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Achtunddreissigstes Kapitel.

Räthseldichtung. Tatwine. Eusebius. Bonifatius.

Das Beispiel, das Aldhelm mit seinem Räthselbuche gegeben, trieb seine Landsleute zur Nacheiferung an, und um so eher, als sie offenbar eine besondere Neigung und Begabung für diese Spiele des Witzes und der Phantasie besassen, mit welchen sie gewiss schon frühe die Unterhaltung beim Mahle und Gelage würzten. So fand denn Aldhelm unter seinen jüngeren Zeitgenossen nicht weniger als drei, welche seinem Vorgange folgten, sämtlich durch Gelehrsamkeit ausgezeichnete Männer, die zugleich eine hohe Stellung in der Kirche einnahmen. Die beiden ersten schliessen sich unmittelbarer an Aldhelms Räthseldichtung an und stehen auch mit der ihrigen unter einander in einer näheren Beziehung. Es sind Tatwine und Eusebius, während der dritte, jüngere, kein geringerer als der berühmte Bonifatius Ueber die Schreibung des Namens mit t statt mit c s. Will in den histor. polit. Blättern 1876 und im Jahrb. der Görres-Gesellsch. Bd. 1, p. 253 ff., auch in dieser Dichtung eine eigenthümlichere Stelle einnimmt, wie er auch noch 651 in anderer Hinsicht von allgemeiner literarhistorischer Bedeutung ist.

Tatwine S. meine Ausg. in meinem Aufsatz: Die Räthselpoesie der Angelsachsen (s. oben S. 630, Anm. 2). – – Hahn, Die Räthseldichter Tatwin und Eusebius, in: Forschungen zur deutsch. Gesch. Bd. XXVI, S. 597 ff., aus Mercien, Presbyter des Klosters Briudun (Breodone in Worcestershire), wurde, ausgezeichnet durch Frömmigkeit und wissenschaftliche Bildung – hat er doch eine Grammatik im Anschluss an die des Donat verfasst –, im Jahre 731 Erzbischof von Canterbury und später selbst canonisirt. Er starb bereits 734. Seine Dichtung enthält nur 40 Räthsel, von denen eins aus 12, ein anderes aus 7, sieben aus 6, zweiundzwanzig aus 5, neun nur aus 4 Hexametern bestehn. In Betreff der Mehrzahl der von ihm behandelten Gegenstände schliesst er sich an Aldhelm wie Symphosius an, die er beide gekannt und auch hier und da benutzt hat. Eigenthümlich ist ihm dagegen die Vorliebe für kirchliche und religiöse Gegenstände – und somit auch für Abstracta –, die in grösserer Zahl als bei Aldhelm die Aufgabe seiner Räthsel bilden, wie die Glocke (7), der Altar (8), das Kreuz (9), das Recitabulum (10), die Patene (12), und andrerseits die christlichen Tugenden (2, 14, 24 f.), das Böse (21), der dreifache Tod (23), die vierfache Bibelerklärung (3). Wie in den letzteren Räthseln der Theolog und Dogmatiker, und als solcher selbst der Schüler Augustins, sich zu erkennen gibt, so in andern ( De philosophia [1], De litteris [4], De praepositionibus utriusque casus [16]) der Schulmann und Grammatiker. Es tritt also, und dies ist auch ein eigenthümlicher Zug der Räthselsammlung Tatwine's, in ihr die Persönlichkeit des Autors weit bedeutender hervor, als in der seines Vorgängers, geschweige in der des Symphosius. Die Art der Behandlung der zu errathenden Objecte ist dagegen eine gleiche, wie denn dieselben auch hier personificirt sich selbst schildern. Doch ist die Schilderung hier nüchterner und trockner als bei Aldhelm. Noch sei bemerkt, dass das Werkchen Tatwine's zwei Hexameter einleiten und vier abschliessen, von welchen die ersteren (wie die letzteren dem Leser verrathen) aus den Anfangs- und Endbuchstaben der 40 Räthsel, deren Zahl also sicher festgestellt wird Was freilich auch schon durch den ersten Hexameter: sub deno quater haec diverse enigmata torquens geschieht., gebildet sind.

652 Eusebius S. meine Ausg. in meinem Aufsatz: Die Räthselpoesie u. s. w. – – Hahn a. a. O. oben S. 651 Anm. 1. ist, wie nach Hahns Untersuchungen nicht wohl zu bezweifeln Hahn a. a. O. S. 614 ff. und derselbe, Bonifaz und Lul, S. 213 ff., niemand anders als Hwaetberht, der gelehrte Freund des Beda, dem dieser nicht nur seinen Commentar zur Apocalypse gewidmet, sondern auch sein Werk De ratione temporum zur Durchsicht vorgelegt hat. Hwaetberht war aber seit 716 Abt von Wearmouth: seiner Frömmigkeit verdankte er nach Beda den Klosternamen Eusebius. Er stand auch mit Bonifatius in Beziehung, der an ihn ein Schreiben gerichtet hat. Er lebte mindestens bis in die vierziger Jahre des achten Jahrhunderts. 60 Räthsel zählt seine Sammlung; davon sind sechsundvierzig in 4, drei in 5, fünf in 6, zwei in 7, eins in 8, zwei in 9, und eins in 13 Hexametern verfasst. Eusebius scheint Tatwine benutzt zu haben, ja man möchte fast denken, seine Sammlung sei bestimmt gewesen, die des letztern zu einem Hunderträthselbuch zu erweitern, indem durch die Werke der Vorgänger Symphosius und Aldhelm, von welchen letzterer auch von Eusebius benutzt ist, diese Zahl für solche Sammlungen die einmal geweihte erschienen sei S. meinen Aufsatz S. 27 f.. Obgleich die des Eusebius im allgemeinen inhaltlich wie formell denselben Charakter als die des Tatwine hat, zeigt sie doch, der Individualität des Verfassers, seinen besonderen Studien entsprechend, einige eigenthümliche Züge: so finden sich chronologische Stoffe ( De bissextili [26] sowie De aetate et saltu [29]) und einzelne Buchstaben (a [9], x [14], v [19], i [39]), wobei Abbreviaturen und Siglen berücksichtigt werden, behandelt, dazu eine grosse Zahl von Thieren, namentlich ausländische und auch mythische, wie die Hydra (41), der Drache (42), die Chimaera (52). Die Hauptquelle, aus welcher Eusebius seine Thierräthsel direct schöpfte, waren Isidors Etymologien, wie Hahn im einzelnen nachwies, S. 619 ff., nachdem auch Bücheler, Rhein. Mus. N. F. Bd. 36, S. 341 auf sie hingedeutet. Die Isidor wieder zu Grunde liegenden Stellen des Plinius und Solin sind in den Anmerkungen meiner Ausg. angeführt. Auch in formeller Hinsicht ist ein origineller Zug zu bemerken: die Verbindung von zwei verschiedenen Objecten in demselben Räthsel, so dass sie als Gegensätze sich schildern, wie Wind und Feuer (8), Feuer und Wasser (15), Ungerechtigkeit und 653 Gerechtigkeit (18), Erde und Meer (21), Tod und Leben (24), Demuth und Stolz (27), Tag und Nacht (48) Als Beispiel das zuerst erwähnte:
        Dissimiles sumus et mos non similis tenet ambos:
        Unus contingi patitur nec forte videri,
        Sed prope aspicitur pulcher nec tangitur alter;
        Subvolat unus per celos, stat alter in imis.
. Uebrigens sind Sprache und Vers bei Tatwine und Eusebius incorrecter als bei Aldhelm, und beim zweiten in noch höherem Grade. Noch gehören wohl dieser Zeit und gewiss England ein Dutzend Räthsel an, die, aus dem Kloster Lorsch stammend, in dem Cod. der Vaticana Palatinus 1753 sich finden. Sie sind von Dümmler zuerst in der Zeitschr. f. deutsch. Alterth. N. F. Bd. 10, S. 258 ff., dann in den Poetae lat. aevi Carol. T. I, p. 20 ff. herausgegeben, und von mir selbst auch in der eben erwähnten Zeitschr. Bd. 11, S. 200 ff. behandelt. Sie haben im allgemeinen den Charakter der Aldhelmschen Räthsel, wie denn dieser sowie Tatwine darin sicher benutzt sind, Eusebius höchst wahrscheinlich. Sie sind auch in Hexametern und von verschiedener Verszahl, so eins von 14, ein anderes nur von 2 Zeilen. Die Personification mit Selbstschilderung findet sich nicht in allen, eins (7) ist ein Buchstabenräthsel, Castanea:
        Scribitur octono silvarum grammate lignum;
        Ultima terna simul tuleris si grammata demens,
        Milibus in multis vix postea cernitur una.

Von dieser Art des Räthsels zeigen sich übrigens die Anläufe schon in Eusebius' De Flumine (34).


Bonifatius Eine Reliquie des Apostels der Deutschen. (Grösstentheils unedirtes Gedicht des heil. Bonifacius). Von Bock. In: Freiburger Diöcesanarchiv, Bd. 3. Freiburg 1868. (Hier zuerst die Aenigmata vollständig). – Bonifatii Carmina in: Poetae lat. aevi Carolini ed. Dümmler, T. I, p. 1 ff. Berlin 1881 ( Monum. Germ. hist.). – S. Bonifacii Sermones in: Martène et Durand, Veterum scriptor. et monument. historic. etc. amplissima collectio, Tom. IX. Paris 1733. fol. – Monumenta Moguntina ed. Jaffé, Berlin 1866, enthält die Epistulae des Bonifaz. – Opera, ed. Giles, London 1844. 2 Bde. – – Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands I, S. 309 ff. – Hauck, Kirchengesch. Deutschlands I, S. 410 ff. – Will, Regesten zur Gesch. der Mainzer Erzbischöfe I, pag. II. ff. – Ozanam a. a. O. p. 163 ff., der freilich im thätigen Leben einen ganz andern Ruhm gewonnen und verdient hat, als in der Literatur, der grosse Apostel der Deutschen, hiess ursprünglicher Winfried. Von angesehenem Hause wurde er um das Jahr 680 in England geboren. Er trat in das Kloster Adescancastre, vertauschte dies aber mit dem von Nhutscelle, wo von einem Freunde 654 Aldhelms, dem Abte Winberht die Wissenschaft eine höhere Pflege fand. Bonifatius wurde dort selbst Lehrer und brachte die Schule in grossen Aufschwung. Nachdem er später auch die Presbyterwürde erhalten hatte, ergriff auch ihn, wie schon andere Landsleute vor ihm, der Wunsch, die Heimath zu verlassen und den Heiden auf dem Festland, namentlich den stammverwandten Völkern Germaniens, das Evangelium zu verkünden. Auch er wandte sich, wie seine Vorgänger, im Anfang zu den Friesen (716), aber ohne Erfolg: so wurde er veranlasst, seine Blicke auf Deutschland zu richten. Zu dieser Mission rüstete er sich durch eine Romfahrt (718) aus. Mit Vollmacht von Papst Gregor II. und mit Reliquien versehen, kam er im Jahre darauf zum ersten Male nach Mitteldeutschland, wo er indess zunächst nur das Terrain recognoscirte. Er ging noch einmal auf ein paar Jahre nach Friesland; erst dann beginnt seine epochemachende Thätigkeit bei uns, die bis zu seinem Lebensabend nur durch zwei im Interesse seiner Mission nach Rom unternommene Reisen unterbrochen wurde. Auf diese bedeutende kirchliche Thätigkeit einzugehen, muss uns namentlich an dieser Stelle fern liegen. Hier sei nur bemerkt, dass Bonifatius, nachdem er bereits 722 in Rom zum Bischof geweiht worden, 745 Erzbischof von Mainz wurde. Im hohen Alter aber nahm er noch einmal seine Missionsthätigkeit, und zwar da, wo er sie begonnen, bei den Friesen auf, um dabei den Märtyrertod zu finden. Am Flusse Borne bei Dockum wurde er 755 erschlagen.

Von welcher Bedeutung Bonifatius für die literarische Kultur Deutschlands geworden ist, sowohl durch die Gründung des Klosters Fulda 742, als durch die Berufung so mancher gelehrt gebildeten geistlichen Landsleute, Frauen wie Männer, nach Deutschland, die namentlich an die Spitze von Klöstern als neuen Bildungsstätten traten, haben wir erst in der Fortsetzung dieses Werkes zu betrachten. Im Zusammenhang aber hiermit steht auch ein Theil seiner literarischen Thätigkeit, der nur dadurch von Bedeutung ist. Bonifatius ging auch als Lehrer in der weltlichen Wissenschaft mit seinem Beispiel voran: und so hat er denn auch Schulbücher verfasst, wie das uns noch erhaltene grammatische De octo partibus orationis und ein metrisches, von dem noch ein Fragment geblieben, die freilich als reine Compilationen aus bekannten ältern Werken sich 655 ergeben. S. das erstere Buch bei A. Mai, Classic. auct. Tom. VII, das Fragment im Rhein. Mus. N. F. 23. Bd. S. 403 f., und über ihre Quellen Bursian, Sitzungsber. der Münchener Akad. 1873, S. 457 ff. Ebenso bezeugt seine Correspondenz das Interesse, das er an der Metrik und Poesie nahm, nicht bloss indem er selbst Verse Briefen – so gar einem Schreiben an den Papst – beifügt Die letztern sind sechs Hexameter, womit er die Epist. 42 bei Jaffé (an Papst Zacharias) schliesst. Dagegen endet er einen schon um 717 verfassten Brief an einen Jüngling Nithard Ep. 9. l. l. mit einem Gedicht im ambrosian. Hymnenversmass, dem iambischen Dimeter, der aber hier grossentheils nur rythmisch gebildet ist, dagegen den gepaarten Reim ganz durchgeführt zeigt. Nur ist v. 13 u. 14 zu lesen: apostolorum editus – et prophetarum filius – was wunderbarer Weise Jaffé übersah. In diesem Gedicht findet sich auch der Name des Adressaten als Acrostichon eingefügt., sondern indem auch andere, Nonnen und Mönche, sie an ihn richten, und ihn dabei selbst um Verbesserungen bitten. S. über seine Correspondenten Hahn, Bonifaz und Lul. So wusste er den Sinn für ästhetische Kultur, in so beschränkten Grenzen dies auch sein mochte, mitten in der eifrigsten und schwierigsten Berufsthätigkeit unter einem noch ganz uncivilisirten Volke in sich selbst wach zu erhalten und bei andern zu verbreiten.

Schon aus diesem kulturgeschichtlichen Gesichtspunkt erscheint auch die uns überlieferte Räthseldichtung des Bonifatius beachtenswerth. Es sind der Aenigmata zwanzig in (Hexametern), die zugleich Acrosticha sind, indem sie in den Anfangsbuchstaben der Verse die Auflösung des Räthsels enthalten. Diese Aenigmata bilden aber ein zusammenhängendes Ganze; sie stellen nämlich zehn Haupttugenden und zehn Hauptlaster dar, und geht ihnen eine gemeinsame Widmung an eine ›Schwester‹ (in zwanzig Hexametern) voraus, worin die Tugenden mit den goldnen Aepfeln des Lebensbaumes – des Kreuzes Christi –, die Laster mit den bittern des Tod bringenden Pestbaumes, von dem einst Adam ass, verglichen werden. Die Tugenden sind, indem ich die Reihenfolge einhalte, caritas, fides catholica, spes, iustitia, veritas, misericordia, patientia, pax vere christiana, humilitas christiana, virginitas; die Laster dagegen: cupiditas, superbia, crapula gulae, ebrietas, luxoria, invidia, ignorantia, vana gloria Im Acrostichon ist das identische iactantia hinzugefügt., neglegentia, iracundia . Die Zusammenstellung ist 656 in mancher Beziehung eine eigenthümliche: so weisen, wie auch schon Bock andeutete, die ignorantia , worunter hier die Unkenntniss Gottes zu verstehen ist, und die besondere Anführung der ebrietas neben der crapula auf die missionäre Thätigkeit des Angelsachsen hin. Der bei seinem eignen Volke wie bei den Deutschen die Trunksucht als ein nationales Laster fand. So schreibt er in einer Epistel (70) an den Erzbischof von Canterbury, Cuthbert: Hoc (sc. ebrietas) enim malum speciale est paganorum et nostrae gentis. Hoc nec Franci nec Galli nec Longobardi nec Romani nec Graeci faciunt. Bei Jaffé a. a. O. p. 210. – Dass die Räthseldichtung in Deutschland verfasst ist, ergibt sich wohl aus v. 323, wie schon Dümmler bemerkt hat.

Die Tugenden und Laster, personificirt, charakterisiren sich selbst, in ähnlicher Weise wie die Thiere und selbst Gegenstände in den älteren Aenigmata, die Charakteristik ist aber nirgends bedeutend Der letzte Abschnitt von Aldhelms De laudibus virg., welchem der besondere Titel De octo princip. vitiis gegeben ist, findet sich von Bonifaz benutzt.; die Ausführung steif und unbeholfen, dies zeigt sich schon darin, dass so häufig dieselben Versanfangsworte, das Acrostichon zu bilden, wiederkehren, z. B. aureus, nisus, ruricola, tetricus, vires; das erste Wort zugleich mit aurum wenigstens in acht Acrostichen! Und doch hatte sich Bonifaz die Arbeit dadurch erleichtert, dass er das Acrostichon häufig nicht auf den Namen allein sich beschränken lässt, sondern, das Gedicht zu erweitern, noch ein ait, dicit und dergl. hinzufügt, mitunter sogar noch eine Anzahl Verse, die gar nicht acrostichisch sind Und doch keineswegs interpolirt, wie wenigstens das Aenigma ›Cupiditas‹ zeigt., und in denen sich dann allerdings ein freierer Fluss der Rede findet. So zählt das Ganze 388 Hexameter, während die einzelnen Stücke von verschiedener Grösse sind. Nur durch die poetische Form ist das Werkchen literargeschichtlich von Interesse: hier hat die Räthseldichtung der Angelsachsen einen rein christlichen, ja theologischen Charakter; zugleich ist auch die Angabe der Auflösung vermittelst des Acrostichon eigenthümlich. Die Spielerei des Acrostichon, der wir bei Aldhelm in den Widmungen schon begegneten, und die auch bei Tatwine in einem Falle sich findet, sieht man, ist recht zur Mode geworden, wozu die Angelsachsen ihr Stabreim wohl auch leichter verführen musste. Uebrigens findet 657 sich die Alliteration in den Aenigmata des Bonifaz weit weniger durchgeführt und auffallend als bei Aldhelm. Die Dichtung scheint nach Bocks Untersuchungen der Aebtissin von Bischofsheim, Lioba, gewidmet zu sein, welchem Namen vielleicht zu Gefallen das erste Aenigma Caritas ein eigenthümliches Doppelacrostichon ist. Zwei › caritas‹ verflechten sich, sodass, abgesehen von den drei letzten Versen, deren Anfangsbuchstaben ›ait‹ ergeben, die Anfangsbuchstaben die folgenden sind: c sa ar ti it ra as c. Die Vorliebe des Bonifaz für solche metrische Kunststücke bezeugt in noch höherem Grade ein von Laubmann gefundenes und zuerst von ihm in den Sitzungsber. der Münchener Akad. philos. philol. Cl. 1878 publicirtes acrostichisches Bildergedicht. S. dasselbe auch in Dümmlers Ausg. der Carmina p. 16 f.

Von prosaischen Schriften sind uns unter Bonifatius' Namen, ausser Episteln, 15 Sermone erhalten, deren Authentie Rettberg nicht bezweifelt. Auch ich finde nichts, was gegen dieselbe, wohl aber manches, was für sie spricht. Es sind Predigten, die an schon Bekehrte, aber, wie es scheint, noch nicht lange Getaufte, gehalten sind: es wird gegen das Heidenthum an einzelnen Stellen noch energisch polemisirt; und das angegriffene zeigt in der Art, wie es geschildert wird, die Züge des germanischen, wenn auch solche, die zugleich dem keltischen eigen waren. Aber für einen germanischen Zuhörerkreis spricht insbesondere die mehrfach wiederkehrende Bekämpfung der ebrietas , zumal im Hinblick auf die oben S. 656, Anm. 1 angeführte Stelle. So heisst es Sermo 11: ebrietatem velut inferni foveam fugite; und Sermo 6 wird unter den › capitalia peccata‹ die ebrietas aufgeführt. Dies stimmt im Hinblick auf die Aenigmata auch für die Authentie. Rettberg a. a. O. I, S. 408 hebt dafür noch hervor, dass in den Sermonen der ›Kampf gegen die im Volke noch fortwuchernden Paganien – – fast mit denselben Worten geführt werde, wie auf den Synoden des Bonifaz‹. Die Predigten sind in einem einfachen, klaren, wenn auch nicht ganz correcten Stile verfasst, aber ihrem Gehalt nach wenig bedeutend. – Viel werthvoller sind die Episteln, die bekanntlich eine sehr wichtige historische Quelle bilden. Sie sind theils officieller, theils privater Natur, doch wiegen die erstern sehr vor den letzteren vor. Diese, die uns allein hier näher angehen, bieten manche kulturgeschichtlich interessante Seiten dar: namentlich sehen wir, zumal wenn wir auch die an Bonifaz gerichteten Briefe, die mit den seinigen erhalten sind, in den Kreis der Betrachtung ziehen, welchen 658 Antheil bereits ausgezeichnete Frauen der Angelsachsen an der gelehrten Bildung derselben hatten, wie wir dies auch schon in Aldhelms Werken zu beobachten Gelegenheit fanden. In einzelnen Briefen dieser Nonnen und Aebtissinnen begegnen wir auch dem blumigen Stile Aldhelms wieder, zugleich mit dem lebhaftesten Ausdruck von Zärtlichkeit (s. z. B. ep. 14), so wenn Bonifatius ›der geliebteste Bruder‹, seine Briefe ›die süssesten‹ genannt werden. Bonifaz lässt sich nicht selten durch diese Frauen Bücher besorgen, selbst von ihnen schreiben: so erbittet er mit Goldschrift die Briefe des Petrus ( ut mihi cum auro conscribas , ep. 32) von der gelehrten Aebtissin Eadburga, von welcher Lioba die Metrik gelernt, wie letztere ep. 23 schreibt.

Von besonderer literarhistorischer Bedeutung sind aber ein paar dieser Briefe, in welchen Visionen mitgetheilt werden. Die eine, sehr ausführliche, erzählt Winfried selbst (ep. 10) der genannten Eadburga auf deren Wunsch, wie er sie aus dem Munde des Visionärs erfahren. Dieser hatte sie während eines Scheintods im Kloster Wenlock gehabt. Er wurde, wie er berichtete, von Engeln in die Luft emporgehoben, und durch ihre Hände allein vor den Flammen eines gewaltigen Feuers, das die ganze Welt umgibt, geschützt. Eine unzählige Menge Seelen eben Verstorbener sieht er dann, um deren Besitz sich ebenso viele Teufel und Engel streiten. Ihn selbst aber hört er seine Laster mit seiner eignen Stimme auf das grausamste anklagen; ›ich bin deine Begierde‹ ruft das eine, ›ich deine Eitelkeit‹ das andere u. s. w. Alles was er begangen, bringen sie gegen ihn vor, wobei sie von den bösen Geistern unterstützt werden. Als Zeuge erscheint auch ein im Leben von ihm Verwundeter. Da aber treten ebenso die Tugenden für ihn auf, gegen jede anklagende Sünde die entsprechende Vertheidigerin. Und die Engel stimmen ihnen bei. So ist also der Process zu seinem Gunsten entschieden. Währenddem sieht er aber eine Menge feuriger Brunnen, die zur Hölle hinabführen, und Seelen gleich schwarzen Vögeln heulend und klagend mit menschlicher Stimme in den herausbrechenden Flammen herumflattern, oder auf dem Rande der Brunnen sitzen, aus welchen das Seufzen und Jammern der auf ewig Verdammten heraufdringt. Jene erstgenannten Seelen aber werden am jüngsten Tage zur ewigen Ruhe eingehen; sie erdulden also nur eine Strafe des Fegefeuers. – Andererseits schaut er einen duftigen Ort, das 659 Paradies; und dann wieder einen Fluss von Feuer und Pech, siedend und glühend, und an seinem jenseitigen Ufer die glänzenden, ungeheuer langen und hohen Mauern des himmlischen Jerusalem. Ueber diesen Fluss führt ein Steg: die ›heiligen Seelen‹ suchen ihn zu überschreiten, aber viele fallen, die einen mehr, die andern weniger tief in den Pechfluss, doch nur um desto klarer und schöner wieder herauszukommen und das andere Ufer zu ersteigen. Es sind dies Seelen, welche, noch nicht ganz von leichten Sünden gereinigt, gestorben waren. Man sieht, diese Schilderung ist aus einer eigenthümlichen Compilation verschiedener älterer Visionen hervorgegangen. Vgl. u. a. oben S. 548, wo – bei Gregor d. Gr. – der Fluss die Hölle bedeutet. Noch sei bemerkt, dass der Visionär auch die Seele eines noch im Leben Weilenden dort von den Teufeln angreifen, und da die Engel ihrer Vertheidigung entsagen, peinigen sieht, es ist die des Königs von Mercien, Ceolred. Mit der Aufforderung zur Beichte und Busse, wird der Visionär am Ende von den Engeln ins Leben zurückgesandt. – Die andere Vision ist nur ein Bruchstück in einem Briefe, der nicht von Bonifatius selbst scheint (ep. 112). Auch hier begegnen wir den Brunnen des Fegefeuers wieder. Hier heisst es auch ausdrücklich: Et omnes animae in puteis quandoque solubiles esse, vel in die iudicii aut ante. Et narrabat unam feminam redemptam de aliquo puteo missarum sollemnitatibus – also Seelenmessen! Und ebenso werden hier einzelne Personen, die gestraft oder gereinigt werden, genannt. Auch verschiedener Himmel, von denen der höhere allemal schöner ist, wird hier gedacht.

 


 


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