt sein und daher natürlicherweise alle Kräfte der Lehrer auf die Befähigung in diesen Fächern richtete, während die meisten Lehrer alle ihre Anstrengungen nötig gehabt hätten, sich recht tüchtig in den Hauptfächern auszubilden. Und dahin wäre es allerdings gekommen, daß man in den Primarschulen alles gelernt hätte und nichts.

Ich muß bekennen, daß mich dieses Gesetz nicht so erschreckte. Ich hoffte auf jeden Fall viele Franken mehr zu bekommen als bisher. Aber eins machte mir ein wenig bange. Ich dachte, wenn mir die Gemeinde für Fächer zahlen solle, die ich nicht lehre, so werde sie gewaltig aufbegehren und sagen, das sei nirgends der Brauch, daß man Dinge bezahle, von denen man nichts habe. Ich glaubte daher am besten zu thun, alsobald, was ich von diesen Fächern wußte, einzuführen, und schwitzte einige Wochen tüchtig mit den Kindern in der Naturlehre und der Erdbeschreibung und der Vaterlandsgeschichte ec.

Da kam eines Tages der Pfarrer in die Schule, als ich eben in solchen Fächern herumtappte. Er setzte sich hin, hörte dem Ding zu, ohne ein Wort zu reden. Als die Schule aus war, blieb er noch und sagte mir nun ganz manierlich wüst auf folgende Art: »Schulmeister,« sagte er, »was Tausend kömmt Euch in Sinn, so auf einmal in allen Fächern herumzufahren? Eure Bauren räsonnieren gräßlich darüber und behaupten, daß Ihr die Kinder geradezu dem Teufel zuführtet oder wenigstens dem Antichrist, und daß die Schule seit einiger Zeit ganz verpfuscht sei.« Ich erzählte nun dem Pfarrer kurz, daß ich die Sache so nötig glaube wie das hohe Erziehungs-Departement. Wenn dieses nicht überzeugt gewesen wäre von der Notwendigkeit der Sache, so hätte es kein solches Gesetz gegeben. Übrigens sei es mir auch um meine Franken, die ich viel nötiger hätte, als der Herr Pfarrer denke, weil mir 1 L. mehr zu sagen habe, als ihm vielleicht hundert. Und ich hoffe doch, der Herr Pfarrer werde mir diese Verbesserung wohl auch gönnen. Das sagte ich etwas verblümter, aber doch in diesem Sinne.

Da schaute mich der Pfarrer einen Augenblick sehr ernst an, aber bald sprühte ihm das Lachen wieder aus dem ganzen Gesicht. »Ach Gott! ja, mein Schulmeister, ich gönne Euch alles, sogar Eure Frau, und um ihretwillen hundertmal mehr an Geld, als Ihr erhalten werdet; aber eben deswegen muß ich Euch warnen vor Dummheiten.

»Das hohe Departement versteht alles am besten, das versteht sich von selbst. Aber ich denke mir doch, es könne menschlicherweise nimmer an alles denken und habe z.B. bei Abfassung dieses Gesetzes nicht gedacht, wie unsere Schulen in diesem Augenblicke beschaffen seien und welches seine Wirkungen auf die Schulen sein werden. Ich weiß wohl, es kennt den innern Stand der Schulen durch und durch, und weiß von jeder Schule akurat, wie weit sie ist und was in ihr vorgeht; aber eben vergißt denn doch der Mensch zuweilen, was er weiß. Aber ihr Schulmeister solltet denn doch nicht vergessen, wie eure Schule steht, und wie ihr mir bei den alten Fächern schon gesagt, ihr wüßtet nicht, wie Zeit finden für alles; und wie ihr mich auf die Mugge genommen, als ich euch zumutete, eine bessere Ordnung in eure Schule einzuführen und jede Minute zu Ehren zu 'ziehen. Wie wollt ihr Ordnung erhalten, keine Klasse vernachlässigen, wenn ihr nun noch ein halb Dutzend Fächer auf einmal dazu nehmet? Ihr, Schulmeister, solltet doch eure Bauren nicht vergessen, die ihre alle Tage vor Augen habt, und was in ihnen steckt. In den Erklärungen der Kinderbibel könnt ihr ihnen tausend Sachen aus der Natur und die Natur selbst erklären; sie nehmen es mit Freuden auf. Aber da fangt ihr eigends an mit Naturlehre und Naturgeschichte; das, meinten sie, sei nun die neue Religion, von der schon lange gefaselt worden (wie man ja auch von einer neuen Bibel sprach), die wolltet ihr nun lehren statt der Gotteslehre, statt der Christuslehre. Dann fangt ihr noch gerade bei dem heikelsten an, bei dem Sonnensystem, und daß die Sonne stille stehe, die Erde aber rund umgehe, während es bei euern Bauren ein Glaubensartikel aus den Psalmen und dem Buche Josua ist, daß das Umgekehrte stattfinde. Da lästern sie nun furchtbar über die neue Lehre, euern Unglauben und den Mißbrauch des Schulhauses.«

»Aber, Herr Pfarrer,« sagte ich, »soll man denn nicht jedermann die Wahrheit sagen und die Leute aufklären in ihrem Aberglauben?«

»Aber, Schulmeister, sagt man dann jedermann die Wahrheit? Sagt Ihr jedermann: Du hast eine krumme Nase, du hast verdrehte Augen oder rote Haare? Sagt Ihr jedermann: Du bist ein Kamel! wenn er sich wie ein Kamel gebärdet? Das im allgemeinen über das »die Wahrheit sagen«. Aber noch insbesondere muß ich Euch bemerken, daß die Leute eine gar wunderliche Religion haben, mit gar mancherlei Anhängseln beladen; rührt ihnen nur ein Stück an, so wackelt entweder das Ganze oder sie verketzern Euch. Gerade so hatten es auch die Juden, und Christus ließ das sein, wohl wissend, daß alle diese Anhängsel sich von selbst ablösen würden, wenn der Sinn seiner Worte einmal durchdringe. Gerade so ist es mit der Sonne und mit der Erde; das ist auch ein solcher Anhängsel des Glaubens. Habt Ihr ihnen einmal einen vernünftigen Glauben festgestellt, dann fallen solche Dinge von selbst weg; aber das müßt Ihr zuerst thun und nicht mit dem Wegnehmen anfangen. Übrigens, wenn Ihr den Nutzen dieser Lehre für diese Leute, und den Schaden, den sie diesen Leuten und besonders Euch diesen Augenblick bringt, abwägt, so wißt Ihr bald, woran Ihr seid. Gerade so ist es auch mit der Natur und der Lehre von den Naturkräften. Wollt Ihr die abgesondert von der Lehre von Gott geben, so werdet Ihr, Ihr möget das hier machen, wie Ihr wollt, gelten für einen Heiden, einen Gottesleugner.

»Ein Stück des Glaubens ist auch, daß der liebe Gott den Blitz, wie der Mensch einen Stein, in der Hand habe und ihn schleudere auf den, der ihn geleugnet oder gelästert. Das ist allerdings richtig, der Blitz ist in Gottes Hand, d. h. der Blitz wird von Gott regiert; er fährt, wohin Gott will, wie das Sandkorn, das vom Meeresstrand der Wind emporhebt, wie der Stein, der des Knaben Hand entflicht. Aber das Sein des Blitzes in Gottes Hand, so wie der Ausdruck: Hand Gottes, das sind bildliche Ausdrücke.

»Da saß einmal ein Schulmeister an einer Gräbd wohlgemut und unterhielt die langsam kauenden Leute mit seiner Weisheit. Es wurde erzählt unter anderem, daß irgend ein ruchloser Statthalter von Gott durch einen Blitz erschossen worden sei. Dem Schulmeister ward wohl, daß er da wieder leuchten konnte in seiner Weisheit. Er legte sich hinten an, legte seine Hand auf den Tisch und die Gabel gradauf in derselben, wie ein Scepter, und sagte: Gott erschieße niemand mit einem Blitz; die Blitze kämen nur aus den Wolken und nicht aus dem Himmel. Er entwickelte nun scharfsinnig die Theorie des Blitzes, wie er durch Reibung zweier Wolken entstünde und dahin führe, wo der Wind angfähr ihn hintreibe. So wie der Schulmeister in seiner Entwicklung vorrückte, rückten die Leute von ihm weg, und als er fertig war, eilten die meisten fort in bedenklicher Angst, Gott möchte solche vermessene Reden mit einem Blitz ins Haus züchtigen.

»Der Schulmeister, der sich so unerwartet allein sah, begann endlich zu merken, was er angerichtet habe; aber er begriff seine Dummheit nicht, sondern hielt über die dummen Leute dummerweise sich auf. Er begriff nicht den frommen Glauben der Leute, die Gottes Leitung alles unmittelbar zuschreiben. Als die Gelehrten nach und nach die verschiedenen Prozesse in der Natur entdeckten, entdeckten, daß nicht alles unmittelbar von Golt komme, so wurden auch sie verwirrt und ungläubig. Der fromme Glaube fand sich aber bald zurecht. Er gab recht gerne zu, daß das Reiben der Wolken den Blitz erzeuge, daß der Windzug ihn führe; aber er behauptete, daß Gott auch der Wolken und der Winde Herr sei, daß die Wolken sich entladen, die Winde wehen müssen nach seinem Willen, daß er also denn doch auch den Blitz regiere als wie mit seiner Hand. So hoch hatte aber jener Schulmeister sich nicht erhoben; darum verurteilte ihn, und mit Recht, der fromme Glaube seiner Zuhörer; und so wird es gegenwärtig jedem auf dem Lande gehen, der die Natur und ihre Wunder für sich apart und ohne Gott nach ihren natürlichen Ursachen erklären will.«

Während dem Erzählen war meine Frau eingetreten, um zu sehen, wo ich bleibe, und hatte recht andächtig zugehört bis ans Ende. Ich hatte ein Leichengebet gehabt und war erst kurz vor Anfang der Schule heimgekommen, so daß ich nicht recht essen konnte. Es war nicht meine Sitte, allemal bei einem Leichenbegleit die Schule zu versäumen. Deswegen hatte mir mein Fraueli ein Kaffee gemacht und fürchtete, es möchte kalten. Der Pfarrer merkte es nun auch und gab ihm gar freundlich die Hand und ließ die nicht gleich los, wie es sonst der Brauch ist, sondern behielt sie und betrachtete sie auf allen Seiten. Da wurde Mädeli ganz rot und wollte sie wegziehen. Aber er sagte, sie solle sich nur nicht schämen; er habe allemal eine rechte Freude, wenn er ihr die Hand geben könne. Man sehe ihrer Hand die Arbeit gar gut an und daß sie dieselbe nicht schone; aber sie sei allemal so blank und sauber und appetitlich, daß er ein recht Ergötzen daran hätte. Er wollte, es hätten alle Schulmeisters-Frauen solche; dann wären auch viele Schulmeisters-Kinder sauberer und mancher Schulmeister kein Sauniggel mehr. Wasser sei im Kanton Bern überall wohlfeil, und in der Hoffart der Säuberlichkeit sollte ein Schulmeister mit allem, was ihm angehöre, vorangehen, in keiner sonst. Darauf frug er, was es hergebracht? und Mädeli mußte es endlich sagen. Da sagte er, wenn er wüßte, daß sie auch ein Kacheli für ihn hätte, so nähmte er auch eins. Da wurde Mädeli wieder rot und es gab ein langes Märten zwischen dem Pfarrer und ihm, weil es für den Pfarrer apartigen machen wollte, da es Schigore nicht gespart hatte. Allein der Pfarrer wurde Meister und trank mit uns von meinem Kaffee, während Mädeli noch immer Entschuldigungen machte, daß wir nur rauhes Brot hätten und altes und dann noch gar keinen Zucker. Aber der Pfarrer ließ ihm aus diesem gar nichts gehen, sondern rühmte es, daß es mich dünkte, er könnte afe hören. Um diesem ein Ende zu machen, begann ich unser früher Gespräch fortzusetzen und meinte, man könnte also doch füglich Naturlehre lehren, aber immer in Bezug auf Gott.

»Ja, Schulmeister, das kann man« sagte er, »aber man muß dann seines Gegenstandes Meister sein und ihn wirklich mit frommem Sinn aufgefaßt haben. So wie aber viele Schulmeister diese Fächer kennen, können sie dieses nicht; sie haben etwas von der Natur gelernt und etwas von Gott, aber von beiden nicht genug, daß sie dieselben verbinden können; und wenn sie es auch auf den Stundenplan thun, so geben sie die einzelnen Brocken wieder von sich, wie sie sie geschluckt haben. Expreß, Schulmeister, habe ich euch, da mir über das Lehren dieser neumodischen Fächer geklagt wurde, zwei Briefe mitgebracht, die ich von zwei Freunden erhalten, mit Müsterlein, wie diese Fächer gelehrt werden, wenn man sie erzwingen will. Soll ich sie euch lesen?«

Ich hatte das verdammt ungern vor Mädeli; denn die hatte schon mit mir deswegen disputiert; allein was sollte ich anders als Ja sagen?

»Nun, Schulmeister, so höret das Erste; es passet gerade Hieher. In einer Schule, wo auf dem Stundenplan folgende Fächer, außer den gewöhnlichen, angeschrieben standen: Seelenlehre, Geographie, Naturgeschichte, Naturlehre in Bezug auf Religion, Schweizergeschichte, Linearzeichnung und Formenlehre, wünschte der Schulkommissär einiges aus der Naturlehre in Bezug auf Religion zu hören. Der Schulmeister fragte: ob er gleich die Naturgeschichte damit verbinden solle? »Wird mich sehr interessieren,« antwortete mein Freund. Der Schulmeister langte ein geschriebenes Heft hervor, warf einige Blicke in dasselbe und begann:

»Lehrer: Derjenige, der sich mit Naturkörpern abgibt und sich Kenntnis darin erwirbt, wie heißt man das Fach?

Kinder: Naturlehre.

L.: Was behandelt dann die Naturgeschichte?

K.: Mehrere: Die unorganischen Wesen; Andere: Nein, die organischen! Noch Andere: die Zoologie.

L.: Richtig! die Zoologie, oder die Geschichte der Tiere, wozu man einigermaßen auch die Pflanzen rechnen kann, da sie auch Leben haben. Was ist Natur?

K.: Alle Geschöpfe der Erde.

L.: Kann man nicht anders sagen, als Geschöpfe?

K.: Wesen.

L.: Ja, Wesen, oder auch Kör...

K.: Körper.

L.: Ganz recht, Körper! Nun sagt mir, Kinder! in welcher Natur befinden sich alle Körper?

K.: In Gottes Natur.

L.,: Gut! Und worin befindet sich jeder Körper in Gottes Natur? Nun! wer weiß es? In einem Zu...

K.: In einem Zustande.

L.: Wie lange befindet sich der Körper in einem Zustande?

K.: Bis ein anderer darauf fällt.

L.: Ja, oder bis eine Veränderung mit ihm vorgeht. Wie heißen wir nun diese Veränderungen? Er Er.. Erschei...

K.: Erscheinungen.

L.: Nichtig! Und weil sie in der Natur vorfallen? Naturerschei...

K.: Naturerscheinungen.

L.: Als z. B. im Herbst eine starke Röte über die Berge war, glaubten die Leute schon, das bedeute Krieg. Das ist Aberglauben. Eben das war eine Naturerscheinung, ein Nordlicht. – Um sich nun einen Begriff der Tiere zu machen, teilt man sie in ähnliche Klassen, und zwar vorerst nach ihrem Blut in drei Klassen. Wie heißen sie?

K.: Mit rotem warmem, rotem kaltem und weißem klebrichtem Blut.

L.: In die erste Klasse gehören die Säu...

K.: Die Säugetiere und Vögel.

L.: In die zweite die Fi...

K.: Die Fische und Amphibien.

L.: In die dritte die In...

K.: Die Insekten und Würmer.

L.: Wie habe ich den Insekten noch anders gesagt? Glie...

K.: Gliedertiere.

L.: Nennet mir einige; z. B. die Kellerguege, die um u-n-um Schicht het. Und aus der Raupe, was gibt es für ein Insekt? Eine Pup, Pup...

K.: Eine Puppe.

L.: Wie habe ich euch nun gesagt, daß man die Säugetiere abteile?

K.: In zweihändige.

L.: Dahin gehört der Affe, der am meisten Ähnlichkeit mit dem Menschen hat; denn er hat Einbildungskraft, Phantasie und noch andere Seelenkräfte. Wer kann mir noch sagen, wie man die Seelenkräfte der Menschen einteilt?

K.: Erkenntnisvermögen, Gefühlsvermögen und Willensvermögen.

L.: Wißt ihr, wo die Affen zu Hause sind? In Af...

K.: In Afrika.

L,: Ja, im heißen Afrika. Da gibt es deren, die so groß sind, wie einer von euch Buben. Die heißen Orang Utang. Man braucht sie dort als Knechte und Jungfrauen.«

Wir hatten einigemal gelacht, und am Schlusse meinte meine Frau: da habe sie allerdings nicht viel von Religion gehört, sondern nur vieles untereinander, von dem sie nicht viel begriffen hätte.

»Das sind eben so Brocken, krausi mausi durcheinander, die der Lehrer aufgeschnappt hat, die das Kind nun auch schlucken muß, ein unverdaulich, ja ein recht verderblich Zeug, weil es ganz falsche Begriffe erweckt, sagte der Pfarrer. »Gerade dieses thut besonders die zweite Geschichte, die mir ein anderer Freund schrieb.

Auch der kam in eine Schule, wo allerlei Schönes auf dem Stundenplan stand, unter andern Fächern auch die Verfassungslehre. Er wünschte von dieser etwas zu hören. Lehrer: Chinder, was isch e Vrfassig? He, was isch e Vrfassig? was ha-n-i ech gseit? Du Mädeli, du Stüdeli! He, we-n-e Schriftsteller es Buech z'sämetreyt, wie seyt me de? Er heng e'Z Buech vr... vrfass...

Kinder: Vrfasset.

L.: Ja, Chinder: vrfasset, also wüsset dr jetz, was e Vrfassig ist. U na dr Vrfassig si verschiedeni Rät, di z'bifehle hey, dene me folge söll. Wie heiße die Rät? Er... Erz... Erzieh...

K.: Erziehungsrat.

L.: Mi cha-n-ihm o Chircherat säge, we me will, u de git's no meh Rät, e Baurat u-n-e Chriegsrat. Aber weles sy die oberiste Rät? Dr chl...

K.: Dr chli Rat.

L.: U dr groß ...

K.: U dr groß Rat.

L.: Warum seyt me dem einte chli, dem andere groß Rat?

K.: Wil im große meh sy als im chline.

L.: Recht, will im große meh sy als im chline. Aber wele het meh z'bifehle, dr groß oder dr chli?

K.: Dr chli.

L.: Ja, recht! dr chli, da het alle-n-angere z'bifehle. Aber chönnet dr mr säge, wer ist dr Öberist vo alle dene Räte? Dr Sch... Schulth...

K.: Dr Schultheß.

L.: Ja, dr Schultheß, da isch dr Oberist vo-n-Allne. Aber mr sy hie nit alleini i dr Schwyz, es sy no angeri drin, wie seyt me dene? Ka... Kant...

K.: Kantön.

L.: Ja, Kantön. U die hey o-n-e Rat z'säme, wie seyt me de dem Nat? Tag... Tagbs...

K.: Tagbsatzig.

L.: Recht, Chinder! Tagbsatzig. U we de Tagbsatzig z'säme chunt, wer isch de dr Oberist vo dene? Dr Lan... Land...

K.: Dr Landjäger.

L.: Nei, Chinder! wie cheut dr o nume-n-öppis so Dumms säge? Der Landamme ist dr Oberist de vo Allne.

Hier war die Verfassungslehre aus und ich wollte dem Lehrer (so schrieb der Freund) vorstellen, daß er eine unrichtige Verfassung lehre. Aber er antwortete: seine Bauren wollten es gerade so. Da bemerkte ich ihm, daß, wenn er eine Verfassung lehren wolle, er die, welche existiere, vordemonstrieren müsse. Aber er sagte, seine Bauren sagten: man wisse nicht, ob die gegenwärtige z'Jakobstag noch sei, und da hätten die Kinder dann vergebene Mühe gehabt.

Da ich dem Mann nicht begreiflich machen konnte, daß die Mühe noch viel vergebener sei, wenn er die Kinder eine Verfassung lehre, die nicht existiere und kaum je existieren werde, so verbot ich ihm einstweilen dieses Fach, auf die Erwartung hin, daß er mich verklage; denn zum Verbieten habe ich gar keine Kompetenz; im Innern seiner Schule ist jeder Schulmeister bis dato souverän.»

Das war uns wohl komisch vorgekommen; aber mir fiel schwer aufs Herz, daß der Pfarrer damit meine, ich solle die neuen Fächer bleiben lassen, und sagte daher: »Aber, Herr Pfarrer, es wäre doch gut, wenn die Kinder etwas davon wüßten.« »Allerdings, Schulmeister; aber wenn ihr den Kindern auf dem Standpunkt, wo jetzt eure Schule steht, alles beibringen wollt, was gut wäre, so würdet ihr nicht fertig bis z'Niemerlistag. Alles hat seine Grenze, also auch eine Primarschule, auch hier heißt's: bis dahin und nicht weiters! Wollt ihr weiters, so wird euch die Schule bald aussehen wie jene Fahne, welche ein Schneider aus seinen gestohlenen Blähen zusammensetzte. Für das weitere sollten die Sekundärschulen da sein, wenn man nämlich zu sagen beliebt, für was die da sein sollen. Und will man die Primarschulen weiter ausdehnen, so muß man eine ganz andere Ordnung in den Schulbesuch bringen, dessen Beaufsichtigung an vielen Orten grenzenlos nachlässig gehandhabt wird. Zuletzt werden die Kinder vor lauter Gelehrsamkeit gar nichts mehr können, vor lauter z. B. Sprachlehre keinen Brief mehr schreiben. Die fangt man an mit der gleichen Unvernunft zu treiben, wie sonst das Fragenbuch. Ja, noch viel unverständlicher sind den Kindern viele sogenannte Definitionen in der Sprachlehre, als die Fragen. Die Herren, die solche Sprachlehren schreiben, denken halt nur an sich und nicht an die Kinder, für die sie zu schreiben vorgeben.«

»Aber, Herr Pfarrer, wenn ich die Fächer nicht lehre, so bezahlen mich meine Gytiwyler nicht dafür, und für eine arme Gemeinde, die vom Staat dafür entschädigt wird, kann man sie nicht ausgeben.« »Dafür,« antwortete er mir, »laßt das Erziehungs-Departement sorgen; es hat das Gesetz gemacht, es mag zusehen, wie es dasselbe handhabt; entweder muß es beharren oder muß in das Zeichen des Krebses. Möglich, daß das Zurücknehmen auch an ihns kömmt, ärger als an die große Schulkommission. Das wäre die Nemesis.« – Was aber das war, wußte ich nicht, und' zu fragen schickte sich mir nicht.


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