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Zwölftes Kapitel.

Kleine polemische Gedichte. – Endelechius. De Cruce.

Noch besitzen wir aus der Zeit des Paulin und Prudentius ein paar andere Gedichte der apologetisch-polemischen Gattung, von welchen zwei ebenso rein polemisch sind, als das dritte rein apologetisch. Wahrscheinlich gehört dieser Periode noch ein viertes polemisch-apologetisches Gedicht (in Hexam.) an, das früher dem Tertullian absurder Weise beigelegt wurde: Adversus Marcionem libri V . Es wurde erst von G. Fabricius aufgefunden und in seinen Poetar. veter. ecclesiast. opera 1564 publicirt, zuletzt von Oehler in dessen Ausgabe des Tertullian (s. oben S. 33, Anm. 1) T. II. Da der Inhalt rein dogmatischer Natur ist, und das Gedicht weder ein literarhistorisches, noch auch ein ästhetisches Interesse darbietet, so enthalte ich mich näher darauf einzugehen. Nur sei bemerkt, dass es zu der Schrift Tertullians gegen Marcion (s. oben S. 55, Anm. 2) ebenso wenig, als zu der Hamartigenia des Prudentius (s. oben S. 273) in einer nähern Beziehung steht. Für den Theologen enthält es übrigens einige nicht unwichtige Angaben, und so hat es denn auch von einem solchen im Jahre 1875 eine eingehende Untersuchung gefunden in der Monographie Hückstädts: Ueber das pseudotertullianische Gedicht Adversus Marcionem. Einen kurzen Ueberblick des Inhalts gibt derselbe S. 13: »Das 1. Buch bandelt in 242 Hexametern von den verschiedenen Häresien, besonders von der des Marcion und von der Widerlegung einzelner Punkte derselben. Im 2. Buch (269 Hexam.) wird die Uebereinstimmung der Grundwahrheiten im Alten und Neuen Testamente, im 3. (302 Hexam.) die Einheit der Kirchenlehre mit der Lehre des alten Bundes, Christi und der Apostel bewiesen. Mit dem 4. Buche (236 Hexam.) nimmt der Verfasser einen Anlauf zur Widerlegung der Lehre Marcions in ihren einzelnen Theilen, verfällt aber wieder nach seiner Gewohnheit in den Fehler, mit vielem Wortschwall einen Punkt zu behandeln, hier den, dass der alte Bund mit seinen theokratischen Einrichtungen den neutestamentlichen vorgebildet habe. Das 5. Buch (253 Hexameter) endlich behandelt die Antithesen Marcions.« – Nach Hückstädt, dem Harnack (Theol. Literaturzeit. 1876, S. 266) hierin beistimmt, stammte der Verfasser aus Rom; Harnack setzt die Abfassungszeit in die Mitte des 4. Jahrhunderts, während Hückstädt (S. 46) das 7. bis 8. Decennium desselben annimmt. Ja, die Polemik der erstern ist durch die Persönlichkeit der Invective noch wesentlich geschärft. Das eine dieser beiden Gedichte, noch nicht lange aus dem Pariser Codex des Prudentius Fonds lat. 8084 vollständig publicirt *Mommsen, Carmen codicis Parisini 8084 in: Hermes Bd. IV, 1870. – Morel, Recherches sur un poème latin du 4 me siècle, in Rev. archéolog. Paris 1868. – Riese, Anthologia latina. Pars I, Fasc. 1. Leipzig 1869. Nr. 4. – Bährens, Poetae latini minores. Tom. III. Leipzig 1881. p. 286 ff. – – Dobbelstein, De carmine christiano cod. Paris. 8084 contra fautores paganae superstitionis ultimos. Löwen 1879. (Dissert.), 313 ist ein wahres Triumphlied des Hohns über den raschen Sturz der in Rom nach der Usurpation Eugens wieder erstandenen heidnischen Herrlichkeit und namentlich ihres Hauptträgers, des »Präfecten« Flavianus, der, Eugen gegen Theodosius zu Hülfe ziehend, noch vor der Niederlage des Usurpators geschlagen, 394 umkam. In diesem Jahre noch ist höchst wahrscheinlich das Gedicht geschrieben. Die Partei der heidnischen Senatoren, an deren Spitze jener Flavian stand, hatte im festen Vertrauen auf den Sieg Eugens und die von diesem, der doch Christ war, ihnen gemachten Zugeständnisse, ihr Haupt in Rom kühn wieder erhoben, und die Ceremonien und Riten der alten Staatsreligion mit allem officiellem Aufwand wieder in Scene gesetzt. Flavian, in dem der Verfasser das Heidenthum gleichsam incarnirt sieht, huldigte, nach ihm, nicht minder leidenschaftlich den Geheimdiensten der Isis und der Grossen Mutter. Und was ihm zum besondern Verbrechen angerechnet wird, er suchte auch die Christen durch Ehren und Geschenke auf seine Seite zu ziehen. Ueber seinen Untergang, seiner Partei Niederlage, die zugleich als die der heidnischen Religion erscheint, frohlockt dies Gedicht, welches über dem ›kleinen Grabe‹ des mit grossen Hoffnungen einst schwangern Flavian höhnend die proceres – die heidnische Aristokratie, insbesondere die in die Mysterien eingeweihten, die sacrati v. 24 ist gewiss, wie auch Bährens lieber wollte, sacrati statt sacratis zu lesen und auf proceres zu beziehen, wofür auch v. 106 spricht. – fragt, was denn nun alle die heidnische Frömmigkeit genützt habe. Es ist etwas von dem unedlen Geist des Firmicus Maternus darin, aber man muss bedenken, dass die Christen Roms und Italiens auch durch Drohungen der fanatischen Reactionäre heftig gereizt worden waren. S. Paulinus, vita Ambros. c. 31. Das Gedicht zählt 122 Hexameter, und ist sprachlich wie metrisch zum Theil in hohem Grade fehlerhaft.

Das andere polemische Gedicht hat einen noch persönlicheren Charakter, indem der, an und gegen welchen es gerichtet ist, nicht einmal als Repräsentant des Heidenthums vom Verfasser hingestellt wird. Es ist das früher ganz 314 ungerechtfertigter Weise dem Cyprian beigelegte Gedicht: Ad senatorem ex christiana religione ad idolorum servitium conversum In: Hartels Ausgabe Cyprians (s. oben S. 56, Anm. 1) Pars III, p. 302 ff., von 85 Hexametern. Mit feinerem Spotte, und nicht ohne Witz, wird dieser Abtrünnige hier in Versen gestraft, weil er immer Gedichte liebte. Höchst beachtenswerth aber ist, dass der Rückfall des angesehenen Mannes, der selbst schon Consul gewesen, in das Heidenthum auch in dem Eintritt in die Geheimdienste der Grossen Mutter und der Isis besteht, von denen namentlich der erstere als ein sehr unsittlicher hier gebrandmarkt wird. Der Senator wird als eine jener unglücklichen Naturen gekennzeichnet, die damals vom Skepticismus unbefriedigt Gott in allen Formen vergeblich suchten, denen das Christenthum selbst nichts weiter als ein neues Mysterium war. Ihm ruft der Dichter daher zu (v. 46): ›Nichts verehrst du, während du alles verehrst.‹ Auch das Christenthum hat ihn, ›den Philosophen‹, nicht befriedigt; so versuchte er sein Heil in den Geheimkulten: aber allzuviel sei ungesund auch in der Weisheit. Der Dichter warnt ihn am Schluss vor der schweren Strafe, die den Abfälligen treffen müsse, und hofft auf seine Umkehr mit der Zeit des reiferen Alters. Die Abfassung des Gedichts, das unter allen Umständen dieser Periode angehört, in derselben höher hinaufzusetzen, nehme ich Anstand hauptsächlich wegen der Verse 25 ff.: Si quis ab Isiaco consul procedat in urbem, – Risus oris erit: quis te non rideat autem, – Qui fueris consul, nunc Isidis esse ministrum?

Einen ganz andern Charakter, als diese beiden kulturgeschichtlich nicht unwichtigen Gedichte, hat das dritte, das eine bloss apologetische Tendenz zeigt und auch durch sie allein in den Kreis der christlichen Dichtung fällt. Es ist ein bukolisches Gedicht in 33 asclepiadeischen Strophen (vom dritten asclepiadeischen Metrum 3 Asclep. minores und 1 Glyconeus bilden dasselbe, wie Horaz Od. I, 6, 15, 24 etc., das zierliche Werk eines christlichen Rhetors Endelechius Severi Sancti Endelechii rhetoris et poetae christiani carmen bucolicum de mortibus boum, ed. F. Piper. Göttingen 1835. – Ferner in *Riese, Anthologia latina, Pars I, Fasc. II, Nr. 893. – sonst auch Severus Sanctus, wie es scheint, genannt Denn die Ueberschrift in der Handschrift lautet: Incipit carmen Severi Sancti id est Endeleichi (sic) Rhetoris de mortibus boum. –, der ein Freund Paulins von Nola war und 315 diesen zu seinem Panegyricus auf Theodosius angeregt hatte. Wie Paulin selbst an Sulp. Severus schreibt Ep. 28. Zwei Hirten unterhalten sich, indem der eine dem andern auf sein Befragen den Grund des Kummers, den sein Angesicht abspiegelt, erklärt; er hat in Folge einer vor kurzem ausgebrochenen Rinderpest seine ganze Herde verloren, wie er in allem Detail und nicht ohne manchen mehr rhetorischen, als poetischen Aufputz beschreibt. Da erscheint ein dritter Hirt, Tityrus, der fröhlich seine gesunde Herde daher treibt. Die andern fragen ihn, welcher Gott ihn vor dem Verderben behütete. Er gibt zur Antwort: der Gott, der als einziger in den grossen Städten verehrt werde, Christus – der ewigen Gottheit Herrlichkeit, deren einziger Sohn; ein Kreuzeszeichen, mitten auf die Stirn der Thiere gefügt, war ihre gewisse Rettung!             Signum quod perhibent esse crucis dei,
        Magnis qui colitur solus in urbibus,
        Christus, perpetui gloria numinis.
        Cuius filius unicus:
        Hoc signum mediis frontibus additum
        Cunctarum pecudum certa salus fuit.
v. 105 ff.
Man muss sich hierbei des alten in der heidnischen Welt weit verbreiteten Gebrauchs der Amulette erinnern.
An ihn zu glauben genüge. Keine blutigen Opfer fordere er, sondern die Reinigung des Herzens. Hierauf entschliessen sich jene beiden Hirten auch Christen zu werden: dies Zeichen, das die Pest besiegt, müsse auch dem Menschen in der Ewigkeit helfen. Die Scene ist, wie eine Stelle (v. 22 ff.) zeigt, nach Gallien verlegt, woher wohl Endelechius stammte, der aber in Rom Lehrer der Rhetorik war Wenigstens in den neunziger Jahren des 4. Jahrhunderts, s. Jahn, Ueber die Subscriptionen in den Handschriften römischer Classiker in Berichten der sächs. Gesellsch. der Wissensch. III, S. 332., und das Gedicht wohl um den Anfang des fünften Jahrhunderts geschrieben hat. S. darüber Piper, a. a. O. S. 82 ff, namentlich S. 92.

Das wunderthätige Symbol des Christenthums, dessen auch Prudentius und Paulin gelegentlich gedenken, wird als solches in einem Gedichte von 69 Hexametern besungen, welches noch dem Ende dieser Periode anzugehören scheint, früher aber mit Unrecht in eine ältere Zeit hinaufgerückt, ja dem Cyprian selbst beigelegt wurde. Aber auch dem schon um die Mitte des vierten Jahrhunderts blühenden Rhetor C. Marius Victorinus ist es 316 nicht zuzuschreiben. Schon wegen der Zeit, denn die Crux immissa, die der Dichter hier vor Augen hat, wurde erst seit dem 5. Jahrhundert die herrschende Darstellung des Kreuzes Christi, und der Dichter musste hier doch nothwendig von der allgemeinen Anschauung ausgehen. – Vgl. über jenen Victorin S. 124, Anm. 4. Allerdings das Werk eines Rhetors scheint auch dieses Gedicht zu sein, das man am richtigsten De cruce betitelt hat. Auch, mit Unrecht, › De Pascha‹. Unter diesem Titel ist es am besten edirt von Hartel in seiner Ausgabe Cyprians a. a. O. S. 305 ff. – In Golgatha, das mitten im Erdkreis liegt, ist ein Holz gepflanzt, beginnt der Dichter, das zu einem Baume geworden, der sein heiliges Haupt in dem Himmel verbirgt, während die beiden Arme des Holzes zu zwölf Zweigen wurden, die über den ganzen Erdkreis sich ausbreiten. In solcher Weise wird hier bildlich, aber mit manchen Einzelheiten, die ich übergehe, die Entwickelungsgeschichte des Christenthums von der Kreuzigung an bis zur Ausrüstung der Apostel mit dem heiligen Geiste gezeichnet. Eine Quelle ist im Schatten des Baumes, in welcher sich alle erst baden müssen, die die Früchte des Baumes kosten wollen. Die verschiedene Wirkung, die ihr Genuss auf den Einzelnen hat, schildert dann noch der Autor, der, so sehr diese durchgeführte Allegorie auch zu dem christlichen Geschmacke stimmt, doch in seiner Ausdrucksweise den der Schule der heidnischen Dichter, namentlich des Virgil So urtheilt mit Recht schon Bähr, Die christl. Dichter, S. 51., treu gebliebenen Redner offenbart.

 


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