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Sechstes Kapitel.

Ambrosius.

Eine weit grössere Bedeutung für die allgemeine Literaturgeschichte als Hilarius hat einer der einflussreichsten Männer dieses Jahrhunderts überhaupt, der heil. Ambrosius S. Ambrosii Mediolanens. episcopi opera ad mss. codd. vaticanos, gallic. etc. stud. et labore monachorum ord. S. Benedicti e congreg. S. Mauri. Paris 1686. 2 Voll. fol. (Prolegg.) Danach: *Venedig 1781–82. 8 Tom. 4°. – S. Ambr. opera omnia ad Mediolanenses codd. pressius exacta cur. Ballerini. 6 Voll. Mailand 1875–82. – S. Ambrosii, De officiis clericorum libr. III ed. Gübert. S. Ambr. Hexaemeri libr. VI ed. Gilbert (Bibl. patr. ecclesiast. latin. selecta cur. Gersdorf Vol. VIII et IX) Leipzig 1839. – S. Ambr. De offic. clericorum ed. Krabinger. Tübingen 1857. – – Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen. Bd. I, 3. Abthl. Zürich 1845. (2. Ausg. Bd. X, Stuttgart 1877.) – Förster, Ambrosius, Bischof von Mailand. Halle 1884. – Ewald, Der Einfluss der stoisch-ciceronianischen Moral auf die Darstellung der Ethik bei Ambrosius. Leipzig 1881., welcher zwar in seiner literarischen Thätigkeit sich mannichfach mit Hilarius berührt, aber doch, was auch seine Werke bekunden, eine durchaus verschiedene Natur war, und auch einen ganz andern Entwickelungsgang nahm. Ambrosius, um das Jahr 340, wahrscheinlich zu Trier, geboren, stammte aus dem vornehmsten Hause. Sein Vater war Praefectus praetorio Galliarum, der höchste Beamte also eines grossen Theils des Abendlandes; unter seinen Ahnen zählte er mehrere Consuln. Die Familie aber war schon lange Zeit eine christliche. Nach dem frühen Verluste des Vaters wuchs Ambrosius unter der Leitung seiner Mutter und gewiss auch der ältern Schwester, die schon frühe das Gelübde der Jungfräulichkeit abgelegt hatte, und mit der er auch durch das ganze Leben auf das innigste verbunden blieb, in Rom auf, zu Hause also in einer streng christlichen Umgebung, während zugleich die Weltstadt alle Mittel einer sorgfältigen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bildung dem jungen Patricier darbot, der, den Traditionen der Familie folgend, selbstverständlich die Staatslaufbahn einschlug. 144 Seine grosse rednerische Begabung, durch die er als Anwalt glänzte, förderte ihn rasch. Noch als junger Mann erhielt er die Regierung Liguriens und der Aemilia übertragen.

Aber sehr bald darauf trat ein Ereigniss ein, das seinem Lebensweg eine ganz andere Richtung gab. Nach dem 374 erfolgten Tode des Bischofs von Mailand, Auxentius, entspann sich über die Wahl seines Nachfolgers der heftigste Streit zwischen der orthodoxen und der dem Arianismus zugeneigten Partei der Gemeinde, welche Auxentius begünstigt hatte: Ambrosius, dessen Regierungssitz in Mailand selbst war, eilte in die Kirche, den Frieden herzustellen; es gelang ihm in der That, indem die beiden Parteien plötzlich, wie einer höhern Eingebung folgend, auf ihn ihre Stimmen vereinigten. Einen so mächtigen Eindruck machte seine Persönlichkeit. Er sträubte sich zwar längere Zeit die Stelle anzunehmen, was bei der glänzenden Aussicht, die auch die weltliche Laufbahn ihm bot, um so erklärlicher ist; sein reges Pflichtgefühl musste zudem die gerechtfertigten Bedenken ihm wesentlich erhöhen, war er doch noch bloss Katechumene! Als er aber das Amt übernommen, widmete er sich dem neuen Berufe mit der vollsten Hingebung, ganz anders als so viele Grosse, die damals und später nur um des äussern Einflusses und der Macht willen zu solchen Stellen sich drängten. Sogleich verschenkte er sein Vermögen der Kirche und den Armen, wie denn stets alle Hülfsbedürftigen auf das eifrigste von ihm unterstützt wurden. Er übte zugleich die Tugend der Enthaltsamkeit, wenn auch ohne Uebertreibung. Und bei aller Strenge gegen sich selbst, blieb er mild gegen andere; leutselig und human, war er einem jeden zugänglich, der des Trostes oder des Rathes bedurfte; ›mit den Fröhlichen fröhlich, mit den Weinenden weinend‹, wie sein Biograph sagt Paulinus, Vita Ambr. c. 39; vgl. auch Augustins Confess. VI, c. 3., namentlich mit denen auch, die, ihm beichtend, ihre Sünden beweinten. So war er ein wahrer Seelsorger, durch ein reines Herz, Menschenfreundlichkeit und Menschenkenntniss, Geschäftserfahrung und praktischen Sinn dazu wahrhaft berufen. Aber auch die nöthigen theologischen Kenntnisse suchte er mit allem Eifer sich zu erwerben unter der Anleitung des Presbyter Simplicianus, der später sein Nachfolger ward, indem er vorzugsweise die griechischen Kirchenlehrer, von den ältern Clemens 145 und Origenes, von seinen Zeitgenossen Didymus und Basilius den Grossen studirte, den letztern auch in seinem Kirchenregiment sich zum Vorbild nehmend. Auch des Juden Philo Werke machte er zum Gegenstand des fleissigsten Studiums.

Seiner ausserordentlichen Wirksamkeit als Seelsorger und als Prediger, welche letztere seine grosse, bald weithin berühmte Beredsamkeit unterstützte, ging eine andere, nicht minder bedeutende, bischöfliche zur Seite: das nicäische Glaubensbekenntniss gegen den Arianismus, der immer noch von neuem auch in dem Abendland sein Haupt erhob, zu schützen, ihn sowie die Reste des Heidenthums auszurotten, und so die katholische Kirche fester zu begründen. Und hiermit verband sich sein Streben, dieser Kirche auch der höchsten weltlichen Macht gegenüber die volle äussere und innere Unabhängigkeit zu geben: als Christ sollte der Kaiser keine Vorrechte haben. Die zum Theil gefährlichen Conflicte, in welche ihn diese Bestrebungen brachten, die nicht bloss von des Ambrosius Standpunkt, sondern auch von dem seiner Zeit gerechtfertigt erscheinen, (und darin liegt die geschichtliche Bedeutung des Mannes) – zeigen uns die ganze Grösse eines Charakters, der mit unverbrüchlicher Treue an dem festhält, was er für recht erkannt, und unbekümmert um irdische Macht und Hoheit mit aller Energie es vertheidigt und durchführt. Die Art, wie Ambrosius nach dem Tode des ihm wie ein Sohn ergebenen Gratian einerseits dem Arianismus der Kaiserin Justina, der Regentin und Vormünderin Valentinians II., Trotz bietet, und andererseits wieder die gefährlichsten Sendungen an den Usurpator Maximus übernimmt, und ihm trotz seiner Orthodoxie im Interesse eben dieses Valentinian entgegentritt, zeigen nicht nur seinen Muth, sondern auch sein Pflichtgefühl in glänzender Weise Das Ansehen des Episcopats musste durch einen solchen Mann im Abendland ungemein erhöht werden; aber er selbst gebrauchte es nirgends im Dienste eines gemeinen Ehrgeizes, wohl aber nicht selten in dem christlicher Humanität. Ambrosius' bischöfliche Thätigkeit ist ein wesentlicher Bestandtheil der politischen und Kirchengeschichte seiner Zeit geworden und darf daher hier als bekannt vorausgesetzt werden; ohnedies werden wir bei der Betrachtung seiner Werke auf einzelne der wichtigsten Momente zurückkommen. Nachdem er auch Valentinian II. und den ihm eng befreundeten Theodosius überlebt, 146 der als weltlicher Fürst für die katholische Kirche das war, was Ambrosius als geistlicher, starb er am 4. April 397. –

Während Hilarius, wie wir sahen, eine den Griechen verwandte, ideal-speculative Richtung des Geistes zeigt, war Ambrosius eine echt römische, ethisch-praktische Natur. Hilarius ist ein Denker, auf dem Wege der Speculation erst wurde er zum Christenthume geführt, als Philosoph gleichsam tritt er in seine Literatur ein: Ambrosius dagegen ist ein Mann des thätigen Lebens, das Christenthum ist ihm von den Eltern überliefert, seine ganze sittliche Ausbildung und Entwickelung ruht von der Kindheit an auf dem Christenthume als festem Grunde und ist mit demselben unauflöslich verwachsen; aber an ihr hat, dank den Traditionen des alten Geschlechts und der bedeutenden Stellung des Vaters im Staate, auch die politische nationale Bildung des Römers ihren Antheil, dessen stolzer Patriotismus Kraft und Würde dem Charakter mitten in allen Stürmen des Lebens zu verleihen vermag. Und in der That eine altrömische Gesinnung, veredelt durch das Christenthum, lebte in Ambrosius auf, wie auch die diesem Volke eigenthümliche Beredsamkeit ihm angehört, welche er von den Tribunalen in die Kirche mit hinüberbrachte, und der er auch sicherlich zumeist seine Wahl zum Bischof verdankte. Wenn Hilarius Dialektiker, so ist Ambrosius vor allem Redner. Man hat ihn nicht mit Unrecht einen christlichen Cicero genannt, nur war er ein weit grösserer Charakter. Auch seine Werke sind zum grössten Theile Reden, oder wenigstens aus solchen hervorgegangen, auch ihre Zahl ist eine ungemein grosse, die bei einem so ausserordentlich viel beschäftigten Manne sogar staunenswerth ist; auch dem christlichen Cicero mangelt die Originalität des Gedankens, auch er entlehnt das Material seiner Bücher so häufig andern, um es einem grössern Publikum seiner Zeit und seiner Nation mit Geschick anzupassen. In dem ethischen und dem popularisirenden Moment seiner schriftstellerischen Thätigkeit, welche Momente so echt römischer Natur sind, liegt auch bei ihm das Geheimniss ihrer so weithin tragenden Wirkung.

Im Einklang hiermit steht, dass die meisten seiner Schriften aus seiner amtlichen Thätigkeit als Prediger entsprungen sind. Sie gründen sich auf Homilien, die er theils der ganzen Gemeinde, theils auch nur für einen bestimmten Theil derselben, 147 wie die Katechumenen, oder die Neugetauften, gehalten hat, indem manche auch die Formen der Anrede noch im Context bewahrt haben, obschon sie als ›Bücher‹ publicirt sind. Ihre Basis bildet daher in der Regel die Erklärung der Bibel, namentlich des Alten Testaments, die aber in sehr verschiedener Weise ausgeführt wird, theils in ethisch-paränetischer, theils in allegorisch-speculativer. Die allegorisch-mystische Auffassungsart der Alexandriner, wie sie Hilarius im Abendland schon eingeführt, wurde durch diese Schriften des Ambrosius, der auch auf die erste Quelle, Philo selbst, nicht selten zurückging S. Siegfried, Philo von Alexandria als Ausleger des alten Testaments. Jena 1875. S. 371 ff., im Occident erst wahrhaft verallgemeinert und vornehmlich in ihnen dem Mittelalter überliefert, dem die Werke dieses grossen Kirchenvaters canonische waren. Hier finden sich manche der Typen und Personificationen, denen wir in der mittelalterlichen Kunst und Literatur bis auf einen Dante wieder begegnen. Hier schöpften auch die mystischen Theologen des Mittelalters, wie die Schule von St. Victor, deren Predigten und Schriften auf Herz und Phantasie ihrer Zeitgenossen eine so grosse Wirkung machten. So sind diese homiletischen Schriften des Ambrosius von keiner geringen Bedeutung für die allgemeine Literatur, schon von dieser Seite; indirect aber auch von der andern, der ihrer Ethik, welche zum Theil einen asketischen Charakter hat, entsprechend der in den wahrhaft christlichen Kreisen damals herrschenden geistigen Strömung, auf die ich weiter unten genauer einzugehen Gelegenheit finde.

Mehrere dieser Schriften sind von dem Verfasser selbst mit einander in Zusammenhang gesetzt, andere schliessen sich durch ihren Gegenstand unmittelbar an einander an. Als die älteste eröffnet die Reihe das Buch De Paradiso , um 375 geschrieben, das aber gerade am wenigsten einen homiletischen Charakter zeigt, vielleicht selbst gar nicht aus Predigten entstanden ist; Widerlegungen häretischer, namentlich manichäischer Ansichten nehmen einen breiten Raum darin ein. Den Gegenstand bildet die Erzählung der Genesis vom Paradies und dem Leben der Erzeltern bis zu ihrem Falle, indem die Erklärung der Bibelstellen vorzugsweise mystisch allegorisch ist, unter Benutzung der Schriften des Philo: De opificio mundi und 148 namentlich Legis allegoriae . So ist aus der letztern die Deutung der vier Flüsse des Paradieses auf die vier Cardinaltugenden entnommen Ambros. De Parad. c. 3. – Philo, Leg. allegor. c. 19., welche in der Literatur später so oft wiederkehrt; während aber die Quelle, aus der die Flüsse entspringen, bei Ambrosius Christus bedeutet, gehen sie bei Philo aus einem Hauptstrom hervor, welcher die Güte, die generelle Tugend ist. ἡ γενικὴ ἀρετὴ, ἣν ὠνομάσαμεν ἀγαϑότητα. l. l. Zugleich aber werden nach Ambrosius damit auch die vier Zeitalter der Welt angedeutet, das erste bis zur Sündfluth gehörte der Prudentia, das zweite (das der Patriarchen) bis auf Moses der Temperantia, das dritte (das Moses' und der Propheten) bis auf Christus der Fortitudo, und das letzte (das des Christenthums) der Justitia. – An das Buch vom Paradies schliessen sich unmittelbar an die beiden De Cain et Abel , in welchen auf jenes zurückgewiesen wird (c. 1). Sie sind auch in gleicher Art und in demselben Geiste als jenes geschrieben, nur dass sich hier mehr als dort das paränetische Element einmischt und damit der Stil oratorischer wird. Den Hauptgegenstand bildet das Opfer der Brüder. Auch hier sind viele Allegorien aus Philo's Schriften, namentlich aus seiner ebenso betitelten und der sich unmittelbar daran schliessenden De eo quod deterius potiori insidiari soleat entlehnt. – Die Schrift De Noe et arca , dem Inhalt nach folgend, aber später abgefasst, beschäftigt sich u. a. ausführlich mit der Construction der Arche, worin Ambrosius ein Bild des menschlichen Körpers wiederfindet und weitläufig im einzelnen nachweist (c. 7 ff.).

Wichtiger sind die zwei Bücher De Abraham , die in mehrfacher Beziehung für uns von Interesse sind. Sie sind auch origineller als die vorausgehenden, wenn auch die Idee des Werkes Ambrosius Philo verdankt. Die beiden Bücher sind von wesentlich verschiedenem Charakter. Das erste ist an die Katechumenen (Söhne und Töchter) gerichtet und gründet sich auf an diese gehaltene Predigten, der Art, dass selbst ihre Form in der Anrede noch sich erhalten hat S. namentlich c. 9, § 89. Fortasse audientes haec, filiae, quae ad gratiam Domini tenditis, et vos provocamini ut habeatis inaures et virias, et dicatis: Quomodo prohibes hoc, Episcope etc.: hier wird, was die Genesis (c. 12 bis c. 25) vom Leben Abrahams überliefert, in ethischer Absicht betrachtet und erklärt, indem der biblische 149 Text im einfachen Wortsinn genommen wird. Das Leben des Patriarchen wird als Tugendspiegel dargestellt: Abraham, der von Gott besonders begnadete, soll das Ideal des Tugendhaften sein, welcher zugleich der wahre Weise ist. Ambrosius vergleicht (c. 1) sein Unternehmen mit der Kyropädie des Xenophon, der darin eine ähnliche Aufgabe, nur in anderm und beschränkterm Sinn, gelöst hatte. Philo aber erklärt die Patriarchen für die ›beseelten und vernünftigen Gesetze‹ ( ἔμψυχοι καὶ λογικοὶ νόμοι), mit einem Wort: das verkörperte Gesetz, sodass man sagen könnte, das geschriebene Gesetz wäre nur ein Commentar ihres Lebens. Philo, De Abrahamo c. 1. Da hat offenbar Ambrosius die Idee zu seinem Buche geschöpft. Die devotio , die Abraham in so eminentem Sinne besitzt, ist, meint hier Ambrosius in Uebereinstimmung mit Philo Ἐκεῖνος τοίνυν εὐσεβείας, ἀρετῆς τῆς ἀνωτάτω καὶ μεγίστης, ζηλωτὴς γενόμενος – – De Abrah. c. 13., das Fundament aller Tugenden, die fromme Ergebung in den Willen Gottes, sie tritt uns auch sogleich im Beginne der biblischen Erzählung seines Lebens entgegen. Bei den allgemeinen moralischen Betrachtungen, welche der Verfasser an dieses knüpft, nimmt er aber, und dies verleiht seinem Buche ein eigenthümliches kulturgeschichtliches Interesse, sowohl besondere Rücksicht auf seine Zeit, als auf den Stand der christlichen Bildung solcher, die noch nicht die Taufe empfangen haben und die eben in die christliche Moral erst eingeführt werden sollen. So kommt das Verhältniss des Christenthums zum Heidenthum direct und indirect in Betracht. Es wird z. B. c. 9 auf Grund von Genesis c. 24, v. 3 vor der Verheirathung mit Heidinnen, Jüdinnen, ja selbst Ketzerinnen gewarnt; solche Ehen könnten nicht im Himmel geschlossen sein.

In diesem ersten Buche wird nur ganz ausnahmsweise der mystische Sinn des biblischen Textes dargelegt, wie am Schlusse, wo Rebecca als die Kirche erklärt wird: in dem zweiten Buche dagegen, welches offenbar auch einen andern Ursprung hatte und nicht für die Katechumenen bestimmt war, ist dies die einzige Aufgabe. Hier soll der › tiefere‹ Sinn, den die Erzählung von Abrahams Leben in der Genesis einschliesst, enthüllt werden, indem öfters dieselben Bibelstellen 150 aus diesem Gesichtspunkt noch einmal betrachtet werden; so ist, wie im ersten Buche die moralische, im zweiten die allegorische Erklärung desselben Abschnittes der Bibel, allerdings nur bis zur Verheissung des Isaac, gegeben. Ambrosius vergleicht in dieser Beziehung das Wort Gottes einem doppelschneidigen Schwerte (II, c. 1). Im zweiten Buche ist Abraham der Geist ( mens , θοῦς); es soll hier gezeigt werden, wie dieser, der in Adam noch in dem Sinnlichen ganz befangen war, in Abraham zur Tugend ›übergeht‹. Ergo ut mens, quae in Adam totam se delectationi et illecebris corporalibus dederat, in formam virtutis speciemque transiret, vir sapiens (sc. Abraham) nobis ad imitandum propositus est. ›Abraham‹ soll nämlich unter anderm auch › transitus‹ bedeuten. Wenn Genesis c. 12, v. 1 Abraham von Gott befohlen wird, sein Land, seine Verwandtschaft und sein Haus zu verlassen, so bedeutet dies hier, dass wer die vollkommene Läuterung erreichen will, sich vom Körper, von den körperlichen Sinnen und der Stimme ( vox ) lossagen soll. Das Gelübde des Schweigens mancher Mönchsorden erklärt sich aus solcher Anschauung: möglicherweise ist diese Stelle selbst von Bedeutung dafür gewesen. Die Stimme nämlich ist das Haus des Geistes, der ja in den Reden wohnt. In diesem Stile wird, unter verschiedentlicher Benutzung Philo's im einzelnen, die Erklärung hier fortgeführt, sodass dieses Werk des Ambrosius besser, als irgend eins, die doppelte Bibelauslegung, wie sie für das Mittelalter massgebend wurde, veranschaulichen kann.

Denselben Charakter als das zweite Buch De Abraham , hat die Schrift De Isaac et anima . Isaac, in dem man wegen des Opfers schon frühe ein Vorbild Christi sah, stellt hier den Logos dar, dessen Vermählung mit der Seele, als welche hier Rebecca erklärt wird, auf Grund einer mystischen Auslegung des Hohen Liedes, im Anschluss höchst wahrscheinlich an die des Origenes, geschildert wird. – Unmittelbar daran ist das ethische Büchlein De bono mortis geschlossen. Wie die Schrift De Isaac mit der Ermahnung endet, den Tod nicht zu fürchten, so soll hier gezeigt werden, dass derselbe, weil er der Seele nichts schadet, kein Uebel, vielmehr sogar ein Gut sei. Namentlich wird ausgeführt, wie der Gerechte und der Weise den Tod selbst durch Abtödtung des Fleisches nachahmt, und, indem zu solcher Askese ermahnt wird, das Glück der von ihrem Fleisch 151 sich lossagenden Seele, die wie aus einem Grabe auferstehe, in poetischer bilderreicher Weise ausgemalt (c. 5). Von dem Aufenthalt der Seelen nach dem Tode bis zum jüngsten Gericht spricht hier Ambrosius c. 10; vgl. über diesen Gegenstand die eingehende Untersuchung von Zarncke in seinem Aufsatz über Muspilli in den Berichten der k. sächs. Ges. der Wissensch. philol.-histor. Classe. Bd. 18, S. 193 ff.

Auch das Leben Jacobs und Josephs, wie es die Bibel erzählt, machte Ambrosius zum Gegenstand moralischer und allegorischer Betrachtung und Erklärung, auch zunächst in Predigten, die er dann zu Büchern umarbeitete. In dem einen Werk De Iacob et vita beata (zwei Bücher), dient dieser Patriarch als Vorbild für die Lehre, dass die wahren Frommen auch in aller Trübsal und Gefahr die Glückseligkeit des Lebens nicht verlieren; zugleich wird hier aber auch auf Eleazar (II, c. 10) und auf die sieben Maccabäer hingewiesen, deren Tod ausführlich erzählt und namentlich ihrer Mutter Standhaftigkeit mit beredten Worten, zum Theil selbst poetischen Schwunges, gefeiert wird (II, c. 12), sodass diese Schlusspartie des Werkes zu den Specimina der dem Ambrosius eigenen oratorischen Kunst gerechnet werden darf. Joseph aber, ›in dessen Sitten und Handlungen überall Schamhaftigkeit leuchtet, und ein gewisser Schimmer von Anmuth als der Keuschheit Begleiter glänzt‹, wird in dem ihm gewidmeten Buche De Ioseph patriarcha Wegen einer zeitgeschichtlichen Anspielung (in c. 6) wird dieses Buch, ingleichen wegen ihrer Verwandtschaft mit demselben auch die übrigen den Patriarchen gewidmeten Bücher, von Förster a. a. O. S. 92 in die Jahre 387 und 388 gesetzt. S. überhaupt denselben in Betreff der Abfassungszeit der Werke des Ambrosius S. 87 ff. als Muster der Keuschheit hingestellt; zugleich aber ist er dem Ambrosius, indem er seine Geschichte allegorisch auslegt, auch ein Typus von Christus. – Auch die Klagen Hiobs und Davids bilden den Gegenstand erbaulicher Betrachtungen unsers Autors über die Gebrechlichkeit des irdischen Lebens und über die Erscheinung, dass es den Ungerechten hienieden oft gut, den Gerechten kummervoll geht, in der aus vier Büchern bestehenden Schrift De Interpellatione Iob et David .

Von grösserm allgemeinen, namentlich auch kulturgeschichtlichem Interesse sind drei andere, auch aus Predigten über alttestamentliche Stoffe hervorgegangene Bücher, welchen sämtlich 152 Homilien des Basilius zu Grunde liegen. Sie haben alle drei eine rein ethische Tendenz, zum Theil von asketischem Charakter, nämlich: De Elia et ieiunio , worin Ambrosius die Enthaltsamkeit im Essen und Trinken unter Hinweisung auf die im alten Bunde gegebenen Lehren und Beispiele, als deren glänzendstes gleichsam Elias im Anfange kurz betrachtet wird, empfiehlt; ferner De Nabuthe Iesraëlita , worin die im dritten Buche der Könige (c. 21) erzählte Geschichte von der ungerechten Verfolgung des Nabuth durch den König Achab, dem er seinen Weinberg nicht überlassen wollte, zum Text für eine Predigt gegen die Reichen genommen ist; endlich De Tobia , worin Ambrosius, an eine Stelle dieses biblischen Buches anknüpfend, gegen das Ausleihen von Geld auf Zinsen, namentlich den Wucher eifert. Die oft schöne Einfachheit des Stiles, die Bezugnahme auf die Sittlichkeit und die Sitten der eigenen Zeit, die Lebendigkeit ihrer Schilderung, wie denn z. B. eine sehr drastische, in alle Einzelheiten eingehende, eines Bankets von Offizieren, das mit einer Schlacht verglichen wird, im ersten der drei Bücher (c. 13) sich findet, machen dieselben zum Theil zu einer noch heute anziehenden Lectüre, und lassen begreifen, von welcher Wirkung auch auf rein ethischem Gebiete diese Kanzelberedsamkeit zu ihrer Zeit sein musste.

Das interessanteste und literarhistorisch wichtigste Werk dieser Klasse der Schriften des Ambrosius ist aber ohne Frage das von ihm in seinen letzten Lebensjahren in sechs Büchern verfasste Hexaëmeron, das die sechs Schöpfungstage, einen jeden in einem Buche, behandelt, indem Ambrosius den Text der Genesis erklärt, und damit ausführliche Betrachtungen theils speculativer, theils moralischer, theils naturgeschichtlicher, theils, die Schönheit und Zweckmässigkeit des ›Kosmos‹ feiernd, auch nur poetisch-erbaulicher Art verknüpft. Dem Werk liegen neun zur Fastenzeit an sechs Tagen gehaltene Predigten zu Grunde, da an drei Tagen über diesen Text zwei, eine des Morgens und eine des Nachmittags, von ihm gehalten worden sind, sodass das erste, dritte und fünfte Buch je aus zwei Sermonen, die übrigen bloss aus einem bestehen. Auch dieses Werk ist nur eine bald mehr, bald weniger freie, aber auch stofflich erweiterte Bearbeitung von neun Homilien des grossen Basilius, wobei nach Hieronymus Epist. 51, ad Pammachium. Ambrosius auch heute verlorene Bücher 153 des Origenes und Hippolyt Vgl. in Betreff des letztern Bunsen, Hippolytus I, S. 205 u. 211 f. benutzt hat. So wenig originell also im Ganzen auch dieses Werk von ihm wieder ist, so hat doch Ambrosius mit so selbständigem Urtheil bei seiner Reproduction verfahren, dass er einzelne Auslegungen des Basilius geradezu verwirft. Auch seine Darstellung verräth nirgends eine fremde und speciell griechische Vorlage, selbst wo er dieser wortgetreu folgt: Ambrosius verstand, wie Cicero, das den Griechen Entlehnte seiner eigenen Individualität und dem römischen Gedankenausdruck vollkommen zu assimiliren. Der Nachwelt galt das Werk deshalb für ebenso original als Cicero's De officiis z. B. Der Stil ist klar und flüssig, er hat etwas vertrauliches und bequemes, das an die Kanzel eines Predigers erinnert, der zu seiner Gemeinde wie zu seiner Familie spricht; er geht gern etwas in die Breite, ohne doch in das Triviale zu zerfliessen, mitunter nimmt er sogar einen wahrhaft poetischen Aufflug So in der Schilderung des Meeres und seinem Lob (III, c. 5), wo mit ihm auch die Kirche hübsch verglichen wird in den Wogen des hereinströmenden Volkes, dem Brausen des Gesanges u. s. w.; so ferner in der Charakteristik der Baumarten l. l., c. 11 u. 12, oder in der Beschreibung der blumengeschmückten Fluren l. l., c. 8, § 36. – Auch in dieser Beziehung wies dem Ambrosius Basilius den Weg, dessen ›Naturgefühl‹ auch Humboldt, Kosmos II, S. 29 rühmt., ohne rhetorische Künstelei, namentlich wo die Schönheit der Natur den Redner begeistert: findet sich doch auch eine der Hymnen des Ambrosius selbst hier von ihm verwerthet. l. V, c. 24: es ist die Hymne › Aeterne rerum conditor‹.

Der Inhalt ist, wie schon angedeutet, ein sehr vielseitiger. Einmal hält sich die Erklärung streng an das Wort, als wäre der lateinische Text selbst von Moses unter der Inspiration Gottes geschrieben, namentlich im ersten und zweiten Buche, wo sogar Ausdrücke wie das erat in Terra erat etc. Gen. I, v. 2, oder das fiat in Fiat firmamentum , v. 6 auf der Goldwage gewogen werden, um ihre Bedeutung und Werth festzustellen (I, c. 7 und II, c. 2). Dann aber findet sich, obschon seltener, die allegorische Auslegung, wie z. B. die congregatio una , worin alle Wasser sich vereinen (v. 9), die Kirche bedeutet, was sehr weitläufig ausgeführt wird (III, c. 2 ff.). Am meisten aber begegnen wir, in den spätern Büchern wenigstens, Moralisationen, so unter anderm einem längeren Excurs gegen die Astrologie, die ja in jener Zeit eine so ausserordentliche Rolle spielte 154 (IV, c. 4), oder einem über das eheliche Leben, bei Gelegenheit der Erzählung von der fabelhaften Begattung der Viper mit der Muräne (V, c. 7): vornehmlich werden eben die Thiere dem Menschen zum Muster oder auch zur Warnung vorgehalten So zum Muster in der Gastfreundschaft die Krähen, in der Pietät gegen die Eltern die Störche, in der mütterlichen Sorge die Schwalben, die zugleich ein Bild der bescheidenen und zufriedenen Armuth sind (V, c. 16 u. 17); während die Fische, die sich einander fressen, den Habsüchtigen zur Warnung dienen sollen (l. l., c. 5)., indem bei ihrer Betrachtung Ambrosius mit Vorliebe länger verweilt, gar manches merkwürdige und zugleich wahre, aber auch vielerlei wunderbares und fabelhaftes erzählend, was das Mittelalter begierig hier aufnahm und in seiner Literatur weiter trug, namentlich auch in seinen Physiologi verwerthen konnte.

Während dieses Werk aber trotz aller seiner Entlehnungen ein schönes Zeugniss von der anmuthigen Beredsamkeit des Ambrosius ist, deren edle Volksthümlichkeit sich hier recht glänzend zeigt, ist es zugleich durch die Art der christlichen Assimilation der heidnisch-antiken Naturgeschichte, die durchaus moralisch und typologisch behandelt wird, ebenso merkwürdig als durch den Standpunkt, welchen hier die neue christliche Weltanschauung der Naturwissenschaft und Forschung gegenüber einnimmt, und leider so lange behauptet hat. An die Stelle von Naturgesetzen tritt einfach der unmittelbare allmächtige Wille Gottes. Die Bibel genügt auch für die Naturkenntniss: wo die Genesis nicht ausreicht, helfen die Aussprüche der Propheten, die Ambrosius auch vielfach heranzieht. Sehr bezeichnend ist in dieser Beziehung was er Kapitel 6, Buch I, in dem Satze sagt (§ 22): ›Von der Qualität oder der Position der Erde zu handeln, nützt nichts zum zukünftigen Leben ( ad spem futuri ), da zur Wissenschaft genügt, was die Reihe der heiligen Schriften enthält: »dass Er die Erde in nichts aufhängt« (Hiob, c. 26, v. 7). Quia suspendit terram in nihilo: so schreibt Ambrosius. Was sollen wir also darüber discutiren, ob sie in der Luft hängt oder über dem Wasser?‹ – – ›Nicht also, fährt er dann etwas später fort, weil die Erde in der Mitte sei, schwebt sie wie in einer gleichen Wage, sondern weil die Majestät Gottes durch das Gesetz seines Willens sie nöthigt, über dem Unbeständigen und Leeren feststehend sich zu behaupten‹. Ut supra instabile atque inane stabilis perseveret. Nach solcher Grundansicht wird das Naturwunder, 155 d. h. das von den bekannten Natur-Erscheinungen und Gesetzen Abweichende, nicht zum Gegenstand der Untersuchung und Erforschung gemacht, sondern in seiner Wunderbarkeit gerade ganz aufgenommen und belassen, weil es ein Zeichen des unmittelbar hervortretenden Willens Gottes ist; man bemühte sich keineswegs, biblische Erzählungen dieser Art mit der Natur in Einklang zu setzen, vielmehr hob man absichtlich den Gegensatz hervor. So wird selbst ein Naturwunder durch ein anderes erhärtet: die Scheidung der Wasser durch das Firmament (Gen. I, v. 6) soll ein solches sein, nicht minder aber auch die Scheidung des Wassers vom Wasser im rothen Meer bei der Flucht der Juden: Gott hätte diese auch anders retten können, meint Ambrosius (II, c. 3), aber es geschah also, damit die Menschen durch das Wunder, das sie erlebt, um so eher jenes glaubten, das vor ihrer Erschaffung geschehen.

Zu derselben Klasse der Schriften des Ambrosius gehören auch die drei sehr umfangreichen: Enarrationes in Psalmos XII, Expositio in Psalmum CXVIII Nach Förster, a. a. O. S. 90, für die Lehrentwickelung des Kirchenvaters von besonderer Bedeutung. und Expositio Evangelii secundum Lucam , in welchen aber der exegetische Charakter durchaus vorherrscht und das oratorische Element in den Hintergrund tritt; sie haben für die allgemeine Literatur ein zu geringes directes Interesse, um hier dabei zu verweilen, so viel Ansehen sie seiner Zeit und auch später im Mittelalter hatten, die Art der Bibelerklärung ist ohnehin dieselbe, als wir sie bei Ambrosius schon kennen lernten, der auch in ihnen mehr oder weniger Origenes benutzt hat; nur sei bemerkt, dass in dem zuletzt genannten Werke die allegorische Auslegungsweise insbesondere dazu gebraucht wird, unter einander abweichende Aussagen der verschiedenen Evangelien in Einklang zu bringen.

Auch den rein ethischen Schriften des Ambrosius scheinen zum Theil wenigstens Predigten oder Reden als Material zu Grunde zu liegen; jedenfalls sind sie mehr oder weniger in der Form von Sermonen geschrieben. Wie schwierig im einzelnen Falle die Entscheidung der Frage ist, ob wirklich gehaltene Predigten zu Grunde liegen, und wie die Benedictiner Herausgeber, denen die folgenden Editoren und Patrologen ohne alle Kritik nachschwätzen, in dieser Beziehung zu weit gehen, zeigt das Werkchen › De virginibus‹: denn sie sagen nur, dass Ambrosius seine Aufsehen erregenden Reden ( sermones) über diesen Gegenstand auf Bitten der Schwester in jene drei Bücher vertheilte ( in tres illos libros digerere), ohne zu erwähnen oder zu bedenken, was er im Eingange des Werkchens sagt. Abgesehen von 156 dem bedeutenden Werke De officiis ministrorum , auf das wir hernach näher eingehen, sind sie der Askese und vornehmlich der Jungfräulichkeit gewidmet. Die interessanteste von ihnen ist die in fünf kurzen Büchern an seine Schwester Marcellina von unserm Autor gerichtete Schrift: De virginibus . Sie gehört zu den frühsten Werken desselben, da er, wie er darin selbst sagt, bei ihrer Abfassung noch kein Triennium Priester war, auch eine Entschuldigung in Betreff seiner Darstellung noch für angezeigt hält. Diese lässt auch in der That eine gewisse jugendliche Unreife in dem mitunter sehr blumenreichen und spielenden Stile nicht verkennen, wie denn auch die geistliche Galanterie, die, auch bezeichnend für jene Zeit, im Schlusskapitel des zweiten Buchs sich kundgibt Haec ego vobis, sanctae virgines, nondum triennalis sacerdos munuscula paravi, licet usu indoctus, sed vestris edoctus moribus. – – Si quos hic flores cernitis, de vestrae vitae collectos legite sinu. Non sunt haec praecepta virginibus, sed de virginibus exempla.Vos si quam nostro gratiam inhalastis ingenio, vestrum est quidquid iste redolet liber. , auf ein jüngeres Alter des Autors hinweist, obschon er freilich die Mitte der Dreissig überschritten haben musste. Man erkennt zugleich leicht, welchen bedeutenden Einfluss die Schwester auf ihn, namentlich seine asketische Richtung gehabt hat. So ist dies Werkchen für die Entwickelungsgeschichte des Ambrosius ebenso interessant als in allgemeiner kulturgeschichtlicher Beziehung, wie es denn auch von sehr grosser Wirkung war. Es machte in den weitesten Kreisen für das Nonnenthum Propaganda.

In dem ersten der drei Bücher wird der hohe Werth der Jungfräulichkeit, die als eine specifisch christliche Tugend erwiesen wird, gefeiert, und der Vorzug der Jungfrau vor dem Weibe gepriesen, zugleich aber den Eltern gezeigt, wie sie durch ein solches Gott dargebrachtes Geschenk ihre eigenen Vergehen sühnen können – eine Ansicht, die auch in der Folge so sehr massgebend wurde; auch wird die Widersetzlichkeit der Töchter gegen die Ehe gerechtfertigt, indem Ambrosius einen solchen in seiner Zeit vorgekommenen Fall als ein ruhmwürdiges Beispiel erzählt. Im zweiten Buche soll nun die Unterweisung der Jungfrau, die sich Gott weiht, gegeben werden, und zwar 157 durch Beispiele viel mehr als durch Lehren, indem hier die Jungfrau Maria sowie die heil. Thekla als Vorbilder hingestellt werden, die eine für die Disciplin des Lebens, die andere für die todesmuthige Aufopferung desselben. Hieran reiht sich die ausführlich und sehr lebendig erzählte Legende von einer zum Lupanar verurtheilten Christin, die durch einen Soldaten vor der Schande gerettet, mit ihm zugleich den Martyrtod erleidet. Sie tauscht mit dem Soldaten die Kleider und entflieht so; als er aber zur Strafe hingerichtet werden soll, kehrt sie zurück, um mit ihm zu sterben. c. 4. Ambrosius vergleicht im folgenden Kapitel damit die in Schillers Bürgschaft besungene Freundschaftsthat des Alterthums, die ihm zwar auch des Lobes, aber eines geringern, würdig erscheint. Das dritte Buch fügt noch eine Reihe einzelner Vorschriften hinzu, indem zunächst die Rede, welche der Papst Liberius bei der Einweihung der Marcellina selbst gehalten, mitgetheilt wird, und daran sich noch specielle Ermahnungen (auch gegen die Uebertreibung des Fastens) und Belehrungen für die Schwester von Seiten des Ambrosius knüpfen. So war das Werkchen in der That ein Hand- und Lehrbuch des Nonnenthums. – Dieselbe oder eine ähnliche Tendenz verfolgen noch andere Schriften des Ambrosius, als De virginitate, De institutione virginis, De viduis, Exhortatio virginitatis , welche durch besondere Veranlassungen hervorgerufen wurden.

Das bedeutendste Werk des Ambrosius aber auf dem Gebiete der Ethik ist zugleich das, welches von allen seinen Prosaschriften das allgemeinste literarische und das grösste kulturgeschichtliche Interesse darbietet, seine drei Bücher De officiis ministrorum , über die Pflichten der Diener der Kirche, welche er am Abend seines Lebens, im Anfang der neunziger Jahre verfasst hat. Dieses Werk, das nicht bloss eine unmittelbare Nachbildung der berühmten Schrift des Cicero, vielmehr eine merkwürdige Uebertragung derselben ins Christliche ist, zeigt, wie kein anderes jener Zeit, den vollkommenen Umschwung der ganzen Weltanschauung – trotz mancher Verwandtschaft der stoischen mit der christlichen Moral, die eine solche Uebertragung überhaupt erst möglich machte –, während es zugleich jenen Process der Assimilation der antiken Kultur von Seiten des Christenthums, der hier Inhalt wie Form betrifft, in der eigenthümlichsten und bedeutendsten Weise beurkundet. Cicero schrieb sein Werk zunächst für seinen, damals in Athen 158 studirenden, jugendlichen Sohn Marcus, der sich der staatsmännischen Laufbahn widmen wollte, dem höchsten Beruf in dem antiken Staatswesen; Cicero hat daher in seiner Pflichtenlehre echt römisch antik ganz besonders den Staatsmann im Auge, der, wenn er zugleich Weltweiser war, gleichsam den Menschen auf der höchsten Stufe der Entwickelung dem heidnischen Alterthum darstellte: Ambrosius, der Bischof, schreibt auch zunächst für seine Söhne – es sind die jungen Geistlichen, wie es der Kleriker nunmehr ist, der auf der menschlichen Stufenleiter die oberste Sprosse einnimmt. Beide Werke sollen aber auch für alle Welt bestimmt sein, nur dass dort der philosophische Staatsmann, hier dagegen der Geistliche das Ideal, das höchste Vorbild ist, wenn auch die eingeschärften Pflichten nur zum Theil allgemein menschliche, zum Theil den besondern Stand betreffende sind; aber mit der nöthigen Einschränkung konnten dieselben auch den andern zur Richtschnur dienen, denn wie im heidnischen Alterthum der Mensch ein ›politisches Wesen‹ war, so war ja im christlichen ein jeder auch zum Priester berufen.

Auch die stoische Eintheilung der Pflichten in mittlere und vollkommene, deren Cicero gedenkt, wird von Ambrosius adoptirt (I, c. 11), und nun aus der Bibel selbst begründet; aber die vollkommene Pflichterfüllung, die bei den Stoikern nur dem Weisen zukommt, den allein der reine Gehorsam gegen die Vernunft leitet, wird hier in eine höhere Entsagung, eine grössere Aufopferung des Ich gesetzt. Ambrosius bezieht sich hier auf Matth. c. 19, v. 16 ff., wo der Jüngling Christus fragt: › was soll ich Gutes thun, dass ich das ewige Leben habe?‹ Thue die Gebote, antwortet Christus, und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das sind nun nach Ambrosius die mittlern Pflichten. Als aber der Jüngling weiter fragt, was ihm noch fehle, da er das verlangte gethan, so erwidert Christus (v. 21): ›Willst du vollkommen sein ( perfectus ), so gehe hin, verkaufe was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach.‹ Die vollkommene Pflichterfüllung des Christen besteht also in der Askese, und ist vor allem Sache der Geistlichen: aus dieser Anschauung entwickelte sich ja das Mönchthum, das gerade in jener Zeit erst aufzublühen begann. Wie die Askese selbst dem Heidenthume entlehnt war, so auch die Ansicht von dem 159 Unterschiede einer höhern und niedern Sittlichkeit. Uebrigens wird jene Pflichteneintheilung bei Ambrosius wie bei Cicero nur incidenter behandelt. – Die Christianisirung der Ciceronianischen Pflichtenlehre im Buche des Ambrosius gibt sich aber in allgemeiner Beziehung vornehmlich noch in einem wichtigen Punkte kund, der mit dem eben erörterten in nahem Zusammenhange steht. Ich meine das letzte Ziel der Pflichterfüllung. Das höchste Gut ist dem Stoiker die Tugend selbst, dem Ambrosius dagegen ist die Tugend nur ein Mittel zum höchsten Gut, welches selbst die Seligkeit des ewigen Lebens ist – und das ist ja auch eben das Ziel, welches in der oben angezogenen Bibelstelle der Jüngling vor Augen hat – jene aber besteht nach der Schrift, sagt Ambrosius, in der Erkenntniss der Gottheit und der Frucht des guten Handelns. Scriptura autem divina vitam aeternam in cognitione posuit divinitatis et fructu bonae operationis. II, c. 2, § 5. Zum Zeugniss dessen beruft sich Ambrosius hier auf Joh. 17, v. 3 und Matth. 19, v. 29. – Auf diesen Unterschied wird schon bald im Anfange des Werks, I, c. 9, § 28 von Ambrosius hingewiesen. So ist die Verschiedenheit des allgemeinen Standpunkts beider Werke.

In den einzelnen Büchern folgt Ambrosius aber in Bezug auf die behandelten Materien im allgemeinen dem Cicero durchaus, wenn er auch einzelnes an eine andere Stelle rückt und einzelnes originelle, selbst ganze solche Abschnitte, einschiebt: so behandelt auch er im ersten Buche das Sittlichgute ( honestum ) und die daraus entspringenden Pflichten. Nach einer eigenthümlichen Einleitung und nachdem er von den besondern Pflichten der jungen Geistlichen in Rede und Handlung, namentlich der Beobachtung der verecundia und der Vermeidung der iracundia , gesprochen – auch hier durchaus im Hinblick auf Cicero, nur dass dieser die jungen Männer überhaupt ins Auge fasst – geht er, wie dieser, zu den vier Cardinaltugenden über (I, c. 27 ff.), deren Kenntniss und Begriffsbestimmung das Mittelalter vorzugsweise hier schöpfte. Obgleich Ambrosius hier, wie auch sonst, seiner heidnischen Vorlage sich oft genau, mitunter selbst wörtlich anschliesst, sodass ganze Sätze, Ausdrücke und Wendungen ihr entlehnt sind, so versäumt er doch andererseits nicht die von dem Christenthum gebotenen Einschränkungen zu machen, die denn recht den Unterschied der christlichen von der heidnischen Moral erkennen lassen: so, 160 wenn Cicero (I, c. 7) es für die erste Pflicht der Gerechtigkeit erklärt, keinem zu schaden, aber den Fall der Herausforderung durch Beleidigung ausnimmt, will Ambrosius natürlich von dieser Ausnahme nichts wissen (c. 28). Bei alledem ist unserm Kirchenvater doch hier und da einmal einzelnes heidnische durchgeschlüpft, wo sich dasselbe nämlich mit dem Judenthume, dem Gesetze des alten Bundes berührte: z. B. wo von der Gerechtigkeit auch im Kriege dem Feinde gegenüber die Rede ist, wird die Rache ( ultio ), welche Moses an den Midianitern nahm, deren Männer alle nach der Besiegung ermordet wurden, gerechtfertigt gefunden Numeri c. 31, v. 7. De off. ministr. I, c. 29., ebenso wie Cicero die Zerstörung Carthagos und Numantias billigt, weil diese Feinde grausame waren. De off. I, c. 11. Eine Eigenthümlichkeit des Buchs des Ambrosius, welche die echt christliche Sittenlehre wohl zu verdunkeln im Stande war, besteht nämlich noch darin, dass er an der Stelle der von Cicero aus der römischen und griechischen Geschichte entlehnten Beispiele, fast stets das Alte Testament zu dem Zwecke anzieht Selten das Neue, oder die Legende; so werden, was diese angeht, die heil. Agnes und Laurentius als Muster der Fortitudo erwähnt, I, c. 41; auf den letztern kommt er noch einmal II, c. 28 zurück., als wären die Juden die Vorfahren der Christen Ja, sie werden als solche sogar ausdrücklich von ihm bezeichnet: › patres nostri‹ III, c. 17, § 99., wie er denn auch die richtigen Moralgrundsätze der Heiden dem Alten Testamente, namentlich den Propheten, entnommen glaubt. Dies sagt er offen I, c. 21, § 92; alles gute der heidnischen Philosophie sollte ja aus dieser Quelle stammen, wie schon die ältesten christlichen Autoren annahmen.

Während das zweite Buch Cicero mit einer Rechtfertigung seines philosophischen Studiums in den beiden ersten Kapiteln eröffnet, gibt Ambrosius hier in seinen fünf ersten eine Erörterung über die Seligkeit, welches Proömium mit dem Folgenden freilich so wenig einen unmittelbaren Zusammenhang hat, dass er mit dem sechsten Kapitel einen neuen Anfang macht, um nun wieder, wenn auch mit noch grösserer Freiheit, dem Werke Cicero's zu folgen, der in diesem Buche das Nützliche behandelt, das was gewissermassen dem äussern Glücke dient. Wie 161 gewinnen wir die Mitmenschen, die Mitbürger für uns (denn dem Menschen schadet und nützt am meisten der Mensch selber): das ist die Hauptfrage, die Cicero hier beantworten will. Dies Buch ist nun im ganz besondern Hinblick auf den Staatsmann bei ihm geschrieben. Das höchste Ziel ist der Ruhm ( gloria ) und dieser gründet sich auf die Liebe, das Vertrauen und die Bewunderung der Menge. Ambrosius untersucht hier nun auch, was zu unserer Empfehlung ( ad commendationem nostri , c. 8) bei den Mitmenschen dient, und wie die caritas, fides und admiratio derselben zu gewinnen ist, aber er thut es mit besonderer Rücksicht auf die Geistlichkeit. Hier werden denn, wenn auch noch öfters im Anschluss an Cicero, manche speciell christliche zeitgemässe Rathschläge gegeben – wie denn die Rücksicht, die der Autor auf seine Zeit nimmt (was übrigens auch Cicero seinerseits that), dem Werke noch ein besonderes, kulturgeschichtliches Interesse verleiht. So wird bei der Anempfehlung der Freigebigkeit (c. 15) der Loskauf der Kriegsgefangenen aus den Händen der Barbaren, die Unterstützung der Schuldner, der Schutz der Waisen, die Gastfreundschaft gegen Fremde zur Pflicht gemacht; so verlangt Ambrosius, dass nach Ehrenstellen, zumal geistlichen, nur durch gute Handlungen und in reiner Absicht gestrebt werde, und eifert wie gegen den Ehrgeiz, so auch gegen die Habsucht des Klerus (c. 24 ff.), während er dagegen das Mitleiden über alles erhebt – was seine Zeit nicht minder als ihn selber charakterisirt.

Das dritte Buch von Cicero's Werk behandelt die Collision des Nützlichen mit dem Sittlichguten. In Wahrheit könne eine solche nicht entstehen, meint er, da das Sittlichgute allein das wahrhaft Nützliche sei: das höchste Gut ist ja die Tugend; Ambrosius ist derselben Ansicht, von seinem Standpunkt ist ja nur nützlich, was zur ewigen Seligkeit dient. Die Collision kann also nach Cicero nur eine scheinbare sein. Der Nutzen, wenn er auf Kosten eines andern erfolgt, ist ein ungerechter: ein solcher, führt Cicero aus, ist eine Verletzung der menschlichen Gesellschaft und gegen die Natur selbst, der Nutzen aller ist auch der unsere. Ambrosius hat schon früher (II, c. 6) aufgestellt, dass das wahrhaft Nützliche mit dem Gerechten identisch sei; er stimmt hier aber (III, c. 2) nicht bloss Cicero bei, sondern geht von dem christlichen Standpunkt aus noch einen Schritt weiter: man soll des Nächsten Vortheil suchen, nicht 162 den eigenen S. dagegen Cicero III, c. 5, § 22., wie es 1. Cor. c. 10, v. 24 heisst: Niemand suche was sein ist, sondern ein jeglicher was des andern ist. Ambrosius verweist da auf das grosse Vorbild Christi. Im Anschluss an Cicero behandelt er dann manche einzelne Fälle, wo jene Collission scheinbar eintritt, nur sind die Beispiele, die in diesem Buche eine Hauptrolle spielen, eben andere, aus dem Alten Testament entlehnt.

Was die Composition dieses Werkes des Ambrosius angeht, so ist dieselbe äusserst mangelhaft. Schon Cicero's Werk lässt einen festen Gang der Darstellung und klare Uebersichtlichkeit im einzelnen nicht selten vermissen, es ist das Ganze eben nicht aus einem Gusse. Die Hauptquelle der zwei ersten Bücher bildet bekanntlich ein Werk des Panaetius, des dritten wahrscheinlich eins des Posidonius, daneben sind aber noch andere griechische Philosophen benutzt; zu Cicero's eigenen Zusätzen aber kommt noch, dass seine Vorlagen im Geiste Roms und seiner Zeit von ihm umgearbeitet sind. Ambrosius verfährt nun mit Cicero's Werk selbst in einer ähnlichen Weise, aber seine Umarbeitung musste viel durchgreifenderer Art werden. So litt der urprünglich wohl ausgeführte Bau noch mehr, sodass, um im Bilde zu bleiben, er alles Stilvolle verlor. Es erscheint in dieser Beziehung des Ambrosius Buch als ein wüstes Labyrinth, durch das erst das Werk des Cicero den Faden der Führung liefert. Man hat deshalb auch angenommen, dass es aus einzelnen Sermonen zusammengeschweisst sei: einige mögen hinein verarbeitet sein, denn gar viele Partien hängen nur ganz lose zusammen, aber das Ganze aus Predigten hervorgehen zu lassen, hiesse, den Ambrosius sich den Cicero zum Text nehmen zu lassen! Das Werthvollste, wie dem Inhalt, so auch der Darstellung nach, bilden die einzelnen Moralvorschriften, die Ambrosius auf Grund eigener Lebenserfahrung, und in einer das Gemüth ergreifenden Art darzustellen weiss.

Die rednerische Begabung und Bildung des Ambrosius, die wir schon gelegentlich seiner Bibelerklärung und moralischen Unterweisung von der Kanzel kennen lernten, tritt noch glänzender und reiner in drei berühmten Leichenreden hervor, die uns von ihm erhalten, und welche die ältesten der christlichen Literatur des Abendlandes sind. Die erste ist bei der 163 Bestattung seines von ihm innig geliebten Bruders Satyrus 379 gehalten, und mit einer acht Tage später am Grabe desselben vorgetragenen Trostpredigt über den Glauben an die Auferstehung zu einem Werkchen ( De excessu fratris sui Satyri libri II ) von ihm vereinigt worden. Der Eindruck der Leichenrede ward noch erhöht durch die Gegenwart des Todten selbst, der nach der Sitte der Zeit und des Landes mit unverhülltem Angesicht zu den Füssen des Redners lag, welcher seine Worte nicht selten an ihn selbst richtet. Auf einer in beider gemeinschaftlichem Interesse unternommenen Reise hatte Satyrus Schiffbruch gelitten und kaum das Leben gerettet, als er bald darauf, nach seiner Rückkehr nach Mailand, doch ein Raub des Todes wurde. Die Angst und Sorge, die Ambrosius um ihn während der Reise getragen, die Freude über seine Rettung, und der dennoch ihr so bald folgende Verlust, der nur um so unerwarteter kam, – alle diese Momente treten wirkungsvoll in der Rede hervor, indem sie die persönliche Theilnahme lebhaft steigern. Und bei aller rhetorischen Kunst kommt doch das Herz auch zum unmittelbarsten Ausdruck. So fesselt die Rede, die namentlich bei den Tugenden des Bruders länger verweilt, noch heute. Indem ich hier von der Trostpredigt absehe, obwohl sie in stilistischer Beziehung zu den bessern Werken des Ambrosius gehört, bemerke ich nur, dass in derselben des Mythus vom Phönix ausführlich gedacht wird § 59.

Ein grösseres stoffliches Interesse haben die beiden andern Reden, sie zeigen dazu unsern Autor von einer neuen Seite, in seiner Bedeutung als Staatsmann. Die eine ist beim Tode Valentinians II. 392, die andere bei dem Theodosius' des Grossen 395 gehalten; es sind zugleich nicht unwichtige historische Denkmäler. Die erstere, ästhetisch bedeutender, zeichnet sich vor der zweiten durch einen wärmeren und freieren Ausdruck des Gefühls aus; das Herz des Redners selbst war hier mehr im Spiel: die verschiedensten Umstände wirkten dazu mit. Valentinian war, nur 20 Jahre alt, eines gewaltsamen Todes gestorben; nach dem Tode seines Bruders Gratian hatte Ambrosius dem Kinde eine väterliche Theilnahme geschenkt, er hatte die Anfänge seiner Regierung geschützt, indem er die gefährliche Gesandtschaft an den Mörder Gratians unternahm, er war ihm auch später eine Stütze gewesen. Dazu kam noch der besondere Umstand, dass der junge Fürst kurz vor seiner 164 Ermordung in Gallien die Reise des Ambrosius zu ihm sehnlichst gewünscht hatte, nicht bloss um von ihm die Taufe zu empfangen, sondern auch seiner einflussreichen Vermittelung in den Misshelligkeiten mit dem Comes Arbogastes, der sein Mörder wurde, theilhaftig zu werden; Ambrosius hatte sich auch aufgemacht, unterwegs aber überraschte ihn die Todeskunde. Der Gedanke, dass, wenn er bei dem Kaiser gewesen, die Unthat wahrscheinlich unterblieben wäre, war ihm besonders schmerzlich. Nehmen wir noch dazu die Anwesenheit der Schwestern des Kaisers bei der Feier, so vereinigte sich vieles, das Gemüth des Redners tief zu ergreifen, der ungesucht andere rührt, wo er jener Umstände gedenkt. Vgl. z. B. § 28, § 40 ff., § 46. Der Stil, frei von Schwulst, zeichnet sich da oft durch eine edle Einfachheit aus. Merkwürdig aber ist, wie in der Darstellung alttestamentliche mit klassischen Reminiscenzen sich kreuzen. Allerdings sind der letztern, die namentlich aus Virgil, nur wenige, während die Anführungen aus den Schriften des alten Bundes auf jedem Blick uns begegnen. In eigenthümlicher Weise wird das Hohe Lied benutzt, indem der Redner die dort gegebene Schilderung des Jünglings auf Valentinian überträgt Insofern Valentinian das Bild Christi an sich trägt, sowie die Soldaten mit dem Namenszuge des Imperators bezeichnet werden. Christus aber bedeutete ja der Jüngling des Hohen Liedes nach der allegorischen Interpretation. S. § 58., nur die körperlichen Vorzüge jenes in geistige umdeutend. Z. B. § 62: Labia eius sicut lilia etc. Manus eius tornatae (sic), aureae etc, eo quod in verbis eius iustitia refulgeret, in factis et operibus reniteret gratia etc. Ambrosius schliesst wirkungsvoll damit, dass er den Aufflug der Seele Valentinians zum ewigen Frieden, und wie sie von der des Bruders Gratian dort liebevoll empfangen wird, schildert, um sie beide vereint noch einmal zu preisen.

Theodosius war zu Mailand gestorben. Dort fand, ehe die Leiche nach Constantinopel übergeführt wurde, in Gegenwart des Honorius, des neuen Augustus des Occidents, die kirchliche Todtenfeier statt, bei welcher Ambrosius seine Rede hielt. Diese hat nun im Unterschied von der eben betrachteten einen staatsmässigen Charakter wie eine vorwiegend politische Tendenz, indem sich so zugleich, dünkt mir, auch die Art der 165 Freundschaft, die beide grossen Männer mit einander verband, reflectirt. S. übrigens in der Beziehung § 33 ff. der Rede. Der officielle Pomp gibt sich sofort im Eingang zu erkennen, wo in fast heidnischer Weise der Prodigien gedacht wird, der Erdbeben, ununterbrochenen Regen und finstern Nebel, die diesen Tod der Welt ankündigten. Die Rede geht dann alsbald zu einer Captatio benevolentiae an die Soldaten, die ja noch immer über den Thron des Weltreichs entschieden, über: den Kindern des Verstorbenen, in denen er fortlebe, die Treue, die sie dem Vater gewidmet, zu bewahren. ›Die fides Wegen des Doppelsinns ›Glauben‹ und ›Treue‹ hier unübersetzbar. Die Stelle, die von der rednerischen, beziehungsweise advocatorischen Gewandtheit des Ambrosius zeugt, lautet im Original § 8: Theodosii ergo fides fuit vestra victoria: vestra fides filiorum eius fortitudo sit. Fides ergo auget aetatem. Nec mirum, si auget aetatem fides, cum repraesentet futura. Quid enim est fides, nisi rerum earum, quae sperantur, substantia? Sic nos scripturae docent. Nämlich Paulus Epist. ad Hebraeos c. 11, v. 1. des Theodosius war euer Sieg, eure fides sei die Stärke seiner Söhne. Die fides mehrt das Alter: sie repräsentirt ja die Zukunft. Denn was ist die fides anders, als die Substanz dessen, was man hofft? wie die Schrift selbst lehrt.‹ Die Tugenden des Theodosius, namentlich seine Frömmigkeit und Milde, werden dann den Soldaten in Erinnerung gebracht, um sie desto mehr für die Nachfolger zu verpflichten, denen der Schutz Gottes nicht fehlen könne. Ambrosius benutzt dann hier in ähnlicher Weise Stellen der Psalmen, als in dem Elogium auf Valentinian das Hohe Lied, um seine Rede weiter zu spinnen, die schliesslich, auch wie dort, Theodosius in den Himmel einführt und seine Begegnung mit seinen Verwandten und den christlichen Vorgängern auf dem Kaiserthron schildert. Hier gedenkt denn Ambrosius mit besonderm Lob der Helena, des grossen Constantin Mutter, die diesem die himmlische Hülfe erworben habe durch die Auffindung des Kreuzes, wobei der Redner längere Zeit verweilt. Helena wird so hoch gestellt, dass sie mit Maria sich vergleichen darf. Illa generatum docuit, ego resuscitatum – lässt Ambrosius sie sagen. § 44, vgl. auch § 47. Sie liess von dem einen der Kreuznägel einen ›Zaum‹ machen (es ist wohl an die ›Stange‹ gedacht), den andern in ein Diadem verarbeiten De uno clavo frenos fieri praecepit, de altero diadema intexuit. § 47., und sandte 166 beides ihrem Sohn, ›der es gebrauchte und den Glauben den Nachfolgern hinterliess‹, sodass sich zu seinen Zeiten das Wort des Propheten (Zachar. c. 14, v. 20) erfüllte: In die illa erit quod super frenum equi, sanctum domino omnipotenti . ›Die Krone aber ist vom Kreuznagel, damit der Glaube leuchte, der Zaum dagegen, damit die Macht regiere.‹

Von den Prosawerken des Ambrosius bleibt noch eine Klasse mir zu betrachten übrig – denn die rein dogmatischen habe ich hier zu übergehen Es sind: › De fide libri V ad Gratianum Augustum‹, auf dieses Kaisers Aufforderung verfasst, worin namentlich die Gottheit des Sohnes dem Arianismus gegenüber dargelegt wird – das bedeutendste dogmatische Werk des Ambrosius, das im Mittelalter sehr geschätzt wurde; ferner: › De spiritu sancto libri III ad Gratianum‹, auch im Interesse der katholischen Trinitätslehre und gegen den Arianismus verfasst; › De incarnationis dominicae sacramento‹, eine Ergänzung des zuerst genannten Werks, gegen die Arianer und namentlich die Apollinaristen; › De poenitentia libri II‹ gegen die Novatianer; › De mysteriis‹ (über die Sacramente) an die Neugetauften gerichtet. – Auch von diesen Schriften sind zwei, die zuletzt genannte und › De incarn.‹ aus Reden hervorgegangen. Uebrigens ist die polemische Tendenz, die fast alle diese Werke haben, beachtenswerth; sie zeigt schon, dass auch bei ihrer Abfassung praktische Rücksichten massgebend waren. – seine Epistulae , von denen über 90 echte uns erhalten sind. Sie sind sehr verschieden in Hinsicht des Inhalts wie der Form, indem sie in ersterer Beziehung zum Theil an die anderen Klassen sich anschliessen. Der Briefe im engeren Sinne des Wortes sind nämlich nur gar wenige, die meisten dieser Episteln sind mehr oder weniger öffentlicher, selbst amtlicher Natur, Sendschreiben, ja manche, von einer kurzen äusserlichen Briefeinkleidung abgesehen, Schriften. Für die allgemeine wie die Kirchengeschichte finden sich hier die werthvollsten Quellen. Zugleich lernt man Ambrosius als Bischof in seiner bedeutenden Stellung zur Kirche des Abendlandes wie zum Staat, und andererseits seiner Geistlichkeit und Gemeinde gegenüber als berathenden Lehrer und Seelsorger nach den verschiedensten Beziehungen kennen. So finden sich hier Schreiben im Namen von Synoden an den Papst, die Bischöfe oder den Kaiser gerichtet, ja solche, worin ganze Synodalverhandlungen niedergelegt sind; ferner Anweisungen und Anordnungen in Bezug auf das geistliche Amt und den Kultus (wie z. B. ep. 23 über die Bestimmung der Osterzeit, an die 167 Bischöfe der Aemilia); Beantwortungen gewisser biblischer oder religiöser Fragen von Klerikern, wie in den Briefen an Irenaeus, Horontianus oder Simplicianus, die kleine Abhandlungen sind (zumal auch mehrere solcher Briefe sich aneinander schliessen) z. B. darüber, warum der Mensch später als die andern Dinge erschaffen sei, ep. 43 In dem folgenden Brief, der auch an das Hexaëmeron anknüpft, wird namentlich die Bedeutung der Siebenzahl erörtert., oder, ob ein Unterschied in der Liebe Gottes in Betreff der, welche von Kindheit an, und der, welche erst im spätern Alter an ihn glaubten, ep. 31, woran sich in der folgenden Epistel die Erklärung einer Stelle aus dem Jeremias knüpft Jerem. c. 17, v. 11; in der Vulgata lautet die Stelle: Perdix fovit quae non peperit, bei Ambrosius: Clamavit perdix, congregavit quae non peperit. Unser Kirchenvater zeigt nun in diesem Brief umständlich, dass das Rebhuhn ein Typus des Teufels sei, indem er auf die über den Vogel umlaufenden fabelhaften Geschichten eingeht, und die Hülfe der Etymologie auch hier nicht verschmäht: perdix kommt nämlich von perdere. Diese Epistel ist im Hinblick auf die Bestiarien des Mittelalters von besonderm Interesse.; ferner auch Betrachtungen über die Schönheit Gottes, mit Rücksicht auf den geistlichen Beruf und die Lossagung von dem Irdischen, ep. 29 an Irenaeus. Ja einzelne der Episteln, wie ep. 37 und 41, enthalten ganze Predigten (die letztere bei Gelegenheit des Conflicts mit Theodosius wegen der Zerstörung der Synagoge von Callinicum gehalten, die Ambrosius in diesem Briefe mit ein paar einleitenden Worten seiner Schwester übersendet); in andern wieder spendet er Laien Trost, Ermahnung und Rath in einzelnen schwierigen Fällen (so räth er einem Richter, der in Betreff der Anwendung der Todesstrafe Bedenken trägt, ep. 25). Seinen eigenen persönlichen Angelegenheiten sind nur wenige Briefe gewidmet, und auch die betreffen zum Theil wieder seine öffentliche Stellung, wie die Briefe an die Schwester, welcher er die wichtigsten Lebensereignisse ausführlich mittheilt: so die Auffindung der Gebeine des Gervasius und Protasius, und die in Folge davon gehaltenen Reden (ep. 22), so seine Belagerung in dem Dome von Mailand (ep. 20) – Denkwürdigkeiten von grossem geschichtlichen Werth. Ein paar seiner vertraulichen Briefe, an den Bischof Sabinus gerichtet, haben auch ein besonderes Interesse, indem sie seine schriftstellerische Thätigkeit berühren: diesem Freunde theilt Ambrosius Schriften von 168 sich vor der Publication zur kritischen Durchsicht mit, die aber die Wahl des Ausdruckes, namentlich in Rücksicht der Glaubensreinheit, prüfen soll (ep. 48) S. ebenda § 7 in Betreff der Edition seiner Episteln.; dass er seine Werke zum Theil selbst niederschrieb, erfahren wir aus der vorausgehenden Epistel. Den Reiz der vertraulichen Correspondenz schätzte Ambrosius sehr hoch (ep. 49); aber wie viele Briefe dieser Art mögen, weil nicht zur Publication bestimmt, uns verloren gegangen sein!

Diejenigen unter den Episteln aber, welche das allgemeinste historische Interesse beanspruchen dürfen, sind seine an die Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius, sowie an den Usurpator Eugenius gerichteten Schreiben, unter welchen nach Inhalt und Form eine besonders bevorzugte Stelle wieder zwei Schreiben an Theodosius und zwei an Valentinian einnehmen. Von jenen beiden betrifft das eine (ep. 40) die Differenz des Ambrosius mit Theodosius in der Angelegenheit der Synagoge von Callinicum, auf welche wir oben schon hinwiesen, das andere (ep. 51) den Thessalonicher Mord, in welchen beiden Fällen die bischöfliche Macht, durch Ambrosius vertreten, sich mit der höchsten weltlichen, und zwar eines der thatkräftigsten Kaiser, mit vollstem Erfolge mass. Nirgends zeigt sich die politische Bedeutung, nirgends die Charakterstärke und der Muth des Ambrosius, sowie der Triumph seiner Beredsamkeit glänzender, so wenig auch in dem erstern Falle seine Sache die gerechte war. Die Synagoge war auf Anstiften des dortigen Bischofs von einem christlichen Volkshaufen zerstört worden; der Kaiser hatte den Bischof zum Wiederaufbau, die übrigen zur Bestrafung verurtheilt. Er wurde durch Ambrosius genöthigt, das Edict zu widerrufen. Dieser war in Aquileja, als dasselbe erlassen wurde, von dort schrieb er jenen Brief an den Kaiser; aber erst die oben erwähnte Predigt, in der er ihn selbst am Schluss zu apostrophiren die Kühnheit hatte, schlug vollends durch. – In dem andern Falle aber vertrat Ambrosius die Sache der beleidigten christlichen Humanität: ein allerdings schmählicher Aufruhr der Thessalonicher hatte mehrern hohen Beamten das Leben gekostet; Theodosius, ein Exempel zu statuiren, liess zur Strafe das in den Circus gelockte Volk ohne Unterschied, an 7000, niedermetzeln. Ambrosius nöthigte den Kaiser zur öffentlichen Busse.

169 Beide Schreiben enthalten Stellen glänzender Beredsamkeit, namentlich das erstere, wie sie zugleich von der diplomatischen Gewandtheit des Ambrosius Zeugniss ablegen: aber bedeutender sind noch in mancher Beziehung die beiden andern, an Valentinian gerichteten. Sie betreffen die berühmte Relation des Symmachus, den letzten schon oben ( S. 110) erwähnten denkwürdigen Versuch, die heidnische Staatsreligion zu restituiren (im Jahre 384). Das erste Schreiben (ep. 17), das in stilistischer Beziehung den Vorzug verdient, ist auf die erste Nachricht von dem Einlaufen der Relation in dem kaiserlichen Consistorium, als Ambrosius nur durch mündliche Mittheilung von ihrem Inhalt im allgemeinen, doch immerhin schon genau genug, unterrichtet war, von ihm verfasst, und zwar zu dem Zweck, sogleich den Eindruck der Relation zu paralysiren, und kraft seiner Eigenschaft als Bischof eine Mittheilung des Aktenstückes selbst zu einer gründlichern Widerlegung zu fordern. Diese wird nun in dem zweiten Schreiben (ep. 18), nachdem das Verlangen erfüllt, gegeben. Die beiden Episteln gehören also dem schon mit so vielem Erfolg bestellten Gebiet der apologetisch-polemischen Literatur an. Und Ambrosius reiht sich hier nicht unwürdig an seine grossen Vorgänger an. Er trägt über einen nicht zu unterschätzenden Gegner den Sieg davon. Symmachus, der, damals Präfect von Rom, im Namen des Senates spricht, und namentlich die Restitution des Altars der Victoria und der eingezogenen Einkünfte der Priester, insonderheit der Vestalinnen, erbittet, spielt nicht sowohl die Rolle des Heiden – denn er stellt sich auf den Standpunkt der allgemeinen religiösen Toleranz und gibt sogar seinem Skepticismus unverhüllten Ausdruck – als vielmehr die des Patrioten, dem die alte Religion der Vorfahren nur durch ihre innige Beziehung zum Staate von Werth ist. S. die Relation des Symmachus, welche auch zwischen den beiden Gegenschriften des Ambrosius von den Benedictinern Tom. VI und in der Ausgabe Ballerini's Tom. V, p. 370 ff. edirt worden ist, in Q. Aurelii Symmachi relationes, recens. G. Meyer. Leipzig 1872, und in Symmachi Opp. ed. Seeck, p. 280 (vgl. ibid. p. XVI ff.). An den Altar der Victoria knüpfen sich Roms Siege, seine Existenz selbst an das heilige Feuer der Vesta. Die Ehrwürdigkeit des alten Herkommens macht Symmachus geltend Consuetudinis amor magnus est. § 4., wie es stets die Reactionäre thaten, und ruft das 170 Pietätsgefühl des jungen Kaisers an, verschmäht aber auch nicht, den Aberglauben zu Hülfe zu nehmen: die Hungersnoth des letzten Jahres Des Jahres 383, welches auf das der Aufhebung der den Priestern und Vestalinnen gewährten Staatsunterstützungen folgte. soll eine Folge davon sein, dass die ›heiligen Jungfrauen‹ die Kornspenden nicht mehr zugleich mit dem Volke erhalten.

Ambrosius dagegen hebt sein erstes Schreiben mit der Erinnerung an, dass, wie die Menschen dem Kaiser, dieser Gott und dem heiligen Glauben als Soldat diene. In der Verehrung des einen wahren Gottes, des der Christen, sei allein das Heil. Niemand werde gekränkt, wenn Gott ihm vorgezogen würde. Es handle sich nicht einmal darum, etwas den Heiden zu belassen, sondern etwas ihnen zurückzugeben. In Betreff des Altars erinnert er auch an die christlichen Senatoren. Und was die reclamirten Emolumente der Priester betrifft, so werde die Kirche des Kaisers Geschenke verschmähen, wenn er sie zugleich den Heiden gewähre. Auch seine Jugend werde ihn nicht entschuldigen. Zuletzt aber beschwört Ambrosius, indem er geschickt die Mittel der Ueberredung steigert, die Schatten des Bruders und des Vaters, des Gratian und Valentinian I. (§ 16). ›Was willst du einst deinem Bruder antworten? Wird er dir nicht sagen: ich hielt mich nicht für besiegt, weil ich dich als Kaiser zurückliess, ich beklagte nicht meinen Tod, weil ich dich zum Erben hatte, ich seufzte nicht, vom Throne zu scheiden, weil ich alle meine Verordnungen, namentlich in Betreff der göttlichen Religion, für alle Zeiten erhalten glaubte? Das waren meine Triumphe, über den Teufel davon getragen. Was konnte mein Feind mehr mir entreissen? Du hast meine Decrete aufgehoben, was jener nicht einmal that, der gegen mich die Waffen erhob.‹ – Er meint den Usurpator Maximus, der Gratian ermorden liess. – Jetzt erhalte er eine schwerere Wunde, denn er laufe Gefahr an seinem bessern Theile: ›jener Tod war ein Tod des Leibes, dieser ist es der Tugend.‹

In dem zweiten Schreiben widerlegt dann Ambrosius Punkt für Punkt den Bericht des Senates. Einmal, dass Rom seine Grösse seinen Sacra verdanke – und wie Symmachus da Rom selbst redend einführte, so nun auch Ambrosius (§ 7): ›Was befleckt ihr mich täglich mit dem Blute der unschuldigen 171 Opferthiere?‹ – lässt er die ewige Stadt ihre Rede beginnen. ›Nicht in ihren Fibern, sondern in den Kräften der Krieger ruhen die Trophäen, die Siege.‹ Und andererseits, welche Niederlagen hätte sie trotzdem erfahren, und obgleich der Altar der Victoria stand. ›Ich erröthe nicht, ruft Rom dann aus, trotz meiner hohen Jahre mit dem ganzen Erdkreis mich zu bekehren. Denn wahrlich in keinem Alter ist es zu spät zum Lernen.‹ – ›Und wem soll ich mehr von Gott glauben, als Gott selber? Wie kann ich euch glauben, die ihr selbst gesteht, nicht zu wissen, was ihr verehrt?‹ Da lag eben die ganze Schwäche jener Anhänger des Alten. – Indem Ambrosius dann die Restitution der Privilegien und Staatsunterstützungen der Priester und Vestalinnen zurückweist, vergleicht er letztere mit den Gott geweihten Jungfrauen der Christen: eine um einen Preis erkaufte Jungfräulichkeit habe keinen Werth; der erste Sieg der Keuschheit sei, die Begierde nach Vermögen zu besiegen, weil das Streben nach Gewinn die Versuchung der Schamhaftigkeit sei (§ 12). – Der aus der Missernte des letzten Jahres entlehnte Grund des Symmachus aber war um so leichter zu widerlegen, als dieselbe einen grossen Theil des Reichs gar nicht getroffen, und ihr eine um so reichere Ernte in dem gegenwärtigen Jahre gefolgt war. – Dann wendet Ambrosius (§ 23) sich gegen das Argument der Consuetudo , der Ueberlieferung von den Vorfahren, und hier nimmt seine Rede wieder einen höhern, fast poetischen Aufschwung. Alles schreitet mit der Zeit zum Bessern fort, beginnt er diese Apologie des ›Fortschrittes‹, den das Christenthum in jener Epoche ja repräsentirte. Selbst die Natur zeige dies, und die Entwickelungsgeschichte der physischen Welt wie die des Menschen. Soll alles in seinen Anfängen bleiben? Mag es andern missfallen, dass die mit Finsterniss bedeckte Welt durch den Glanz der Sonne erleuchtet wurde. Und wie viel holder noch ist die Vertreibung geistiger Finsterniss als physischer, und der Glanz der Scheibe des Glaubens, als der der Sonne! (§ 28)Und haben doch auch schon die Vorfahren durch Aufnahme fremder Sacra das Herkommen verletzt! Beigelegt wird dem Ambrosius – auch von den ältesten Handschriften – der Auszug aus Josephus, der unter Hegesipps Namen geht. S. Reifferscheid in den Sitzungsber. der Wiener Akad. der phil.-hist. Cl. Bd. LVI, p. 442. Gegen die Autorschaft des Ambrosius erklärt sich mit Erfolg: Vogel, De Hegesippo qui dicitur Iosephi interprete. Erlangen 1881. – – 172

 


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