Joseph Smith Fletcher
Der Amaranthklub
Joseph Smith Fletcher

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Neunundzwanzigstes Kapitel.

King tritt auf den Plan.

An dem Abend, da Hilda, zum erstenmal in ihrem Leben in Ängsten, bei Barthelemy Zuflucht suchte, saßen Lydia und Banister King in dessen Wohnung in der Jermynstraße. Lydia hatte einen Augenblick vorgesprochen, ehe sie in ihr Theater ging. Und da ihre Rolle mehr ihre hübschen Beine in Anspruch nahm als ihre Stimme, so trank sie grünen Chartreuse und rauchte türkische Zigaretten, während King aus einer großen Pfeife qualmte und seinen Gast wohlwollend durch die Rauchwolken ansah.

»Natürlich möchte ich wissen«, bemerkte die Sängerin gerade, »wann die Sache zum Klappen kommt.«

»Warum denn?« fragte King.

»Weil ich mich dann vorher drücke. Geschieht etwas, dann hat Barthelemy unweigerlich mich im Verdacht, und auch dich, mein Sohn. Und ich nehme an, daß mit Barthelemy nicht zu spaßen ist, wenn er ein Schießeisen in der Hand hat.«

»Mag sein, Lydia. Aber ich bin da, wenn die Sache zum Klappen kommt. Denkst du, ich will das nicht miterleben?«

»Ich bin dann gern ein paar Meilen entfernt. Und ich würde keine Minute mehr schlafen, wenn ich wüßte, Barthelemy wäre auf freiem Fuß. Deshalb muß ich Bescheid haben, wenn es losgeht. Weißt du es nicht, Bannie?«

»Nicht genau. Es ist alles vorbereitet, aber diese Polizeimenschen verfolgen ihre besonderen Methoden. Und ich sehe nicht ein, wo die Gefahr für uns liegen soll.«

»Aber ich sehe es ein. Barthelemy ist ein heller Kopf, und sobald er belästigt wird, ist er auch schon im Bilde, woher das kommt. Er wird auf dich und mich verfallen. Daher werde ich zu dem gegebenen Zeitpunkt ein Stück Wegs zwischen mich und London legen. Und ich werde keine Ruhe haben, bis ich weiß, daß Barthelemy sicher hinter Schloß und Riegel sitzt. Du mußt darum den Polizisten sagen, sie möchten dir beizeiten Nachricht geben, weil deiner Freundin sonst die Nerven verlorengehen.«

»Mit Chartreuse und Zigaretten bekommst du sie wieder«, bemerkte King. »Ich fürchte, sie werden sich unseretwegen nicht beeilen. Auf jeden Fall –«

In dem Augenblick meldete sich Kings Telephon. Als er aus dem Nebenzimmer zurückkam, machte er ein erstauntes Gesicht.

»Es war Scotland Yard«, sagte er. »Ich soll sofort in einer höchst wichtigen Angelegenheit hinkommen. Ich glaube, ich glaube, Lydia, es geht so langsam los.«

Fräulein Linkinshaw legte die Zigarette fort und drückte die Hand auf die Stelle, wo sie ihr Herz vermutete.

»Erbarmung, Bannie«, rief sie, »nun kommt es so plötzlich. Wie soll ich aber erfahren, ob es wirklich heute abend losgeht?«

»Ich werde dich im Theater anläuten. Sollte ich nicht Gelegenheit haben –«

»Ehe ich nicht Bescheid weiß, laß ich mich im Klub nicht sehen«, sagte Lydia bestimmt.

»Gewiß nicht. Habe ich bis elf nicht angeläutet, so fahre hier vorbei, wenn du aus dem Theater kommst. Siehst du Licht oben, so komme herauf. Aber nun los.«

In Scotland Yard wurde King in einen Raum geführt, der ihm schon vertraut von verschiedenen Besuchen her war, und von einem Beamten begrüßt, den er nicht minder kannte.

»Ich glaube, Mr. King, es ist so weit, daß wir zupacken können. Es hat neue Enthüllungen gegeben.«

»Tatsächlich?«

»Und höchst seltsame. Wir können uns auf Sie verlassen. Gleich werden Sie in das Nebenzimmer treten. Dort finden Sie unsern Chef, den Sie ja schon kennen, und einen gewissen Herrn –«

Hier flüsterte der Beamte ihm etwas ins Ohr.

»Nicht möglich«, rief King. »Was hat denn der damit zu tun?«

»Mehr, als Sie einstweilen denken. Er kennt Ihre Geschichte, möchte Sie aber noch einiges fragen. Kommen Sie.«

King folgte dem anderen in das angrenzende Zimmer. Dort saßen zwei Herren am Tisch. Der eine war der Polizeichef, mit dem King schon wiederholt gesprochen hatte. Der andere war der hohe Herr, der noch kurz zuvor Hilda Tressingham ins Kreuzverhör genommen hatte.

»Mr. Banister King«, murmelte der Beamte.

Der Minister verbeugte sich höflich, musterte Kings seltsame Erscheinung interessiert und nötigte ihn auf einen Stuhl neben sich.

»Sie haben die Freundlichkeit gehabt, Mr. King, wertvolle Informationen über den sogenannten Amaranthklub zu geben?«

»Jawohl.«

»Sie wissen über ihn und die Nachbargrundstücke gut Bescheid?«

»Ganz recht.«

»Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie mir das Ergebnis Ihrer Beobachtungen mitteilten.«

»Gern. Der Amaranthklub ist eine exklusive Gesellschaft, dessen Mitglieder den besten Gesellschaftsklassen angehören. Daneben gibt es einen intimen Zirkel von Spielern. Sie kommen in Barthelemys Haus nebenan zusammen. Ein geheimer Weg führt vom Klubhaus –«

»Können Sie den Weg beschreiben?«

»Ist schon geschehen«, sagte der Polizeichef. »Unsere Leute wissen ganz genau Bescheid.«

Der Minister nickte, und King fuhr fort:

»Manche von den Spielern gehen schon vor zwei durch den Klubausgang nach Hause. Viele aber bleiben die ganze Nacht über dort und benutzen das medizinische Bad nebenan, um unauffällig hinauszukommen.«

Der Minister zeigte ein wachsendes Interesse.

»Und es wird sehr hoch gespielt?« fragte er.

»Das kommt darauf an. Manchmal hoch, manchmal auch nicht. In der Regel geht es verhältnismäßig solide zu. Jedenfalls steht fest, daß Barthelemy ein gutes Geschäft dabei macht. Es kommen nur reiche Leute hin, und nur solche, die etwas springen lassen.«

»Sie haben nicht viel verloren?«

»Im Gegenteil«, sagte King lächelnd, »ich habe Tausende von Pfunden gewonnen. Ich habe jeden Pfennig notiert und alles wohltätigen Stiftungen zukommen lassen.«

Der Minister lachte.

»Famos. Nun zu den Leuten, die dort verkehren. Sie kennen sie alle?«

»Vom Ansehen alle, viele auch mit Namen.«

»Nun eine spezielle Frage. Haben Sie dort jemals Frau Tressingham getroffen, die Schwester von Lord Hartsdale?«

»Oft.«

»Kennen Sie einen Herrn namens Garnier als Klubmitglied?«

»Freilich. Er ist Franzose und steckt scheinbar mit Barthelemy unter einer Decke.«

»Ist es Ihnen aufgefallen, daß er mit Frau Tressingham besonders befreundet zu sein scheint?«

»Allerdings. Gewöhnlich essen sie im Klub zusammen. Ich habe auch oft beobachtet, daß sie in Barthelemys Haus miteinander vertraulich sprachen. Sicher sind sie eng befreundet.«

Der hohe Herr sah den Polizeichef an.

»Ich glaube, wir sind auf der richtigen Spur«, sagte er. »Sie müssen sofort zupacken.«

Dann wandte er sich mit gnädigem Lächeln und einer höflichen Verbeugung an King, was dieser als Zeichen der Entlassung aufnahm.

»Ich danke Ihnen verbindlichst, Mr. King«, sagte er. »Unser Gespräch war natürlich streng vertraulich. Darf ich mir die vielleicht unbescheidene Frage erlauben, was Sie dazu bewog, in den Spielklub einzutreten?«

Nach kurzem Zögern sagte King:

»Ich habe Grund zu der Annahme, daß einer meiner Freunde durch Barthelemy zu Tode gebracht worden ist. Um dahinter zu kommen, trat ich in den Klub ein.«

»Und Sie rechnen damit, dahinter zu kommen?«

»Ich nehme an, sobald die Polizei mit den angedeuteten Maßnahmen beginnt.«

Der Minister lächelte und nickte, und der Beamte, der King hineingeführt hatte, brachte ihn auch wieder hinaus. Dort deutete er auf einen Stuhl.

»Setzen Sie sich und warten Sie einen Augenblick«, sagte er. »Wenn ich zurückkomme, werde ich Ihnen sagen können, wann wir zum Schlage ausholen.«

 


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