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Viertes Kapitel.

Firmicus Maternus.

War nun die Aneignung auch jener Dichtungsart des Epigramms von Seiten der Christen eine äusserliche, die zu keiner formellen Neugestaltung führte, und um so weniger, als sie ihrer Natur nach den christlichen Inhalt ebenso wohl als den heidnisch antiken musste umfassen können, so nahm um dieselbe Zeit dagegen auf dem Felde der Lyrik, wie sich dies gerade hier auch am ehesten erwarten liess, die christliche Poesie zuerst einen höhern und dabei durchaus eigenthümlichen Aufflug; er knüpft sich an die Namen zweier Zeitgenossen des Damasus, Hilarius und Ambrosius. Indem wir aber dieser beiden bedeutenden Männer literarische Thätigkeit im Zusammenhang betrachten wollen, gehen wir zunächst auf das Gebiet der Prosa über, da hier der Schwerpunkt derselben ruht; und 130 hier haben wir zuerst eines ältern Schriftstellers zu gedenken, der in seinem um d. J. 347 verfassten Buche S. über die Zeitbestimmung Bursian, Prooem. p. V–VI. an die Prosa der vorigen Periode unmittelbar sich anschliesst, und so recht im Wendepunkt beider Zeitalter, ihren Uebergang vermittelnd, steht. Es ist Julius Firmicus Maternus, der Autor des Werkchens De errore profanarum religionum . Iulii Firmici Materni De errore profanarum religionum libellus, ex recens. C. Bursiani, Leipzig 1856 (Prolegg.). – * Id. recens. et commentar. crit. instr. C. Halm, s. oben S. 26, Anm. 1.

Ueber ihn selbst wissen wir nichts näheres oder positives; nur ist es unzweifelhaft, dass er nicht mit dem gleichzeitigen neuplatonischen Mathematiker Julius Firmicus Maternus Junior Siculus identisch ist, wie man früher annahm; eher scheint er ein Verwandter desselben gewesen zu sein, da man Sicilien auch für seine Heimath auf Grund seines Buches halten möchte. Wenn nicht etwa gar dasselbe, welches nirgends citirt sich findet, von der einzigen erhaltenen Handschrift selbst, die aus dem 10. Jahrhundert, nur dem Mathematiker fälschlich beigelegt ist, sodass also der Verfasser gar nicht des Mathematikers Namen geführt hätte – was bei dem gänzlichen Mangel historischer Kritik und der grossen Gedankenlosigkeit der Schreiber in jenen Zeiten wohl möglich wäre, zumal wir den Eingang des Buchs nicht mehr haben, der einen Anlass bieten konnte; eine gewisse Handhabe findet sich selbst in den ersten Zeilen, womit der Text, wie er uns vorliegt, beginnt, in dem › divinationem probabimus per diabolum esse inventam et perfectam‹. Das Buch des Mathematikers handelt nämlich von Astrologie, Nativitätsstellerei u. dgl. Sein Werkchen aber erscheint als ein Ableger gleichsam des ältesten Zweigs der christlichen lateinischen Literatur, des apologetischen, welcher auf den Boden eines andern Zeitalters verpflanzt, eine eigenthümliche Entwickelung genommen hat, in der sich recht der Unterschied der Zeiten, dieser und der vorausgehenden Periode, spiegelt. Dies deutet schon der Umstand an, dass das Buch an die beiden Kaiser Constantius und Constans, diese fanatischen Gegner des Heidenthums, gerichtet ist. Das polemische Element, das die Apologie nur als Schutzwaffe in sich schloss, ist hier zur Alleinherrschaft gelangt; die Vertheidigung des Christenthums, das gerade damals zur exclusiven Staatsreligion geworden war, ebenso wie früher der römische Polytheismus, ist zum blossen Angriff des Heidenthums geworden, zu dessen Ausrottung das Buch die Kaiser auffordert. 131 Es theilt mit den vorausgehenden Apologien den Schwung der Darstellung, das Feuer der Beredsamkeit; aber aus dieser spricht nicht die edle Begeisterung der verfolgten Wahrheit, sondern der ›fromme Eifer‹ des Fanatismus; freilich will Firmicus im Interesse der Heiden selber reden, die er mit Kranken vergleicht, welche wiederhergestellt den Nutzen der oft schmerzlichen Mittel, die wider ihren Willen angewandt wurden, anerkennen (c. 16). Auch lässt sich nicht leugnen, dass der krasse Aberglaube und die widernatürliche Unsittlichkeit mancher der Geheimdienste, denen so viele zum Opfer fielen, welche die damaligen Christen als für alle Ewigkeit verloren hielten, eine sittliche Entrüstung bei diesen erzeugen musste, der Toleranz ein Verbrechen schien. Gegen die Geheimdienste aber ist die Schrift des Firmicus insbesondere gerichtet, sehr natürlich, da in diesen damals das Heidenthum seine letzte Zuflucht fand, sie allein mit dem Christenthum sozusagen noch concurrirten, nicht die heidnische römische Staatsreligion, die als solche gerade in jener Zeit ja gar nicht mehr bestand; auch treten die nationalrömischen Sacra in der Schrift durchaus in den Hintergrund, indem ihrer nur ganz beiläufig gedacht wird, während dagegen die fremden mysteriösen Kulte des Weltreichs den Gegenstand bilden, deren Geheimnisse zu veröffentlichen und ihre Wahrheit aufzudecken (und zwar zunächst den Kaisern), als die eigentliche Aufgabe des Buches erscheint. S. c. 6, § 1: sed adhuc supersunt aliae superstitiones, quarum secreta pandenda sunt; c. 8, § 5: persequar cetera, ut publicatis omnibus atque detectis quae profana consecravit improbitas; und vgl. c. 17, § 4. Der Verfasser will dabei, indem er der euhemeristischen Erklärungsweise folgt, namentlich zeigen, wie in diesen Mysterien allein ›der Tod von Menschen geheiligt ist‹ ( mortes esse hominum consecratas , c. 6), sodass die Tempel nichts anderes als Grabstätten seien (c. 16, § 3), und zugleich das Verfahren der Neuplatoniker, die in den Mysterien gefeierten Mythen, und damit das Heidenthum überhaupt durch eine physikalische Erklärung zu retten, als unberechtigt abweisen. Vgl. namentlich c. 3, § 2 und c. 7, § 8.

Der Gang der Darstellung ist nun der folgende. Der Eingang – die ersten paar Blätter – ist uns leider nicht erhalten; der verstümmelte Schlussatz desselben, womit die Handschrift beginnt, macht es mir aber wahrscheinlich, dass der 132 Verfasser dort von der Schöpfung der Welt durch den einen Gott gehandelt hat, dem eben deshalb allein die Anbetung gebühre, von welcher reinen Gottesverehrung das Menschengeschlecht durch den Einfluss des Teufels abgefallen sei. Nur kann dort der Sündenfall selbst kaum ausgeführt gewesen sein, weil darauf nicht in dem weiter unten erwähnten Excurs über Christus als zweiten Adam (c. 25) von dem Verfasser verwiesen wird. Er spricht dann zunächst von der Verehrung der vier Elemente, und zwar des Wassers durch die Aegypter, der Erde durch die Phrygier, der Luft durch die Assyrier und einen Theil der Afrikaner, und des Feuers durch die Perser, indem er auf die an diesen ursprünglichen Naturdienst sich anknüpfenden Mysterien der Isis, Kybele, Juno caelestis und des Mithras ausführlicher eingeht, um nachzuweisen, namentlich an den beiden erstern, dass in denselben die Erinnerung an das tragische Geschick lasterhafter Menschen gefeiert werde. Ebenso werden dann die Geheimnisse anderer ›Superstitionen‹, wie des Liber und der Libera (d. i. hier der Proserpina) erklärt, welche, die Tochter der Ceres, eines hennensischen Weibes, von einem reichen Bauer entführt, in dem See Percus zugleich mit ihm umkam, als er verfolgt mit seinem Wagen durch diesen zu entfliehen versuchte Zu welchen lächerlichen Absurditäten ein übertriebener Euhemerismus führte, kann recht die weitere Erklärung dieses Mythus und seiner Sacra in c. 7 zeigen.; der Kulten des Adonis, Sebazius und des Cabirus geschieht dann noch kurze Erwähnung, worauf Firmicus zeigt, wie der Glaube an diese unsittlichen Gottheiten seinen Grund nur in den unsittlichen Neigungen der Menschen selbst findet, die mit den Missethaten jener die eigenen beschönigen und entschuldigen (c. 12). Die Tempel solcher Religionen sollte man auf das Theater versetzen, und die Priester zu Komödianten machen! Nachdem noch der Verfasser des Serapis gedacht, in welchem nur der Urenkel der Sarah, Joseph, verehrt werde, und ›um nichts zu übergehen‹ (c. 14) in der Kürze auch der Penaten, der Vesta und des Palladium, untersucht er die Bildung der Namen der Götter (c. 17), wobei denn die lächerlichsten Etymologien vorgebracht werden, die aber auch der Euhemerismus, wie man schon eben sah, oft zu verwerthen wusste, ja geradezu brauchte. Auch von den Namen soll also das Geheimniss der Superstition abgestreift werden.

133 Hierauf beginnt ein zweiter Hauptabschnitt, indem unser Autor, zu den Mysterien selbst zurückkehrend, es unternimmt, die Signa und Symbola, woran sich die Eingeweihten erkennen, zu erörtern, die Losungsworte (c. 18 ff.). Und diese, findet er, sind ihrem Inhalt nach durch den Teufel der Bibel, namentlich den auf Christus weissagenden Aussprüchen der Propheten, mit diebischem Betruge entnommen, um so das Gesetz der göttlichen Ordnung durch verkehrte Nachahmung zu verderben. S. c. 21, § 1 und c. 22, § 1 und vgl. c. 20, § 1. – Die Bibelstellen sind von Firmicus vornehmlich den Testimonia des Cyprian entlehnt, wie dies Dombart, Zeitschr. f. wissenschaftl. Theologie, Bd. 22, S. 375, zeigte. So erklärt sich das χαῖρε νύμφιε, χαῖρε νέον φῶς durch die Bezeichnung Christi als Bräutigam in der Bibel und seinen Ausspruch: ›ich bin das Licht der Welt‹; so enthält das ϑεὸς ἐκ πέτρας das heilige Geheimniss, dass Christus zum Eckstein geworden; so wird in dem εὐοῖ δίκερως δίμορφε eine Beziehung auf die Hörner des Kreuzes gefunden (was übrigens von archäologischem Interesse ist); ein anderer mystischer Spruch redet sogar von dem geretteten Gotte, der eine Erlösung aus dem Leiden sein wird, was Firmicus zu einem kleinen Excurs über den Grund des Leidens Christi veranlasst (c. 25). Ein Symbol aber gibt offen den Urheber dieses Truges zu erkennen: ταῦρος δράκοντος καὶ ταύρου δράκων πατήρ. – Hieran schliesst sich (c. 27) eine Darlegung, wie der Teufel auch in symbolischen Handlungen dieser Geheimdienste durch die Nachahmung des ›Holzes‹, das den Menschen die Erlösung brachte, diese zu täuschen wusste: wie denn in den Sacra der Kybele, Isis und Proserpina ein Baum eine grosse Rolle spielt; und dem gegenüber zeigt hier der Verfasser, welche Bedeutung das Holz schon im alten Bunde hat, welche auf die des Kreuzes allmählich vorbereitete. Aber während letzteres die Welt selbst trägt, wird das des Teufels verbrannt, und ein Widder wird darauf geopfert – eine andere trügerische Nachahmung des Lammes Christus, auf welches auch schon Vorbilder des alten Testamentes hinweisen. Für die Geschichte der Typologie ist dies c. 27 also von besonderm Interesse. – Schliesslich weist Firmicus (c. 28) aus Sprüchen der Propheten nach, dass die Götzenbilder nichts anderes als solche sind, um im Anschluss an einen Ausspruch des Jeremias, wie er meint, es ist aber Baruch c. 6, v. 50 ff., die Kaiser aufzufordern, 134 dieselben einzuschmelzen und zu Geld zu machen, indem er ihnen so durch die Autorität der Propheten eine Beruhigung vor jeder abergläubischen Besorgniss bietet. Er ermahnt sie endlich unter Hindeutung auf die Verbote Gottes, Idole zu machen und zu verehren, namentlich von Deuteronom. XIII, wonach im Uebertretungsfalle selbst nicht des Sohnes, des Bruders und Weibes geschont werden soll: dass ihre Strenge, was ihnen durch Gott befohlen werde, ausführe und die Missethat der Idolatrie in jeglicher Weise verfolge. Dazu sei ihnen das Imperium von Gott übertragen, meint er an einer andern Stelle c. 16; allerdings zum Zweck, die in ihr Verderben stürzenden Heiden zu retten. Als Lohn werde ihnen dafür, nach eben jener Bibelstelle, das Erbarmen Gottes verheissen, welcher schon beider Regierung um ihres Glaubens Willen so reich gesegnet habe.

So schliesst das Werk im Geiste jenes jüdischen Zelotismus, der das Ganze durchdringt, wie denn auch der Verfasser in der Regel nur auf das Alte Testament sich beruft. Der Schluss zeigt zugleich recht die Tendenz, die Firmicus in seiner Schrift verfolgte; er will nicht sowohl das Heidenthum widerlegen, als denunciren, er will zeigen, dass auch in den Mysterien nichts weiter als ein reiner Götzendienst, d. h. die Verehrung verstorbener Menschen unter dem Bilde und Namen von Göttern stattfindet, um die Staatsgewalt zur Vernichtung auch dieser letzten Zuflucht des Heidenthums zu veranlassen. Hiernach erklärt sich auch die Composition des Buches vollkommen, so wenig auch der Verfasser einen festen Gang in seiner Darstellung einhält, auf ungehöriges abschweifend, und den Gegenstand gleichmässig behandelt.

 


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