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Fünftes Kapitel.

Lactantius.

Ein Schüler des Arnobius, nach Hieronymus De vir. ill. c. 80; Epist. 70, ad Magnum. , so wenig es auch seine Schriften zeigen, ist der letzte Prosaiker dieser Periode, Lactantius Firmianus Firmiani Lactantii Opera, ad optim. libror. fidem emend. O. F. Fritzsche. 2 Partes. (Bibl. patr. cur. Gersdorf Vol. X–XI) Leipzig 1842–44. Le Nourry, Apparatus ad Bibliothecam maxim. veterum patrum. Tom. II. Paris 1715. fol. – A. Ebert, Ueber den Verfasser des Buches › De mortibus persecutorum‹ Im XXII. Band der Berichte über die Verhandlungen der k. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften., welcher Name vielleicht 73 auf eine italische Abkunft hinweist. Die Handschriften seiner Werke senden meist noch die Namen: Lucius Caecilius oder Caelius voraus. Die reine Latinität des Lactanz möchte dies bestätigen. Von Afrika, wo er seine Studien gemacht, und sich bereits sehr ausgezeichnet haben musste, wurde er durch Diocletian nach Nicomedien, der von diesem neu erwählten Hauptstadt, als Lehrer der lateinischen Beredsamkeit berufen. Da er aber in der griechischen Stadt wenig Schüler hatte, so widmete er sich der Schriftstellerei um so mehr, als ihm, wie er selbst gesteht Div. Inst. III, c. 13, und vgl. De opific. c. 20., auch die Begabung und Ausbildung für die praktische Beredsamkeit fehlte. Und als Schriftsteller hatte er bereits in Prosa und Versen sich versucht: schon als Jüngling hatte er ein Symposium verfasst, und in Hexametern seine Fahrt von Afrika nach Nicomedien beschrieben. Damals mag er nun dort sein Buch Grammaticus verfasst haben, das uns indess ebenso wenig, als die beiden vorgenannten, erhalten worden ist. Noch in Nicomedien, und zwar vor der Diocletianischen Verfolgung Dies geht offenbar aus Div. Inst. V, c. 2 hervor, namentlich den Stellen: Ego cum in Bithynia etc. und: Nam si qui nostrorum etc., trat Lactanz zum Christenthume über, unbefriedigt offenbar von seinen philosophischen Studien, denen er nach seines Cicero Beispiel bei seiner unfreiwilligen Musse nur um so lieber sich zugewandt hatte. S. hierfür vornehmlich Div. Inst. I, c. 1. In dem Christenthum aber fand er eine andere, und zwar die wahre Philosophie. Ihm weihte er nunmehr seine schriftstellerische Thätigkeit, die eine sehr fruchtbare wurde. Von diesen Werken haben sich indess nur die weiter unten von uns betrachteten erhalten, während eine Reihe anderer, namentlich nicht weniger als acht Bücher Briefe, mehr noch von weltlich wissenschaftlichem, als theologischem Inhalt S. darüber namentlich Hieron. Opera I, 1, Ep. 35, Damasi ad Hieron.; philosophische, metrische, geographische Fragen fanden sich darin behandelt. – Andererseits sind ausser dem Phönix (s. unten S. 97 ff.) mehrere Dichtungen, die wir besitzen, mit Unrecht Lactanz beigelegt worden, siehe dieselben bei Bähr, Christl. Dichter u. s. w. S. 35 ff., verloren gegangen ist. Nach dem Ausbruch der Verfolgung gab Lactanz 74 seine Professur in Nicomedien auf. S. De opif. dei init. Später, im höchsten Alter, war er nach Hieronymus des Sohnes Constantins, Crispus, Lehrer in Gallien. Ueber die Zeit seines Todes wissen wir nichts.

Die älteste der uns erhaltenen Schriften des Lactanz, und vielleicht die erste überhaupt, die er als Christ verfasst hat, ist das Werkchen De opificio dei , welches während der Diocletianischen Verfolgung um das J. 304 geschrieben Ebert, a. a. O. S. 124., an einen seiner frühern Zuhörer, einen reichen Beamten, Demetrianus, der auch Christ war, gerichtet ist. Lactanz will ihm damit von seinen täglichen Studien Kenntniss geben und seinen Unterricht, und zwar in einer bessern Wissenschaft als früher, fortsetzen, indem er den menschlichen Organismus als ein ›Werk Gottes‹, als eine Schöpfung der Vorsehung in seiner Zweckmässigkeit und Schönheit darlegen will. Diese Schrift, die eine Ergänzung zu dem vierten Buch der Republik Cicero's bieten soll, hat einen ganz philosophischen Charakter, sodass nur einzelne Bemerkungen das Christenthum des Verfassers bekunden. Man könnte sie sonst – natürlich auch vom Eingang und Schluss abgesehen, wo der Autor von sich selber handelt – für das Werk eines Stoikers halten, zumal der Polemik gegen die die Vorsehung leugnenden Epikureer ein besonderer Raum gewährt ist. Wir werden hier überall noch an die heidnisch-philosophische Vergangenheit des Lactanz erinnert, indem wir zugleich seine echt klassische Bildung nicht bloss in dem lebendigen Sinn für plastische Schönheit, der sich an vielen Stellen kundgibt, erkennen, sondern noch mehr in dem Umstand, dass er die Schönheit selbst als ein bestimmendes Moment bei der Bildung des menschlichen Körpers annimmt. So fehlt es keineswegs an geistvollen Bemerkungen. Zugleich gibt das Buch aber auch von den naturwissenschaftlichen Kenntnissen des Autors Zeugniss, die freilich zum engern Kreis der philosophischen Studien damals überhaupt noch gehörten.

Das bedeutendste Werk des Lactanz aber, das er in dem eben besprochenen am Schluss bereits in Aussicht stellt, und welches auch während der Diocletianischen Verfolgung zwischen dem J. 307 etwa und 310 verfasst Ebert, a. a. O. S. 129–131., ja durch dieselbe angeregt 75 worden ist In Veranlassung derselben erschienen damals zwei Schriften gegen das Christenthum, um seine Bekenner zum Heidenthum zu bekehren, wovon die eine das Werk eines Philosophen sein wollte; so sagt uns Lactanz ausführlich Instit. V, c. 2 und fährt dann in Bezug auf sie ibid., c. 4 fort: Ii ergo, de quibus dixi, cum praesente me ac dolente – sacrilegas suas litteras explicassent, et illorum superba impietate stimulatus, et veritatis ipsius conscientia, et, ut ego arbitror, Deo, suscepi hoc munus, ut omnibus ingenii mei viribus accusatores iustitiae refutarem: non ut contra hos scriberem, qui paucis verbis obteri poterant, sed ut omnes qui ubique idem operis efficiunt, aut effecerunt, uno semel impetu profligarem., sind seine Divinarum institutionum libri VII. Seinem Ursprung nach eine Apologie, sollte es sich aber nicht, wie andere, auf die Vertheidigung und Negation beschränken, vielmehr ›die Substanz der ganzen christlichen Doctrin enthalten‹ l. l. c. 4, weiter unten.; es soll aber nur in diese Doctrin einführen, um die Schüler dann an die Quelle derselben selbst zu senden (I, c. 1), wie die Institutionen des römischen Rechts in dieses thun, von welchen um so mehr auch der Titel entlehnt ist, als die christliche Moral in der wahren Gerechtigkeit beruht, ›die die höchste Tugend, ja die Quelle der Tugend selbst ist‹ (V, c. 5). Lactanz will die Gelehrten zur wahren Weisheit und die Ungelehrten zur wahren Religion führen (I, c. 1). Die Menschen sind von Natur nach beiden begierig (III, c. 11), welche allein im Christenthum unzertrennlich verbunden sind, im Heidenthum dagegen weit von einander geschieden. Und eben deshalb kann dort weder die Weisheit noch die Religion die wahre sein. Denn keine Religion ist ohne die Weisheit aufzunehmen, keine Weisheit ohne die Religion zu bewähren. Cuius scientiae summam breviter circumscribo: ut neque religio ulla sine sapientia suscipienda sit, nec ulla sine religione probanda sapientia. I, c. 1. Vgl. IV, c. 3. Man sieht hieraus schon, dass der Verfasser sich vorzugsweise an die höher gebildeten Heiden wendet, und diese zu gewinnen bemüht ist, welche durch die einfache und gemeinverständliche Sprache der Bibel zu einer Verachtung des Christenthums von vornherein sich bestimmen liessen. Mit dem Honig der himmlischen Weisheit muss nur der Becher bestrichen werden, meint Lactanz, dass von den Unklugen die bittere Arzenei ohne Widerwillen getrunken werden kann. Das haben aber die meisten Apologeten versäumt. Diese gebildeten Heiden, die schon längst ihrer 76 Religion in der Regel abgesagt hatten, sollen nun erfahren, dass das Christenthum auch die einzig wahre Philosophie ist, die heidnische dagegen leer und nichtig. Vgl. III, c. 30. Und der Nachweis hiervon wird, wenn er auch bei den Heiden unwirksam bliebe, so getröstet sich der Verfasser, doch für sehr viele noch in ihrem Glauben wankende Christen, namentlich unter den literarisch gebildeten, von Nutzen sein, auf welche die Wissenschaft und Literatur der Heiden nur zu leicht verderblich einwirkt. Endlich aber hat unser Autor das Werk auch für sich selber geschrieben, denn es erfreut den Geist, sich in der Wahrheit Lichte zu ergehen (V, c. 1). So ist das Werk sozusagen con amore geschrieben (woraus sich denn auch ein gewisses plauderhaftes Sichgehenlassen des Verfassers um so eher erklärt), aber zugleich mit besonderer Sorgfalt in Rücksicht der Form; Lactanz will in Anmuth der Rede den heidnischen Schriftstellern nicht nachstehen: und er hat in der That wenigstens die zeitgenössischen in der Beziehung weit übertroffen. Cicero ist sein Muster, wie er es ihm wohl stets gewesen; aber Lactanz ist keineswegs ein blosser Nachahmer; vielmehr verdankt er nur dem Studium desselben, das bei einer gewissen Verwandtschaft seiner Natur mit der seines Vorbildes nur um so fruchtbringender sein musste, seine hohe formelle Bildung, als deren Ausdruck dann auch ein verwandter Stil erscheint. Lactanz ist ohne Frage der eleganteste Prosaiker seiner Zeit.

Der Gang der Darstellung aber ist folgender. Die beiden ersten Bücher ( De falsa religione und De origine erroris betitelt) sind gegen den Polytheismus des Volks gerichtet, indem der Autor zugleich den Monotheismus erweist. Mit diesem Beweise beginnt er im ersten Buche, nachdem er die Existenz einer göttlichen Vorsehung als unbestreitbar angenommen, da die wenigen Philosophen, die sie leugneten, schon durch andere, namentlich die Stoiker, zur Genüge widerlegt worden seien. Dies war ja auch schon von Lactanz selbst in dem früher verfassten Buche › De opificio dei‹ geschehen, s. oben S. 74. Den Monotheismus verlangt die Vollkommenheit der Gottheit, die auch keine Theilung der göttlichen Kraft erlaubt; nur ein Gott kann die Welt regieren, wie in einem Körper nur ein Geist wohnt; andere ›Götter‹ aber unter einem höchsten Lenker anzunehmen, ist ein Widerspruch, denn das, was dient, 77 und das, was herrscht, kann nicht dasselbe sein. Für den Monotheismus sprechen ferner die Stimmen der Propheten, der Dichter und Philosophen, der Sibyllen und selbst das Orakel Apollo's. Lactanz zeigt dann, den ältern Apologeten folgend, wie die Götter von Geburt und ihren Handlungen nach Menschen, und selbst unsittliche waren, die nur als Könige oder Gewaltige nach ihrem Tode verehrt wurden, wie die römischen Cäsaren (c. 8–15). Zugleich wird die physische Erklärungsweise der Mythen zurückgewiesen. Noch wird von den römischen Nationalgottheiten, von den Sacra und Mysterien in der Kürze gehandelt, indem die Darstellung in dieser Kritik des Polytheismus, offenbar weil dieselbe schon so oft Behandlung gefunden, mehr aphoristisch und umherschweifend, als erschöpfend und einen festen Gang einhaltend ist.

Im zweiten Buche fährt Lactanz zunächst in seiner Kritik fort, indem er namentlich die Verehrung der Götterbilder, worein er recht das Wesen des Heidenthums setzt S. l. II, c. 17 und 18., sowie der Gestirne bekämpft. Den Uebergang aber zu der Untersuchung des ›Ursprungs des Irrthums‹ bildet der Einwurf der Heiden, dass ihre Götter doch durch Prodigien, Träume, Augurien und Orakel – die als von vielen und sichern Autoren überliefert, auch Lactanz nicht bestreitet – ihre Majestät gezeigt hätten. Den Grund solcher erfüllter Weissagungen zu erklären, muss der Verfasser, wie er sagt, weit ausholen, um die Unkundigen darüber zu unterrichten, welches endlich ›die Quelle und Ursache dieser Uebel‹ sei (c. 8). Er erzählt nun, wie Gott noch vor der Welt einen ihm ähnlichen Geist hervorbrachte, den Sohn; und dann einen andern, in welchem die Natur der göttlichen Abkunft nicht blieb, indem der Neid auf den Sohn ihn zu Falle brachte: es ist der Teufel. Dann behandelt Lactanz die Schöpfung der Welt, der Thiere, des Menschen Hier adoptirt Lactanz die, wie er meint, von (Hermes) Trismegistus aufgestellte Ansicht, dass unser Körper von Gott aus den vier Elementen constituirt wäre: nam terrae ratio in carne est, humoris in sanguine, aeris in spiritu, ignis in calore vitali. II, c. 12 – eine Ansicht, die im Mittelalter fortwirkt. Auch wird der Mensch ebenda weiter unten von Lactanz als Mikrokosmus betrachtet: – – in hac igitur societate caeli atque terrae, quorum effigies in homine expressa est – –, wobei er denn verschiedene Ansichten der Philosophen bestreitet, kommt auf die Sündflut, 78 und erzählt ferner, wie Cham an seinem Vater sich versündigte und, von ihm verwiesen, das erste Heidenvolk gründete, von dem alle andern ausgingen. Zum Schutz des Menschengeschlechts vor dem Teufel aber sandte Gott dann Engel herab (c. 14); diese vermischten sich trotz ausdrücklichen Verbotes mit den Weibern, so kamen sie zu Fall und wurden nun die Trabanten und Gehülfen des Teufels. Die von ihnen Erzeugten aber wurden, weil sie weder Engel noch Menschen waren, sondern eine gewisse mittlere Natur hatten, ebenso wenig in die Hölle aufgenommen als ihre Väter in den Himmel. So entstanden zwei Arten von Dämonen, die eine himmlisch, die andere irdisch. Diese unreinen Geister sind nun die Urheber der Uebel, ihr Fürst ist der Teufel. Sie haben auch jene Weissagungen bewirkt, indem sie die Anordnungen Gottes voraus ahnen, wie denn die Astrologie, die Kunst der Haruspices und Auguren, die Orakel, die Nekromantie und die Magie ihre Erfindungen sind. Sie lehrten die Götterbilder machen, um der Menschen Sinn vom Kultus des wahren Gottes abzuwenden, und liessen sich unter dem Namen der verstorbenen Könige verehren. So wird der Euhemerismus mit der Dämonologie vereinbart.

Im dritten Buche, De falsa sapientia überschrieben, wendet sich nun Lactanz gegen die heidnische Philosophie, denn aller Irrthum entspringt aus der falschen Religion oder aus der falschen Weisheit. Wie nichtig und falsch die Philosophie sei, will er in diesem Buche zeigen, damit nach Entfernung jedes Irrthums die Wahrheit ans Licht gebracht leuchte. Die Philosophie, hebt er an, müsse entweder Wissen oder Meinung sein. Das Wissen (und hier ist zunächst das naturphilosophische gemeint) kann aber dem Menschen nicht aus seinem Geiste kommen, denn es gehört Gott an. So verwarfen auch mit Recht Sokrates und die Akademiker das Wissen. Aber mit nicht minderm Recht behaupten die Stoiker, dass sich die Philosophie nicht auf das blosse Meinen zu beschränken habe. So bleibt also von der ganzen Philosophie nichts übrig; der Widerspruch der verschiedenen Schulen selbst hebt sie auf. Die richtige Ansicht aber liegt in der Mitte, meint Lactanz; der Mensch kann nicht alles wissen, wie Gott, noch weiss er gar nichts, wie die Thiere; ihm kommt vielmehr ein mit Unwissenheit gepaartes Wissen zu, wie er aus einem Geist von himmlischer 79 Abkunft und aus einem irdischen Körper besteht (c. 6). – In der Ethik weichen die Ansichten der Philosophen ebenso von einander ab, indem die einen das höchste Gut so, die andern so bestimmen. Welchen nun folgen? Könnten wir das Beste wählen, so brauchten wir die Philosophie nicht, denn dann wären wir schon weise. Was bleibt da übrig, als sich an Gott, den Geber der Weisheit, zu wenden? Und, indem Lactanz dann die verschiedenen Ansichten der Philosophen über das höchste Gut widerlegt, führt er aus, dass dasselbe der Lohn der Tugend, die Unsterblichkeit sei, welche ohne die Kenntniss Gottes und die wahre Gerechtigkeit nicht erlangt werden könne. So sind Wissen und Tugend nicht selbst das höchste Gut, sondern nur seine Voraussetzungen. Igitur ex omnibus philosophis, qui aut pro summo bono scientiam, aut virtutem sunt amplexi, tenuerunt quidem viam veritatis, sed non pervenerunt ad summum. Haec enim duo sunt quae simul efficiant illud quod quaeritur. Scientia id praestat, nt quomodo et quo perveniendum sit, noverimus, virtus ut perveniamus. l. III, c. 12. Nachdem Lactanz die Philosophie überhaupt verworfen, ergeht er sich noch in mannichfachen Angriffen auf einzelne Ansichten verschiedener Philosophen, die sie blossstellen sollen, um dann noch einmal auf die Philosophie im allgemeinen zurückzukommen (c. 25), welche namentlich auch deshalb nicht die wahre Weisheit sein könne, weil sie nicht allgemein zugänglich sei, sondern vielfache Kenntnisse voraussetze. Auf die grosse Menge habe sie keinerlei sittliche Wirkung, ihre Vorschriften entbehrten, als die von Menschen, der höhern Autorität. Lactanz schliesst mit dem Satze: alle Weisheit des Menschen besteht darin allein, dass er Gott kennt und verehrt. ut deum cognoscat et colat.

Mit dem vierten Buche geht unser Autor nun von der Negation zur Position über, indem er zunächst die unzertrennliche Verbindung der Weisheit mit der Religion ausführlicher begründet. Wissen ist nichts anderes, sagt er, als den wahren Gott mit gerechtem und frommem Kultus zu ehren; es ist derselbe Gott, den sowohl zu erkennen ( intellegere ), als zu ehren ( honorare ) Pflicht ist: er ist zugleich die Quelle der Weisheit und der Religion. Und so ist denn das vierte Buch selbst, De vera sapientia betitelt, jener Gotteskenntniss gewidmet, indem es von Christus, dem Logos und dem Lehrer der Menschheit, 80 handelt, der sie zur Gerechtigkeit zurückführen sollte. Diese ist dann der Gegenstand des fünften Buches, De iustitia . Die Gerechtigkeit, die höchste Tugend, die alle andern zugleich umfasst l. V, c. 5 und 14., beginnt der Verfasser, weilte auf der Erde in dem Saturnischen Zeitalter, wo noch kein Götterdienst bestand und Gott wahrhaft verehrt wurde, indem das Band der Brüderlichkeit die Menschen umschlang. Mit Jupiters Herrschaft aber wurde die Religion Gottes verlassen, und die Gerechtigkeit vertrieben, die in den Himmel zurückkehrte. So singen die Dichter nur die reine Wahrheit. Als nun aber das Ende der Welt herannahte, sandte Gott Vater seinen Boten, dass er jenes alte Zeitalter und die Gerechtigkeit zurückführte, die nichts anderes, als des einzigen Gottes frommer und religiöser Kultus ist. iustitia –, quae nihil aliud est quam Dei unici pia et religiosa cultura. l. V, c. 7. Wäre dieser schon allgemein, so wäre das goldene Zeitalter in der That wieder da. Aber die Gerechtigkeit findet bei den Heiden keinen Platz, welche ja deren Anhänger, die Christen, für Feinde erklären und verfolgen, und selbst das sündhafteste Leben führen; wohingegen schon der Wandel der Christen und ihre Standhaftigkeit im Märtyrerthum zeigen, dass sie die Gerechten sind. Ueber diese Verfolgungen der Christen, die aus dem Hasse der Wahrheit entspringen, verbreitet sich der Verfasser ausführlich (c. 9 und 11). Selbst die Philosophen der Heiden kannten die Gerechtigkeit nicht, da sie in der Religion ihren Ursprung hat. Ihre Quelle nämlich ist die Frömmigkeit ( pietas ), welche die Kenntniss Gottes ist. Ebenso unzertrennlich von der Gerechtigkeit ist die Billigkeit ( aequitas, aequabilitas ), die auf der Anerkennung der Gleichheit der Menschen, als Kinder Gottes, ruhend, das Wesen und die Stärke der Gerechtigkeit ist. In der aequitas ist › vis omnis ac ratio‹ der iustitia l. V, c. 14; excludit inaequalitas ipsa iustitiam, cuius vis omnis in eo est, ut pares faciat eos, qui ad huius vitae conditionem pari sorte venerunt. ibid. Lactanz knüpft diese Erörterung an die bekannte Rede des Carneades gegen die Gerechtigkeit, nach welcher die Gerechten als Thoren erscheinen mussten (c. 16); er zeigt, wie diese Thorheit blosser Schein ist, indem das ewige Leben alle irdischen Nachtheile ersetzt. So sind die Christen, welche die Heiden für Thoren halten, in der That keine. Und 81 hier kommt er noch einmal auf die, wie er darlegt, ebenso verbrecherischen als unverständigen Verfolgungen derselben zurück, indem er schliesslich die Gründe aufweist, aus welchen Gott sie zulasse.

Das sechste Buch: De vero cultu , handelt nun von dem wahren Kultus Gottes, der, wie wir sahen, die Gerechtigkeit ist: in ihm bringt die Gesinnung sich selbst als unbeflecktes Opfer Gott dar. Wie dies zu erreichen, soll hier gelehrt werden. Die Menschen sollen in der Gerechtigkeit unterwiesen werden. Indess will der Verfasser nur die höhere, specifisch christliche Sittlichkeit lehren, die, den Philosophen unbekannt, zur Vollendung der Gerechtigkeit nöthig ist. Er beginnt mit dem Bild von dem doppelten Lebensweg, wie es bei Poeten und Philosophen sich finde, nur dass sie es nicht richtig ausführten. Der eine Weg, der der Tugenden und Entsagungen, führt zu Gott, der andere, der der Laster und irdischen Güter, zum Teufel. Dort ist der Lohn die Unsterblichkeit, hier die ewige Strafe. Die Philosophen, die weder Gott, noch seinen Feind kannten, hatten immer nur das irdische Leben im Auge. Das Gesetz Gottes führt allein auf den rechten Weg. Das erste Hauptstück desselben ist Gott zu kennen, ihm allein zu gehorchen, ihn allein zu verehren (c. 9). Dies ist die erste Pflicht der Gerechtigkeit, die Religion. Sie sind wir Gott schuldig; dem Menschen dagegen die zweite, die wir indess Gott selbst auch widmen, weil der Mensch sein Bildniss: es ist das Mitleiden oder die Menschlichkeit ( humanitas ). Der von Gott nackt und schwach geschaffene Mensch ist von ihm darauf angewiesen worden. Die Menschlichkeit ist das höchste Band der Menschen unter einander, die ja alle, von einem einzigen abstammend, Brüder sind. Daher müssen wir niemals andern Böses, sondern immer Gutes thun; daher den Armen beispringen. In der Beziehung aber haben die Philosophen keine Vorschriften gegeben; und während sie meist gestehen, dass an der Gemeinschaft der menschlichen Gesellschaft festzuhalten sei, trennen sie sich selbst von ihr geradezu durch die Strenge ihrer inhumanen Tugend. Als Hauptpflichten der Humanität werden dann im einzelnen betrachtet die Gastfreundschaft, und zwar den Bedürftigen gegenüber, der Loskauf der Gefangenen, die Sorge für die Wittwen und Waisen sowie für die Kranken, endlich als die grösste Pflicht die Bestattung der Reisenden und der Armen (c. 12). 82 An eine solche Pflicht haben die Philosophen gar nicht gedacht, und konnten es auch nicht, da sie alle Pflichten nur nach dem Vortheil massen. Hier zeigt sich recht der Gegensatz der christlichen und heidnischen Moral, den auch bei der Betrachtung der andern Tugenden Lactanz gut darlegt, welche zum Theil auch die Heiden empfahlen, aber nur soweit der Eigennutz dabei sein Interesse fand. Lactanz nimmt da namentlich auf die Pflichtenlehre Cicero's Bezug. Indessen ist seine eigene Moral auch hier keineswegs ganz vom Egoismus geläutert. Durch die Freigebigkeit nämlich werden nach seiner Ansicht die fortwährenden Fehler des Fleisches getilgt (c. 13), da es keinem Menschen möglich ist, sich ihrer ganz zu enthalten; denn die dreifache Stufenleiter der Tugend ist: nicht in Werken, Worten und Gedanken zu sündigen. Gegen die stoische Forderung der Unterdrückung, sowie die peripatetische der Mässigung der Affecte polemisirt dann der Verfasser; nicht darin bestehe die Tugend, sondern in dem rechten Gebrauche derselben. Nachdem er dann noch einer Reihe von leichtern Pflichten gedacht, betrachtet er ausführlicher noch die Wollüste der fünf Sinne, wo er unter anderm vor dem Besuche der Schauspiele, namentlich der Kampfspiele, und den den literarisch gebildeten Christen so gefährlichen Carmina und Reden warnt (c. 21). Die Gefallenen aber ermahnt er, nicht zu verzweifeln, sondern sich zu bessern. – Er schliesst damit, dass des Christen Weihgeschenk die Rechtschaffenheit der Gesinnung, sein Opfer Lob und Hymnus sei.

In dem siebenten oder letzten Buche ( De vita beata ) soll nun der Bau, den der Verfasser aufführte, gekrönt werden. Es handelt von der ewigen Seligkeit, welche der göttliche Lohn der höchsten Tugend, d. i. der wahren Gottesverehrung, ist. Denn was nützt sonst alles frühere, bliebe dies ungewiss. Hier will nun Lactanz die ratio mundi darlegen, die den Philosophen als Menschen verborgen bleiben musste, wenn auch eine jede ihrer Schulen etwas von der Wahrheit erkannte. Die Welt ist der Menschen wegen geschaffen worden, wie auch die Stoiker sagen, der Mensch aber, um seinen und der Welt Schöpfer zu erkennen; er erkennt ihn aber, um ihn zu verehren; er verehrt ihn, um die Unsterblichkeit als Lohn für die Mühen zu erlangen, aus denen die Verehrung Gottes besteht; dieser Lohn wird ihm zu Theil, um den Engeln ähnlich geworden, Gott in Ewigkeit zu 83 dienen. S. VII, c. 6 init. So ist die Unsterblichkeit schon motivirt, die aber auch durch Wahrscheinlichkeitsargumente Lactanz zu beweisen noch unternimmt. Indem er dann lehren will, wie und wann dieselbe dem Menschen gewährt wird, handelt er ausführlich von den letzten Dingen (c. 14 ff.). Wie die Welt in sechs Tagen geschaffen, soll sie sechs Saecula , d. i. Jahrtausende, in demselben Stande bleiben; das sechste nähert sich nun seinem Ablauf, es fehlen noch höchstens 200 Jahre, dann wird alle Bosheit von der Erde getilgt, die sich selbst verjüngt, und das tausendjährige Reich Christi, dem Ruhetag Gottes nach der Schöpfung entsprechend, tritt ein. So vollendet sich die grosse Woche. Aber dem tausendjährigen Reich geht die Herrschaft des Antichrist voraus, die wieder durch Zeichen verkündigt wird, von denen die entferntern der grösste Verfall der Sittlichkeit und der allgemeine Krieg sind, der letztere veranlasst durch den Sturz der Herrschaft der Römer, und die Rückkehr des Imperium nach Asien, sodass der Orient herrschen, der Occident dienen werde (c. 15). Vgl. VII, c. 25: Wann die 6000 Jahre erfüllt sein werden, lehren die Chronologen, die freilich verschiedener Ansicht sind: omnis tamen exspectatio non amplius, quam ducentorum videtur annorum. Etiam res ipsa declarat, lapsum ruinamque rerum brevi fore, nisi quod incolumi urbe Roma nihil istius modi videtur esse metuendum. At vero cum caput illud orbis occiderit et ῥύμη esse coeperit, quod Sibyllae fore aiunt: quis dubitet, venisse iam finem rebus humanis orbique terrarum? Illa, illa est civitas, quae adhuc sustentat omnia, precandusque nobis et adorandus est Deus ne citius, quam putemus, tyrannus ille abominandus veniat, qui tantum facinus moliatur, ac lumen illud effodiat, cuius interitu mundus ipse lapsurus est. – Diese schon lange unter den Christen herrschende Ansicht von der Bedeutung Roms (s. oben S. 40), die auch in der Folgezeit mannichfach wirksam sich zeigt, ist zu wichtig, um sie nicht durch die Mittheilung der obigen Stelle hier ausführlicher darzulegen. Lactanz gedenkt dann ausführlich, namentlich auf Grund der Sibyllinischen Bücher, der Zeiten des Antichrist und der sie begleitenden Prodigien, seiner Gefangennahme und Fesselung durch Christus, der ersten Auferstehung und des ersten Weltgerichts, die bloss die, welche Gott kannten, betreffen (c. 20), – wobei er die Frage, wie die unsterbliche Seele durch das Feuer der Hölle leiden und somit gestraft werden könne, weitläufig erörtert – und der Gründung der heiligen Civitas in der Mitte der Erde, wo Gott mit den Gerechten, die nicht mehr sterben, weilt (c. 24). Wenn die 84 letzten tausend Jahre aber abgelaufen, wird der Teufel wieder losgelassen, und mit dem unzähligen Volke der Heiden die heilige Stadt belagern. Dann wird erst das ganze Geschlecht der Gottlosen von Gott vernichtet; und es folgt die zweite, allgemeine Auferstehung, und die Verurtheilung aller der Gottlosen zur ewigen Höllenstrafe, während die Gerechten den Engeln ähnlich umgestaltet werden (c. 26). Mit einer Ermahnung an alle, zugleich mit der wahren Religion die Weisheit anzunehmen, deren Wesen darin beruhe, mit Verachtung des Irdischen nach dem himmlischen Lohne zu streben, schliesst Lactantius sein grosses Werk.

So wenig auch seine nicht geringen Schwächen in theologischer wie in philosophischer Beziehung sich verbergen, erscheint es doch für jene Zeit als eine bedeutende Leistung. Lactanz, der sich Minucius Felix zum Vorbild genommen, dessen ›Octavius‹ er auch in den zwei ersten Büchern im Gange der Darstellung treu folgt Was man meines Wissens früher sehr wenig beachtet hat., stellt sich wie dieser älteste römische Apologet wieder auf den Boden der Speculation den heidnischen Gegnern gegenüber, und versucht selbst, von der Negation zur Position fortschreitend, zuerst im Abendland eine philosophische Begründung des Christenthums, die christliche Weltanschauung in einem umfassenden Systeme zusammenzufassen, dessen Schwerpunkt offenbar in der christlichen Moral liegt, wie denn das fünfte und sechste Buch den wahren Kern des Werkes bilden, und an Eigenthümlichkeit der Gedanken und Schönheit der Darstellung, die hier oft ein lebendiger Ausdruck des Gefühls und der Leidenschaft des Autors ist, alle die andern Bücher übertreffen. Der ethische Gehalt des Christenthums war es gewiss, der Lactanz, welcher allem Anschein nach dem Stoicismus früher huldigte, zuerst für dasselbe eingenommen hatte. Die Charakteristik der christlichen Moral der heidnischen gegenüber, in letzterer Beziehung von besonderm kulturgeschichtlichen Werth, geschieht von ihm mit einer wahren Begeisterung. Das ganze Werk aber zeigt schon in der Aufgabe, die es sich stellt, nicht minder aber in seiner Ausführung, wie das Christenthum bereits an dem Vorabend seines Sieges sich befindet, und die christliche Literatur selbst, im Besitze all der formalen Bildung des damaligen Heidenthums, im lateinischen Abendlande 85 mit Erfolg nach der Herrschaft strebt. So erscheint das Epoche machende Werk nicht mit Unrecht, wenn auch erst nachträglich, dem Imperator Constantin dem Grossen gewidmet. Zwischen 318 und 323. S. darüber Ebert, a. a. O. S. 135 ff. Es ist endlich zugleich von der universellen Bedeutung, dass hier zuerst im Occident die Ansicht von der Einheit der Theologie und Philosophie behauptet und durchgeführt wird, an der das ganze Mittelalter principiell festhielt. Von den Institutionen besitzen wir auch eine Epitome, wie schon eine solche von Hieronymus (l. I.) dem Lactanz selbst beigelegt wird. Ob die uns erhaltene, und in der vollständigen Gestalt, wie sie Pfaff zuerst in einer Turiner Handschrift entdeckte und 1712 herausgab, wirklich dem Lactanz angehört, diese Frage bedarf noch einer gründlichern Untersuchung, als sie bisher unternommen worden ist. Für uns hat dieser Auszug um so weniger Interesse, als er ohne alle literargeschichtliche Bedeutung geblieben ist.

Als ein Supplement zu den Institutionen verfasste Lactanz noch das Buch De ira dei , welches er in jenen schon ankündigt Instit. l. II, c. 18., und das sich in der That ganz an sie anschliesst. Lactanz will in dieser an Donatus gerichteten Schrift die, wie er sagt, weit verbreitete Meinung, die auch einige Philosophen theilten, widerlegen, dass Gott nicht zürne; eine Meinung, die seiner Auffassung nach der grösste Irrthum ist. Seine Polemik richtet sich theils gegen die Stoiker, welche Gott nur die Gnade ( gratia ) zusprachen, theils und vornehmlich gegen die Epikureer, die Gott affectlos darstellten. Den erstern gegenüber macht er geltend, dass die Eigenschaft des Zornes nur eine Consequenz von der der Gnade sei. Gott muss ebensowohl den Gottlosen zürnen, als er die Frommen liebt. In diesem Satze liege die Summe der Religion. Zum Begriffe der ›Religion‹ gehöre schon die Furcht, und zwar vor Gott. Diese Furcht wird aber aufgehoben, wenn Gott nicht zürnen kann; und somit fällt die Religion selbst. – Den Hauptmangel des Buches hat schon Schröckh angezeigt Christliche Kirchengeschichte V, S. 271.; vor allem, meint er, hätte der wahre Begriff vom Zorne Gottes entwickelt werden sollen. Hierzu ist aber nur mit einigen Andeutungen der Versuch gemacht.

Dies sind die von Lactanz uns erhaltenen Schriften, über deren Authentie kein Zweifel je bestanden hat. Gewiss aber gehört ihm auch noch die älteste historische Schrift der 86 christlich-lateinischen Literatur an Ich glaube dies schon durch meine oben ( S. 72, Anm. 4) angeführte Untersuchung bewiesen zu haben. Und ich glaube es um so mehr, je mehr ich selbst früher an der Authentie zweifelte, sodass ich in der Erwartung des entgegengesetzten Resultates an die Untersuchung herantrat. – Mein Urtheil ward indessen bestätigt durch Kehreins Dissertation ( Quis scripserit libellum qui est L. Caecilii De mortibus persecutorum. Stuttgart 1877), wo ganz ausführlich im einzelnen nachgewiesen wird, dass die Schrift im Wortschatz und in der Syntax vollständig mit den Institutionen übereinstimmt., die dem allgemeinen Charakter dieser Periode ganz entsprechend auch ein apologetisch-polemisches Gepräge hat. Ich meine das 313 – 314 in Nicomedien verfasste Ebert, a. a. O. S. 124. Vgl. auch Görres, Zur Kritik des Eusebius und des Lactantius im Philologus, Bd. 26, S. 597 ff. – Es ist dies Buch auch an Donatus gerichtet. Buch De mortibus persecutorum , welches eine der Hauptquellen der Geschichte der sogenannten Diocletianischen Verfolgung ist. Seinem Titel entsprechend will es die Todesart, d. h. das traurige Ende der Kaiser, welche das Christenthum verfolgt haben, vornehmlich aber der seit Diocletian, erzählen, um zu zeigen, wie der eine Gott der Christen seine Majestät, d. h. sein Weltimperium, in der Vernichtung der Feinde seines Namens erwies, sein Volk an den Gottlosen und Verfolgern rächend. Dies Strafgericht Gottes in der Geschichte, und zwar namentlich der Gegenwart, soll gewissermassen die Wahrheit des Christenthums und die Nichtigkeit des Heidenthums bekunden. Diese Absicht macht das Buch zu einer historischen Tendenzschrift, die mehr ein Werk der Publicistik als der Geschichtschreibung erscheint. Die Erzählung nämlich, welche bis zum Siege des Licinius über den Maximin und dessen Ende geht, wonach nur kurz noch der Vernichtung der Familien des Galerius, Severus und Maximin durch den Sieger gedacht wird, beginnt ausführlicher erst mit Diocletian zu werden, während die frühern Verfolgungen der Christen und der Ausgang der Imperatoren, die sie hervorriefen, nur in grösster Kürze einleitungsweise behandelt werden (c. 2–6). So bildet die Geschichte seiner eigenen Zeit, der Jahre 303–313, die eigentliche Aufgabe des Verfassers, wie er auch selbst zu erkennen gibt, indem er sagt, dass er für die, welche dem Schauplatze der Ereignisse fern standen, wie für die Nachkommen schreibe (c. 1). Als Augenzeuge berichtet er von der neuen Metropole des Reichs aus, dem Sitze des ersten Augustus; und unmittelbar 87 nach der Vollendung der Ereignisse, die er zuletzt erzählt, hat er sein Buch verfasst und herausgegeben. Der angegebenen Tendenz gemäss ist dasselbe componirt: die einzelnen Kaiser treten als ›die grossen und wunderbaren Exempel‹ Vgl. c. 1. des göttlichen Strafgerichts durchaus in den Vordergrund der Darstellung, die dadurch in der Hauptpartie öfters einen biographischen Charakter annimmt; die Verfolgungen aber erscheinen nur erzählt, um das Gericht Gottes, das die Verfolger traf, zu motiviren. Daher denn auch die möglichst ausführliche Schilderung des zur Warnung aufgestellten furchtbaren Endes jener Kaiser, eine Schilderung, die selbst in die widerwärtigsten Einzelheiten einzugehen sich nicht scheut; daher ferner die mitunter dick aufgetragene Farbe in dem Gemälde der Verfolgungen. In beiden Beziehungen wirkt freilich zugleich die leidenschaftliche Heftigkeit des von Zorn gegen die Heiden erfüllten Verfassers mit, der unter den noch ganz frischen Eindrücken der Verfolgung, die auch ihn bedroht haben musste, schrieb. Einen ähnlichen Ton schlägt ja auch Lactanz in seinen Institutionen an, wo er dieser Verfolgungen gedenkt. Diesem Werke ist auch die Idee selbst zu dem Buche De mortibus persecutorum offenbar entlehnt, welches auch in seiner ganzen Ausdrucksweise, d. h. seinem Wortschatz, mit jenem übereinstimmt, wenn auch der Stil, was die Satzbildung angeht, durch eine knappe Kürze, welche wohl eher das Werk rhetorischer Absicht, als einer hastigen Niederschrift scheint, mit der redseligen Fülle der Institutionen contrastirt. An den Abschnitt derselben, welcher von den Verfolgungen unter Diocletian und Galerius handelt, im fünften Buche, und speciell an das Ende des letztern schliesst sich die Schrift, wie ich in meiner Untersuchung (S. 125 ff.) nachgewiesen habe, unmittelbar als eine spätere Ergänzung an: die Rache Gottes, die dort Lactanz, auf Grund des Ausspruchs des Propheten, den verfolgenden Kaisern in Aussicht stellt, wird als nun erfüllt in der Schrift De mortibus persecutorum geschildert.

Hiermit haben wir die Darstellung der Prosa in diesem ersten Zeitalter der christlichen lateinischen Literatur beendet. Ihre Autoren sind zwar nur wenige Auch derjenigen, deren Werke ganz, oder grösstentheils verloren gegangen, sind nur ein paar; unter den letztern sei hier Novatianus, der Stifter der Secte der καϑαροὶ, ein Zeitgenosse Cyprians, erwähnt. Ein allgemein literarhistorisches Interesse hatten aber die verloren gegangenen Werke, so weit wir sehen können, nicht, weshalb ich ihrer hier auch weiter nicht gedenke., aber unter ihnen sehr 88 fruchtbare; der Bezirk, innerhalb dessen sich die allgemeine Literatur bewegt, ist allerdings ein beschränkter, die Literatur ist durchaus von der Didaktik beherrscht, und die apologetisch-polemische Richtung die ganz vorwaltende; aber innerhalb dieser Schranken zeigt sich doch eine grosse Mannichfaltigkeit und Originalität – einmal die eigentliche Apologie, und in wie verschiedener Gestalt, so die populär-philosophische, in dialogischer Form, des Minucius Felix, die juridisch-publicistische des ›Apologeticum‹ Tertullians in der Form einer vor Gericht gehaltenen Advocatenrede, die rein rhetorische des Arnobius, die zu einer speculativen Untersuchung erweiterte und erhöhte des Lactanz, ganz abgesehen von den kleinern apologetischen Schriften, die wie ein paar des Cyprian auch in Form eines Monologs, oder eines Briefs erscheinen; dann die Didaktik im engern Sinne, theils der Sittenlehre, theils der Erbauung und Stärkung, oder dem religiösen Unterricht gewidmet, wie in den kleinen Schriften des Tertullian und Cyprian, oder sie behandelt auch, wie in denen des Lactanz, dogmatische Fragen von einem populär-philosophischen Standpunkt; dazu kommt eine Epistelliteratur, wie sie in grosser Mannichfaltigkeit schon in der uns erhaltenen Briefsammlung des Cyprian repräsentirt ist, und endlich in der zuletzt von uns betrachteten Schrift auch eine Vertreterin der historischen Darstellung. Und welche Originalität der Autoren, welche Verschiedenheit des Stils, der wirklich hier überall als der lebendige Ausdruck der geistigen Individualität erscheint.

 


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