Johannes Freumbichler
Philomena Ellenhub
Johannes Freumbichler

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Vertreibung aus dem Paradiese

Am anderen Morgen war ein nässelndes Wetter; solche Tage sind bei den Bauern halbe Feiertage. Man tut jetzt einen Schritt und dann einen Schritt, hier einen Griff, dort einen, und Hände und Füße werden immer nur so viel gerührt, daß das äußere Bild des Werktags gewahrt bleibt. An solchen Tagen waren die vier Stubenwände mit dem grünen Kachelofen, der breiten Bank, den vergitterten Fenstern, mit dem Tisch auf gedrechselten, gespreizten Füßen und dem schwebenden Heiligen Geist darüber ein wahres Paradies. Man spielte Ritter und Räuber; Pferdekotzen, Holzstücke, eine alte Pistole, noch aus der Schwedenzeit, ein Öllicht, dessen Döchtlein auf einer Ölschicht in einer ramponierten Kaffeeschale schwamm und das Lagerfeuer vorstellte, bildete das Räubernest; das Höllbadl, der Raum zwischen Ofen und Stiegenwand, die Felsenschlucht mit der Ritterburg, und die Soph die geraubte Prinzessin. Sie nahmen ihr die Habseligkeiten und den Schmuck ab, nämlich Strickkörbchen und Zopfband, fesselten sie, bedrohten sie mit dem Tod und stießen sie endlich in einen finsteren Kerker hinab, nämlich in das Holzloch unter der Ofenbank. Dies machten sie so naturgetreu, daß die Soph zu weinen anfing und die Mena Einhalt und Strafe forderte. Aber der Ähnl sagte: »Mein Gott, strafen? – Sind schon hart genug gestraft! Werden alle in die Welt hinausgestoßen!«

Die Mena senkte nachdenklich den Kopf; auch im Räuberlager wurde es still, und vom Kerker herauf kam kein Laut mehr. Dafür trat Jörgei geräuschlos in die Stubenmitte und sagte: »Mena, werd ich auch hinausgestoßen in die Welt?«

Menas Gesicht zitterte verlegen; sie hätte um keinen Preis sagen wollen, was in diesen Minuten sie innerlich bewegte. »Aber nein!« meinte sie schnell und zwang sich, harmlos zu erscheinen, obgleich ihr dünkte, als ob eben ein nachtschwarzer Vogel durch den Raum gehuscht wäre. Sie redete laut und stellte den Geschwistern, fast überstürzt, verschiedene Ergötzungen in Aussicht. In der lässigen Zeit, da würde es lustig werden! Sie tanzten schon jetzt, im 49 Gedanken daran, vor Freude im Kreis. Sie waren wie Zunder; beim allerkleinsten Funken fingen sie Feuer. Vielleicht gab es in der Welt, die ihnen schon so viele Wunder gebracht, noch mehrere solcher köstlicher Zeiten und Dinge, die den Alltag unterbrachen und würzten, damit er nicht langweilig wurde. Überdies griff die Mena zu einem Mittel, das sie in der letzten Zeit öfter angewendet, zum Spinnen, und die Kinder fühlten wohl, was Tieferes damit angedeutet werden sollte; die Mutter, oder wenigstens ein Hauch der Mutter, lebte dabei unter ihnen. Und wie die Mena die Mutter, so spielte der Ähnl den Vater, knurrte bald dies, bald jenes an, schneuzte ihnen die Nasen und hatte immer eine kleine Belehrung an der Hand. »Das müßt ihr euch merken!« schloß er stets. »Geht schon nach hinten in euer Plützerl.«

Merkwürdig war auch, daß das Brigei, obwohl die Kleinste, diejenige war, die von der besonderen Lage auf Ellenhub etwas begriff. Sobald die kopfhängerische Stimmung sich bemerkbar machte, steckte sie ein koboldartiges Wesen heraus, um den Geschwistern etwaige traurige Gedanken zu vertreiben. Mager wie ein Windspiel und ebenso gelenkig und wild, kam sie, als Hexe vermummt, auf einem Besenstiel hereingeritten, spielte auf dem Fotzhobel mit einer unglaublichen Fertigkeit, schleppte endlich, als ihre verschiedenen Nummern erschöpft, die Familienwiege aus der Rumpelkammer herüber, schaukelte sich darin, daß die Bretter krachten, und sang:

»Hutsche, heia,
Schlaf, du kleiner Schreia . . .«

Diese Wiege war ein uraltes Hausgerät, man konnte wohl sagen, ein heiliges: Sie hatte mehrere Generationen kleiner Ellenhuber aus dem weichen, schaukelnden Mutterschoß in die eckige, holperige Welt hineingewiegt. Sie war aus gutem Holz; denn wo immer die Ellenhuber etwas machten oder machen ließen, sollte es womöglich von unbegrenzter Dauer sein. Je mehr es versprach, noch Kindern und Kindeskindern zu dienen, desto mehr Freude hatten sie dran.

Doch da geschah auf einmal etwas Unerwartetes. Paul nahm an dem Übermut der Geschwister keinerlei Anteil und saß mit einer überlegenen Miene abseits. Vielleicht war ihm schon seine zukünftige Wichtigkeit in den Kopf gestiegen, hatte er begriffen, welch 50 ein bevorzugtes Los ihm zuteil wurde; vielleicht auch bemitleidete er die Geschwister ob ihrer harten Zukunft und verachtete sie alle bereits ein wenig, kurz, mochte es was immer sein, er hob plötzlich die Wiege hoch und trug sie, als wäre sie ein federleichtes Ding, hinaus.

Es gab Protest und verdrießliche Mienen; die Mena mußte eine neue Abwechslung erfinden. Sie tat selbst mit und tanzte mit den Geschwistern Ringelreihen.

»Draußen schrein die Geier;
Reiß ma eah ein Föderl aus,
Machn schnell ein Pölsterl draus.
Hutsche, heia,
Schlaf, du kleine Maus!«

In dies Spiel hinein rief das Brigei, das immer zu kleinen Bosheiten aufgelegt war: »Der Klaubauf!« Und die Kinder erschraken so sehr, daß sie auseinanderstoben.

Der Mensch, der in die Stube trat, war unglaublich hager, nichts als Haut und Knochen; auf den ersten Anblick hin ein wahrer Klaubauf, geeignet, nicht nur kleine Kinder zu erschrecken. Er trug einen derben, frisch im Wald geschnittenen Knüttel und blinzelte vergnüglich. Es stellte sich heraus, daß es ein weitschichtiger Verwandter war, der Rechenmacher-Ruppert. »Kommt, gebt dem Vetter die Hand! – Und du, Mena, bring Most und Butter!« sagte der Ähnl ermunternd.

Der Ruppert beaugenscheinte schmunzelnd die Kinder, die aus ihren Schlupfwinkeln hervorkamen, und sprach mit Appetit der reichlichen Bewirtung zu. Seine Augen gingen wägend von einem zum andern, mit allerlei spaßhaften Bemerkungen, sichtlich bestrebt, sie bei guter Laune zu erhalten. Und da er noch eins hinterm Ofen krabbeln hörte, reckte er sich auf und rief: »Und du, kleines Menscherl, warum willst du nicht auch deinen Vetter begrüßen?«

»Ich mag nicht«, rief das Brigei und verkroch sich noch tiefer in den Kotzen. Der Mensch, und sogar das vernunftlose Tier, sie ahnen es immer, wenn die Schicksalsstunde naht; sie sind durch jene Fäden, die alle Dinge verbinden, mir dem Urall und seinen 51 Gesetzen verbunden, den Fäden Gottes, jenem Gespinst, tausendmal geheimnisvoller als der elektrische Strom, der Fernsprecher und die Eisenbahn.

Auch der Ähnl versuchte, sie herauszukommandieren, aber umsonst. Und plötzlich bekam seine Stimme einen harten, fremden Klang: »Also, Vettermann, welches willst du dann haben? – Die Mena und die Lena sind ausgenommen.«

Der Ähnl reimte gewöhnlich nur bei lustigen Anlässen. Sie stutzten auch sofort, als sie seine weitere Rede vernahmen, daß die Kinder möglichst früh, ohne Zögern und ohne Wehleidigkeit, zur Arbeit angehalten werden müßten.

Ruppert wiegte den Kopf und wiederholte mehrmals: »Dasselbig ist richtig! Ist ganz richtig!«

»Freilich«, fuhr der Ähnl fort, »die meisten Leute nennen das Arbeit, was gar keine ist. Das biblische Kennzeichen fehlt: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dir dein Brot verdienen!«

Der Besucher war mit den Ohren bei der Rede des Biblischen Bauern, mit den Augen aber fortlaufend bei den Kindern. Er war in keinem Zweifel darüber, daß man bei jeder Wahl im Leben, ob klein oder groß, mit geruhiger Vorsicht entscheiden mußte; war es eine Kuh, ein Ferkel oder nur ein Geiselstecken, den man kaufte, immer versuchte der Kontrahent, sich einen Überprofit und dazu noch einen kleinen Triumph zu verschaffen.

Endlich sagte er mit einer lächelnden Grimasse: »Wie heißt denn du, mein Bübl? – Jörgei? – So, so! – Na, Jörgei, möchtest du nicht ein lustiger Rechenmacher werden?«

Dem Jörgei ging es jetzt offensichtlich schlecht; viele Augen waren neugierig auf ihn gerichtet, ein Ereignis, das er zum erstenmal in seinem Leben erfuhr. Er sagte daher auch nicht ja und nicht nein, und wie hätte er auch in seiner Weltunkenntnis wählen können? – Hilflos und verlegen blickte er um sich, bis es endlich, wie ein schmerzlicher Ruf, aus seiner Brust kam: »Ähnl, redet Ihr für mich!«

Aber auch dem Ähnl schien etwas die Stimme verschlagen zu haben.

Dafür wurde der Rechenmacher um so gesprächiger. Er pries ausführlich seinen Wohnsitz, sein Handwerk und zog dabei ein Gesicht, als ob er Honig schleckte. »Ja, mein lieber Jörgei, mein 52 Häusl, das ist ein feines Häusl! Mitten im Dorf; zur Kirch, zum Kramer, zum Metzger, zum Wirt haben wir nur einen Katzensprung! – Und ein Vogelhaus hab ich, so groß wie der Tisch da, und da singen und springen die Zeisig, die Finken und die Schwarzblattl drin, daß es eine Freud ist! Und einen Gimpel hab ich, der hat ein rotes Halstüchl, aber schon brennrot, und pfeifen kann er, hui! Und im Winter, wenn der Ofen geheizt ist, spielt mein Theater: der Schneider schneidert, der Knecht hackt Holz, der Schmied schmiedet, das Roß zieht den Göpel, das Kalb trinkt an den Zitzen und die Gäns' schwimmen auf dem See, ganz großartig halt!«

Der Ruppert brach in ein rauhes Gelächter aus und wandte sich dem Ähnl zu. Beide Männer sahen sich ernst und vielsagend ins Gesicht und nickten schweigend, wie Menschen, die viel wissen und längst des Lebens Höhen und Tiefen kennengelernt haben.

Der Jörgei staunte, und die Geschwister staunten auch, daß es so lustige Dinge in der Welt gab, wovon sie bisher in der Ellenhuberischen Einöde keine Spur gesehen hatten. Und der Jörgei blieb in dieser heiteren Erwartung auch dann noch, als die Mena schon seine Habseligkeiten brachte und ihr selber zumut war, als ob sie keinen Odem mehr bekäme. Der Ähnl schoppte seinem Enkel die beiden Hosensäcke mit Apfelsinen und Klötzen voll und steckte ihm in die innere Rocktasche ein blaues Büchel. »Zweihundert Gulden, Konventionsmünz, sind ihm darin gutgeschrieben«, sagte er. »Wenn du sparst, Jörgei, kannst du einmal ein reicher Mann werden.«

Der Ähnl und der Ruppert lachten. Aber der Jörgei achtete kaum darauf; er hatte nur das Theater mit dem saugenden Kalb und den schwimmenden Gänsen vor den Augen, und die Geschwister, obgleich sie insgeheim bereits verspürten, daß sich hier ein ganz anderes Theater vorbereitete, förderten, wie auf geheime Verabredung, seine fröhliche Stimmung und taten ihm, den sie sonst oft nicht wenig gezaust, allerlei Liebeswerk.

Als er schon sein Bündel in der Hand hielt, zog der Ähnl ihn zwischen seine Knie. »Also, Jörgei«, sagte er, »jetzt heißt's ein tapferes Bürschlein sein, wie sie es alle gewesen sind, die von Ellenhub! Und das mußt du dir gut merken, wie's geschrieben steht in der heiligen Bibel: ›Mancher ist reich und hat doch nichts; mancher ist arm und hat großen Reichtum!‹ Das ist die Wahrheit! Und wenn du dann einmal zu mir auf Besuch kommst, wirst du mir erzählen, weißt 53 schon, von demselbigen kuriosen Theater, wo der Schmied schmiedet und der Schneider schneidert, und sonst alles, was du Merkwürdiges in der großen Welt draußen gesehen hast.« Und dann zu Ruppert gewandt: »Laß es halt dem armen Waiselbuben nicht gar zu hart ankommen, gelt?« Er stand auf und legte die für einen Bauernschlag etwas zu zarte Hand des Jörgei in die braune, erdhafte des weitschichtigen Vetters, tunkte die Finger tief in den blechernen Weihkessel neben der Tür, besprengte seinen Enkelbuben und machte mit dem Daumen, sorgsam genau über Stirn, Mund und Brust, das Zeichen des Kreuzes. »Behüt dich Gott!« sagte er. »Bleib recht gesund und laß bald von dir hören.«

Bei dieser feierlichen Bekreuzigung durchrieselte den kleinen Abschiedsnehmer ein Schauer; aber selbst verwundert über diese Kuriosität, faßte er sich sogleich und rief mit fester Stimme: »Behüt dich Gott auch, Ähnl!« Er empfand keinerlei Angst. Ein großer Stolz berauschte ihn. Er hatte vor den Geschwistern, vor den Nachbarkindern, vor dem Weiler und der ganzen Gemeinde etwas voraus: er war ein Held . . .

Auch der Ruppert richtete sich auf; er stieß aber dabei mit dem Kopf an den Dippelbaum und bückte sich rasch. Seine alten Beine krachten, als ob man dürres Holz bräche. »Ellenhuber«, sagte er, »du kannst dich unbesorgt schlafen legen!« mit einer Miene, als wollte er einen Eid leisten.

Der Jörgei ging ruhigen Schrittes neben dem Rechenmacher-Ruppert den Anger hinab, von den Geschwistern begleitet, während der Ähnl, der Paul und die Mena unter dem Eingang stehenblieben und ihnen nachsahen.

Die Mena erinnerte sich, wie man vor ein paar Tagen, beim allerschönsten Sonnenschein, ein Kalb geholt, und wie das junge Tier so überaus drollig bald links, bald rechts in die blumige Wiese hineingesprungen war, nicht ahnend, was ihm in einer knappen Stunde bevorstand: der Halsschnitt des Metzgers. Es war ihr, als ob alles, was auf und um Ellenhub lebte, ja selbst die Bäume und Steine, in ein einziges Jammergeschrei ausbrechen müßten, das alle Erden und alle Himmel durchdrang. Zugleich fing es in ihr zu stoßen und glucksen an. Sie dachte: Nur nicht sehen lassen! Ging schnell in ihre Kammer und warf sich hier aufs Bett. Sie weinte, und zum erstenmal wie ein Mensch weint, den das Unglück niedergeschlagen hat. 54 Sie weinte ganz von innen heraus, und ihre Tränen waren keine Kindertränen mehr, sondern ganz andere, viel bitterer und salziger; und sie merkte an diesem Unterschied sogleich, daß damit der eigentliche Menschenweg begann, insonderheit der Menschenweg einer armen Bauernwaise. Aber je stärker diese Tränen flossen, desto leichter wurde ihr zumute.

Tränen sind, der Weisheit aller Professoren zum Trotz, noch immer eine rätselhafte Flüssigkeit. Sie kommen aus den rehbraunen, himmelblauen und kohlschwarzen Augen, die dann noch tiefer glänzen und deren Feuer noch edler leuchtet, laufen anfangs einzeln, dann zu zweien und zu dreien in die Wimpern, über die Wangen, tropfen auf die gerungenen Hände, auf die perkalenen Werktags- und seidenen Sonntagsschürzen. Ihr Quell scheint Körper und Seele zu erneuern. Daher in späteren Jahren, wo er fehlt, mancher Mensch erkrankt; sogar ganze Nationen können von dieser Verstocktheit erfaßt werden und so nicht mehr zur Schönheit und zur Erlösung gelangen.

Bei der Mena muß dieser Gesundbrunnen jedenfalls sehr ergiebig geflossen sein, denn sie brachte die nächsten Wochen taktfest hinter sich.

Der Vorgang, wie er sich beim Jüngsten abgespielt, wiederholte sich nämlich ein halbdutzendmal. Immer wieder tauchte ein Mannsbild oder ein Weibsbild auf, weitschichtige Vettern und Basen, die man nie gesehen und kaum einmal von ihnen gehört hatte. Jedesmal traten die üblichen kleinen Lügen und Versprechungen, das Sparkassebuch und das blaue oder rote Bündel in Tätigkeit, wie eben die Schneuztücher aus dem väterlichen Kasten hervorgingen. Die Ohren hingen meist ziemlich lang und trübselig herab, wie es nicht anders sein konnte, wenn die ohnehin karge Ausstattung zweier Bauersleute auf neun Kinder verteilt werden sollte. Die Mena begleitete jedes ins Dorf, kaufte Süßigkeiten, verweilte ein paar Minuten beim Elterngrab, und wenn sie dann zum Ort hinausschritten, sahen sie jedesmal, wie auf Kommando, gegen die Mauerstelle zurück, wo sie eben gebetet hatten. Diese Mauerstelle, oder besser gesagt, das frisch lackierte, schwarze Eisenkreuz und das holzgefaßte Erdbett darunter, worauf schon Raute und Rosmarin dufteten, sandte eine Woge aus, die das Geschwisterpaar gleichsam durchschlug. Die Dorfleute sahen ihnen nach und sagten: 55 »Wer hätt das gedacht? So brave Leut! Und so schnell fort müssen aus der Welt!« Aber damit war ihr Mitgefühl so ziemlich erschöpft; jedes von ihnen hatte genug mit sich selber zu tun und wurde tüchtig durchgemahlen in der Mühle Gottes.

Das letzte Kind, das so von Ellenhub fortging, war die Soph, und dieser Gang war der schwerste. Die Soph war so bleich und so seltsam, und wenn die Mena einen verstohlenen Blick auf sie warf, preßte ihr eine unbestimmte Bangigkeit die Brust zusammen. Sie kaufte ihr daher das Doppelte an Näscherei und winkte ihr zum Abschied noch lange mit der Hand. Dann setzte sie sich auf einen Grenzstein, und plötzlich fiel ihr ein Gedanke aufs Herz: nie mehr!

Allen hatte man gesagt, daß sie bald wieder heimkommen würden, und nun begriff sie erst, daß, im eigentlichen Wortsinn, dies niemals mehr stattfinden konnte. Eine große Angst bemächtigte sich ihrer; das Herz bebte und ihre Knie zitterten . . .

Es war in dieser Zeit ein Tag schöner als der andere, und auch heute war es wunderbar. Der Himmel seidenblau, in seiner Kristallglocke zogen die Schwalben ihre Kreise, darunter die Pflüger ihre Furchen ins braune Ackerland. Auf späten, sonnabseitigen Feldern schritten Ährenleserinnen, und ihre farbigen Kopftücher leuchteten. Und von dieser Landschaft, die so ruhig vor ihr lag, und nach bestimmten Gesetzen wie ein gewaltiges, einheitsvolles Lebewesen atmete, ging wiederum eine Woge aus, eine andere, die jene erste dunkle verdrängte: die Sonne, die Feldblumen, die Quellen und den sanften kühlen Wind wirst du immer haben . . . Sie sind auch so etwas wie Vater und Mutter . . . Und diese Stimme konnte keine Selbsttäuschung sein: denn, was war die Natur ringsum anders als der wahre Vater und die wahre Mutter, ihr, den Geschwistern, allen Menschen, wahrhaft väterlich und wahrhaft mütterlich, voll Sonnenschein und Himmelstau, Süße und Blumenduft, und wieder voll Härte und Erbarmungslosigkeit.

Vom Dorf führte eine Bauernstraße, endlich ein Feldweg gegen Ellenhub, den die Mena seit ihrer frühesten Kindheit oft gegangen und der stets wie ein magisches Band auf sie gewirkt hatte. Dieser Weg war für sie immer das gewesen, was die Worte besagen: Heiliges Land, zieh aus deine Schuhe! – In unglaublichen Windungen schlängelte er sich hinan, um nur ja keine Handbreit zu zertreten, zwischen Äckern, Stoppelfeldern, Klee, Hanf und Flachs, durch 56 Gehölze, mit vertraulichen Wiedehopfen und großen, farbigen Schmetterlingen. Diese heimatliche Landschaft wirkte heute auf Menas Auge wie ein rätselhaftes Bild, und sie tat etwas, das sie bisher in ihrem Leben nie getan: sie bestaunte dieses Bild, guckte, die Augen weit offen, wie ein Mensch, der bisher blind gewesen ist . . .

Wie sie sich dem Hof näherte, erschrak sie: Ihr schien, als ob aus dem Stall ein Summen und Brummen käme, das sie sich nicht zu erklären wußte; und auch der Ähnl machte eine Miene, die sie an ihm kannte: Er war fraglos im Begriff, ihr etwas Ernstes mitzuteilen. Wie immer in solchen Fällen, brannte er zuerst umständlich seine Pfeife an, paffte Tabakswolken aus, und ihnen folgten biblische Sprüche, wie sie ihm so ins Gedächtnis kamen. – »Ein verständig Herz sucht Weisheit; der Mund der Toren aber hat Gefallen an der Torheit. Hat es der Arme auch jeden Tag schlimm, so ist doch ein glücklich Herz ein dauerndes Freudenmal.« Und wiederum redete er: »Ja, ja, so ist's in der Welt: Wer's Glück hat, bei dem kälbern die Pflasterstein. Und: leicht nehmen ist eine Kunst, und wer's kann, der tragt auf sein Buckl, was ein anders nicht fahrt auf einem vierspannigen Wagen. Ja, du! – Jetzt kommt das Fortgehen an dich, Mena! Wird dir nicht leicht fallen. Aber du bist allweil ein tapferes Dirndl gewesen. Die Haginghoferin nimmt dich . . . Ja, und dann: ein Besuch ist gekommen, ein Besuch, der bleibt!«

Dieser Besuch, eine weitschichtige Verwandte, die Hartinger Base, war gekommen, um dem Bruder Paul bis zu seiner Heirat die Wirtschaft zu führen. Sie hatte, allem Zureden entgegen, in der Abwesenheit Menas sich durchaus nicht in der Stube breitmachen wollen, damit es nicht schiene, als würde durch sie das letzte Kind aus dem Haus verdrängt. Sie saß mit dem Spinnrad, das sie sich mitgenommen, im Stall. Die Mena ging hinaus, begrüßte die Gastin, eine ältliche, streng aussehende Person, und trug ihr das Spinnrad in die Stube. Man sah gleich, das war wieder eine Ellenhuberische! Sie glich, wie alle seine Weiber, einer Bruthenne, besonders in ihrem starknasigen Gesicht, ihrem breiten Becken, ihrem geruhsamen Gang und der festen, sicheren Mütterlichkeit, die ihr ganzes Wesen ausströmte.

Jetzt wurde es auch bei der Mena ernst. Und es war ihr lieb so; sie hätte es als ein Unrecht empfunden, wenn ihr nicht das gleiche Los wie den Geschwistern zuteil geworden wäre. Aber wenn sie sich 57 auch geduldig ins Unvermeidliche fügte, kam sie beim Vorrichten ihrer Habseligkeiten trotzdem wiederum in eine nachdenkliche Stimmung: der Lärm der Geschwister fehlte. Was mochten sie jetzt tun? Und warum mußten sie überhaupt alle fort? – Um eine Arbeit zu lernen? Um sich ihr Brot zu verdienen? – Und sie kam auf Haging? – Die Ellenhuber und die Haginghofer waren verwandt, aber das durfte nicht lautwerden; es war viel zu weitschichtig. Wenn man nur jemand fragen könnte! – Eine große Bedrücktheit bemächtigte sich ihrer. Sie nahm ihr Strickzeug und setzte sich vors Haus. Hier saß sie eine Weile, ganz niedergeschlagen und jammervoll. Ohne Frage, der Ellenhuberische Stammbaum fieberte etwas; es ging ihm nah ans Leben, allzu viele schöne und kräftige Reiser hatte man ihm in den letzten Monaten ausgerissen, um sie in eine neue Erde, nämlich auf den Friedhof, und in eine neue Luft, nämlich in die verschiedenen Dienstorte, zu verpflanzen.

Schritte auf der Straße schreckten sie aus ihrem Brüten. Unter den Obstbäumen gewahrte sie ein paar schnappende Stiefel, die in lässiger Stetigkeit vorwärtsstrebten, als wollten sie ohne jede Übereilung das sonnenbeschienene Wegband mit den faustgroßen Steinen in sich hineinschlucken. Der Mensch, dem sie angehörten, wurde noch durch das Laub verdeckt, aber da hier in der Pfarre der Leute und Dinge wenige waren, konnte sie die Stiefel gleich anrufen: »Wohin denn so eilig, Hies?«

Die Stiefel schwankten ins Grün; vor der Mena stand ein windschiefes Männlein, in einem rot gestöckelten Janker, einem spitzen Filzhütchen und einem übermäßig großen Buch unter der Achsel. »Grad nur so spazieren!« sagte eine dünne, unmännliche Stimme, vor der die Mena Widerwillen empfand. Es setzte sich, in gehörigem Abstand, und legte das Buch mit Behutsamkeit neben sich auf die Bank. Beide schwiegen eine Weile und sahen in den Abend hinaus. Die Mena beobachtete verstohlen ihren Zaungast. Sein starres Gesicht, insbesondere die Augen, die unnatürlich weit offenstanden, als ob sie einmal, in längst vergangenen Zeiten, irgendwo ein Wunder erblickt und davon nicht mehr hätten loskommen können. Unheimlich war auch das Buch, in rothölzerne Deckel gebunden. Gewiß, es mußte auch solche Käuze geben, obgleich ihr in diesem Augenblick im tiefsten Innern mehr als je die Bauern und das Bauernvolk als die eigentlichen und richtigen Menschen erschienen. 58

Sie fragte: »Sind in dem Buch da Geschichten zu lesen?«

Der Hies schüttelte den Kopf und lächelte ein schamhaftes Lächeln. »Lieder«, sagte er, »lauter Lieder, die ich selber hineingeschrieben hab.«

»Dann ist's also wahr«, forschte sie neugierig weiter, »daß man dir nur etwas ansagen darf, und im Handumdrehn hast du ein Gedicht fertig?«

Wiederum lächelte der Hies. »Nicht alleweil! Manchmal macht's mir eine große Plag! Ja, da kann einer auch schwitzen, nicht nur beim Kornschneiden.«

Sie lachte. »Nein, aber nein, daß sie dir nur so einfallen!«

»Ich hör sie, wenn ich so im Schatten lieg und sinnier«, sagte er. »Ich hör sie und schreib sie schleunigst auf. Ich muß sie schleunigst aufschreiben, weil ich sie sonst am nächsten Tag wieder vergessen hab!«

Die Mena schüttelte in aufrichtiger Verwunderung den Kopf, und wieder schwiegen beide. Über die Tannengehölze legten sich grauschwarze Schleier, und die Stimmen der Natur fingen an, laut hervorzutreten.

»Hörst du«, wispelte der seltsame Besucher, »jetzt heben die Vögel ihr Nachtgebet an. Das ist ein Zeisig.« Er beschrieb mit ebenso leisen Worten die Art und Weise dieses Sängers. »Das Zeiserl hat jeder Mensch gern, weil es allen Freude macht; der Mensch liebt nur das, was ihm Nutzen oder Lustbarkeit bringt. Eine Bachstelz, da!« Einem Wasserchen entlang, das die Abendröte widerspiegelte, hüpfte ein Vögelchen, dessen Anblick entzückte. Man konnte sich nicht leicht etwas Zierlicheres und Niedlicheres denken. »Ein Gimpel!« Dieser pfiff fast über ihren Köpfen ein Lied, und so fein, wie eben nur ein Gimpel pfeifen kann, und der Hies beschrieb wiederum sein Wesen. Der Mena war, als ob sie bisher keine Vögel gesehen und gehört hätte; doch als sie davon reden wollte, legte der Gast den Finger an den Mund: Aus den Obstbäumen kam ein Gesang, so wunderschön, daß der Mena der Atem stockte, wohl zu dem Zweck, damit die Töne in ihrer ganzen Reinheit ins Innere gelangen konnten: es war eine Nachtigall . . .

Mit einem leisen »Gute Nacht!« gingen nach einigen Minuten die Mena und das Männlein auseinander. Ihr war jetzt, als ob ihr Unglück gar nicht so groß sein konnte. Ein bittersüßes Gefühl 59 durchdrang mit einemmal ihr Herz: Wehmut! Aus Weh und Mut ist dies Wort gebraut, aus jenem Weh, woran die Menschheit seit je gelitten hat und noch leidet, und aus jenem Mut, der wie ein Zaubertrank all dieses Weh immer wieder überwunden. Denn die Gottnatur sorgt überall vor, sie hat für alle Schmerzen, die ihr und ihren Kindern, also auch und vornehmlich den Menschen, zustoßen können, einen Balsam bereit, den der Wehbetroffene nur zu wirken lassen braucht und der sicher hilft, wird er nicht in Trotz und Unverstand zurückgestoßen.

Der letzte Tag daheim! – Die Mena schlüpfte in die Kleider, nahm ihr Strickkörbchen, ihr Gebetbuch, und da sie keine Arbeit mehr zu tun brauchte, ging sie ins Freie. Im Gehen suchte sie das Totenbildchen der Mutter hervor. Auf der einen Seite war das Bildnis des Heilands mit der Dornenkrone, darunter die Worte: »Herr, gib mir Ruhe für meine Seele!« Und dann: »Gleich wie der Hirsch verlangt nach Wasserquellen, also verlangt meine Seele nach dir . . .«

Sie legte das Buch wieder zurück und schritt eine schmale Erdfalte hin, die beiderseits mit beweglichen Teppichen belegt war; die Matten aus Korn, Klee, Hanf und Flachs hoben und senkten sich im Winde und führten, von Sonnenlicht und Wolkenschatten getroffen, ein köstliches Farbenspiel auf. Inmitten dieses Farbenspiels öffnete sich wiederum eine kleine Welt für sich, ein weißleuchtender Kalkbruch.

Und am Rand dieses Kalkbruchs, auf einer Rasenzunge, lag ein Mensch und las in einer Zeitung, die er vor sich ausgebreitet hatte. Daneben war, auf einer Steinplatte aufgeschichtet, ein gewaltiger Stoß Zeitungen, in der Mitte durch ein Farnkraut abgeteilt. Innerhalb des Kalkbruchs, der die Natur ringsum so schnöde vergewaltigte, hatte die Schöpfung sich eine neue schöne Welt angelegt; zwischen jeder Spalte, auf jedem Häuflein Erde, auf jedem Fels sproßte und grünte es, und besonders Blumen, die man auf den Wiesen selten oder nie sah, entfalteten hier ihre prächtigen Blüten. Knapp an der Kalkwand leuchtete ein Wassertümpel. Dieser Steinbruch glich, wenigstens in den Augen der Mena, einer verzauberten Riesenhöhle, mit gleißenden Wänden, farbigen Blumenflecken und einer blauen Decke darüber.

Der Zeitungsleser hob den Kopf und sagte: »Grüß Gott, Mena! 60 Kommst ein wenig auf Besuch zu mir? – Brauchst dich nicht zu fürchten; ich hab noch keinem Menschen den Kopf abgebissen.«

Die Mena zog eine betrübte Miene. »Ich bin heut das letztemal daheim«, sagte sie. »Morgen muß ich endgültig fort! Ich komm auf Haging.« Sie erinnerte sich sehr wohl, wie der Vater öfters, besonders an stürmischen Winterabenden, gesagt: Himmellaudon, wie mag's bei so einem Wetter der Ewig-Gerechtigkeit zumut sein? – Und wieder, daß man erzählte, der Peter finge kleine Kinder und würfe sie in die dampfende Kalkpfanne.

Sie betrachtete daher etwas verlegen den wunderlichen Heiligen. Er trug einen alten Salonrock, den er vom Pfarrer geschenkt erhalten, eine Pepitahose, unten weit geschweift, die früher die bräuherrlichen Beine geziert, und ausgetretene Stiefeletten gleicher Herkunft. Es war gewiß auffällig, daß die Ewig-Gerechtigkeit, die dem Namen nach zu schließen doch immerhin eine respektable Persönlichkeit sein mußte, ihren edlen Körper mit abgelegten Kleidern bedeckte und ihre Residenz ausgerechnet in einem Kalkbruch aufschlug; dies kam jedoch daher, weil das Kalkbrennen ihr eine gewisse, freilich nur halbe Existenz bot, während die andere Hälfte, wiederum geteilt, durch Annahme von Geschenken und eine oft Wochen währende Abwesenheit von der Gemeinde aufgebracht werden mußte. Auch ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, daß sie eben, in den bösen Zeitläufen, wie sie gerade waren, zwischen Krieg und Revolution, keinen besseren Ort und keine bessere Existenz hatte zu finden vermocht. Peter deutete das Schweigen in seiner Weise.

»Ja, meine Liebe«, sagte er teilnahmsvoll, »jetzt mußt du also auch hinaus in die Welt? – Das ist schwer? Aber dessentwegen brauchst du durchaus nicht zu verzagen. Und keins von euch soll den Pauli beneiden, weil er den Hof bekommt: Die ewig Gerechtigkeit stellt alles wieder ins gleiche.«

Die Mena mußte ein aufsteigendes Lachen verbeißen; es gab in der Gemeinde nur wenige, die wußten, wie er wirklich hieß. Die kleine Bosheit war allweg ihre Atzung, wie das liebe, tägliche Brot. »Peter«, sagte sie, »was bist du doch für ein glücklicher Mensch! Kannst dein Lebtag in deinem Kalkbruch bleiben.«

»Das bin ich!« lachte er. »Bin ich durchaus, wenn nicht auch grad deswegen, weil ich mein Lebtag hier im Kalkbruch hausen darf. 61 Nicht umsonst sag ich mir jeden Tag in der Früh: Mensch, bedenk es, schön ist das Leben!« Er sprang auf, seine Füße machten Tanzbewegungen; er pfiff einen Ländler und klatschte sich auf die Knie. Die schwarzen Flügel des pfarrherrlichen Rockes flogen wie gespenstische Vögel über die Flecken der weißen Buschwindröschen; die bräuherrlichen Stiefeletten knarrten, als wollten sie aus dem Leim gehen, und zertraten das zitternde Rispengras und den Sauerampfer, der hier in großen Büschen wuchs. Die Mena bekam, von dieser närrischen Lustbarkeit angesteckt, einen Lachanfall, der nicht mehr aufhören wollte. »Daß du gar so gut aufgelegt sein kannst!« rief sie. »Lebst doch so mutterseelenallein in deinem Steinbruch!«

»Eben deswegen! – Die Leut meinen, ich sei ein Narr, aber ich sag: sie sind Narren! Ich lach sie alle aus. – Also, auf Haging kommst du? – Hm! Ja, mein Gott und Herr, das ist ja schon völlig eine neue Welt! Soviel ich gehört hab, soll der Haginghofer ein ziemlicher Protz sein. Der muß immer das Riesenmäßigste auf seinem Hof haben: die beste Kuh, den größten Ochsen, die schwerste Sau, den bissigsten Hund und den stärksten Knecht von neun Pfarreien. Und die Haginghoferin, die soll die stolzeste Bäuerin in der ganzen Gemeinde sein! Aber was red ich? – Frag euren Achaz; der war Roßknecht dort.«

Die Mena dünkte es sonderbar, daß sie dem Roßknecht Achaz die ganze Zeit über keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Der Mensch ist schon einmal so, daß er nur für das Sinn und Blick hat, was in der Richtung seiner Wünsche und Begierden liegt. Und so wurde die Mena, da das Schicksal sie in die Hechel nahm, wißbegierig.

Sie fand den Achaz schlafend in der Strohöse, einer Lage, die sie, eindringlicher Belehrung zufolge, früher dem Vater und jetzt dem Paul hätte zu melden gehabt. »Was gibt's?« fragte er unwirsch.

»Gar nichts!« versicherte sie. »Du warst Knecht auf Haging? Was sind dort für Leut?«

Achaz gähnte. »Nicht so laut!« sagte er. »Der Bräunl schlaft. Ein Roß darf man nicht im Schlaf stören. Auf Haging? – Sind lauter Seeseitige, fein, viele neumodisch! Die Bäuerin ist eine Gute, aber der Bauer ist ein Hund; der mißt den Hafer mit dem Viertelmaß vor!«

Pauls Ruf scheuchte beide auseinander: »Lauberheigen! Lauberheigen!« 62

»Doch erst morgen!« sagte die Mena.

Aber da klang die brüderliche Stimme ganz verändert: »Anschaffen tu jetzt ich!«

Der Mena war plötzlich höchst eigentümlich zumut, so, als ob sie nun mehr zum armen Knecht Achaz als zum Großbauern Paul gehörte . . . 63

 


 << zurück weiter >>