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Siebentes Kapitel.

De Phoenice.

Neben diesen beiden poetischen Werken, die auch ihrem Inhalt nach ganz dem Genius des ersten Zeitalters der christlichen lateinischen Literatur entsprechen, ist hier nur eine Dichtung noch aufzuführen, von der man lange gezweifelt hat, ob sie christlichen Ursprungs, und ob sie noch dem Ende dieser Periode, oder etwa schon dem Anfang der folgenden angehört; neuere Untersuchungen Von Riese und Dechent. Siehe die folgende Anmerkung. aber haben den ersteren und die Verfasserschaft des Lactanz, soweit dies möglich ist, nachgewiesen. Es ist das Gedicht De Phoenice Lactantii Carmen de Phoenice, ad codd. quosd. etc. ed. A. Martini. Lüneburg 1825. (Prolegg.) – * Lactantii De ave Phoenice, herausgegeben von Biese, in Claudii Claudiani carmina ed. Jeep, Vol. II, p. 211 ff. (Riese's Praef. ib. p. 190 ff.). Leipzig 1879. – – Riese, Ueber den Phoenix des Lactantius und die Gedichte der lateinischen Anthologie im Rhein. Museum 1876, Bd. 31, p. 446 ff. – Dechent, Ueber die Echtheit des Phoenix von Lactantius, ibid. 1880, Bd. 35, p. 29 ff., das ja bereits im sechsten Jahrhundert ihm allgemein beigelegt erscheint. Wie dies in dem Buche Gregors von Tours › De cursibus ecclesiasticis‹ geschieht (s. darüber weiter unten Buch 3). Als drittes Wunder wird hier das des Phönix erzählt auf Grund unseres Gedichts, und mit den Worten eingeführt: Tertium est quod de Phoenice Lactantius refert. Von dem Schlusssatz (nach Kruschs Ausgabe: Quod miraculum resurrectionem humanam valde figurat et ostendit, qualiter homo luteus redactus in pulvere, sit iterum de ipsis favillis tuba canente resuscitandus) aber anzunehmen, dass er einen verlorenen Schluss des Gedichts wiedergebe, wie Riese in seiner ersten Ausgabe (in der Anthologia latina Pars I, Fascic. 2, Praef. p. XXVII) zu thun geneigt schien, ist durchaus ungerechtfertigt, zumal das Gedicht, sowie es vorliegt, einen vollkommenen Abschluss hat, und Gregor auch die beiden ersten Wunder mit einer Auslegung in solcher Form schliesst. – Auch die ältesten Mss., das eine aus dem 9., das andere aus dem 10. Jahrhundert, bezeichnen Lactanz als Verfasser. Es ist in 85 Distichen verfasst, in welchen die im Alterthum schon lange verbreitete Sage von dem Wundervogel, und zwar in ihrer spätern Gestalt, wonach der Vogel im höchsten Alter sich verbrennt, um selbst aus der Asche von neuem zu erstehen, eine eigenthümliche Behandlung gefunden hat. Nachdem die Sage seit dem letzten Viertel des ersten Jahrhunderts im Abendland 98 diese Gestalt gewonnen Siehe namentlich Martialis, Epigr. V, 7, v. 1. – Im übrigen vgl. hier und im Folgenden die treffliche Untersuchung von Piper, Mythol. u. Symbolik der christl. Kunst, I, S. 446 ff. – nach der ältern nämlich entsteht ein Junges aus der Leiche des Alten So noch bei Ovid, Metam. XV, v. 402. – findet sie eine ausserordentliche Verbreitung, indem der Phönix jetzt ein Symbol der Unsterblichkeit und Ewigkeit sowie der Verjüngung wird, und als solches in der einen oder andern, namentlich der erstern Bedeutung sowohl auf den Münzen der Kaiser seit Hadrian, als auf Grabmälern erscheint. Von den christlichen Schriftstellern aber wird dieser Mythus schon seit Clemens Romanus als ein Beweis der Unsterblichkeit benutzt, wie denn in diesem Sinne des Phönix auch von Tertullian De resurrect. carn. c. 13. und von Commodian Carm. apolog. ed. l. v. 139 f. gedacht wird. Auch auf christlichen Sarkophagen zeigt sich im Verein mit dem Palmbaum unser Vogel als Sinnbild der Wiedergeburt. So erklärt sich leicht, dass auf den Münzen der ersten christlichen Kaiser, namentlich Constantins des Grossen und seiner Söhne, dies Symbol besonders häufig sich findet, indem hier die christliche wie die heidnische kaiserliche Tradition zugleich wirkten, vielleicht auch noch selbst die nahe Beziehung des Phönix zu dem in dem Hause des Constantius Chlorus so verehrten Sonnengotte, dem ja auch Constantin, und besonders wieder Julian huldigten; doch liegt auch hier allerdings der Gedanke der Wiedergeburt des Weltreichs, wie die Umschriften zeigen, vorzugsweise zu Grunde. An diese Zeit möchte man daher von vornherein am ehesten als Abfassungszeit unseres Gedichts denken.

Der Inhalt ist folgender. Fern im äussersten Osten liegt ein glücklicher Ort, eine Hochebene, über den höchsten Spitzen der Gebirge erhaben, dort ist der Hain der Sonne in ewigem Grün, den weder der Phaëtonische Brand, noch die Deucalionische Fluth berührte. Nicht Krankheit, Alter und Tod, noch die irdischen Leidenschaften und Verbrechen, oder Kummer, Armuth und Sorgen gelangen hierher; ebenso wenig Sturm, Frost oder Regen. Dagegen findet sich mitten darin eine Quelle, welche jeden Monat einmal den ganzen Hain bewässert. Hier wohnt der Phönix, der einzige Vogel seiner Art. Er gehorcht 99 als Trabant ( satelles ) dem Phöbus. Mutter Natur verlieh ihm, dieses Amt zu haben Hoc Natura parens munus habere dedit. v. 34.: wenn Aurora sich erhebt, taucht er zwölfmal seinen Leib in die freien Wellen, und spendet ebenso vielmal das Wasser als Opfer ( libat ); dann schwingt er sich auf die Spitze eines Baumes, der den ganzen Hain überragt, und erwartet, nach Osten gewandt, die Strahlen der Sonne. Sobald diese nur die Pforte öffnet, begrüsst er das neue Licht mit den unvergleichlichen Klängen eines heiligen Liedes. Wenn aber Phöbus die Rosse hinausgelenkt, so klatscht er mit dreifachem Flügelschlag, und nachdem er dreimal das feurige Haupt verehrt, schweigt er. Und die Stunden zeigt er auch an durch unsagbare Töne bei Tage und Nacht, er, der Priester des Hains, der allein deine Geheimnisse weiss, o Phöbus.

Diese Einleitung bildet den originellsten Theil des Gedichtes, und erscheint durch ihren religiösen Charakter, mag man ihn auffassen wie man will, höchst bemerkenswerth. Der Dichter erzählt dann die Sage (v. 59 ff.). Nach tausend Jahren, vom Alter gebeugt, verlässt der Vogel die heiligen Stätten in der Absicht der Wiedergeburt, und ›sucht diesen Erdkreis auf, wo der Tod sein Reich hat‹. Tunc petit hunc orbem, mors ubi regna tenet. v. 64. Er wendet sich nach ›Phönizien‹. Dort erkiest er sich eine hohe Palme, die von ihm ja im Griechischen Phönix heisst; und baut sich darauf ›sein Nest oder Grab, denn er stirbt um zu leben‹ (v. 77 f.), aus den kostbarsten Kräutern. Hier, unter ihren Düften, gibt er seinen Geist auf. Tunc inter varios animam commendat odores, Depositi tanti nec timet illa fidem. v. 93 f. Der Leichnam aber, durch seine Wärme erglühend, entzündet sich mit Hülfe des ätherischen Lichtes. Und aus der Asche entwickelt sich ein milchweisser Wurm, welcher, unermesslich gewachsen, sich verpuppt, und nur von Himmelsthau lebt; aus der Puppe aber geht wie ein Schmetterling der Phönix hervor, der, ehe er in die Heimath zurückkehrt, den Rest der Gebeine nach dem Sonnentempel in Aegypten trägt, um sie dort zu opfern. Der Dichter V. 125 ff.; es fehlt dabei nicht der Nimbus: › Phoebei verticis alta decus‹. Die Schilderung des Vogels bei den andern alten Autoren siehe in Martini's Ausgabe, S. 35 ff. schildert hier sein Aeusseres: denn auf diesem Fluge ward er gesehen, von den Aegyptern, 100 die ihn in heiligem Marmor aushauten (v. 153). Die ganze Gattung der Vögel sammelt sich um ihn, ohne dass weder der Beute einer, noch einer der Furcht gedenkt, um ihn zu begleiten, erfreut ob des frommen Dienstes. Munere laeta pio v. 158; munus ist meiner Ansicht nach hier auf die Handlung des Phönix zu beziehen, nicht auf die der Vögel. Jener kehrt hernach in seine Heimath zurück. – Der Dichter preist ihn schliesslich glücklich: ihn, der keines Bundes der Liebe pflegt, ›der Tod ist ihm die Liebe, nur im Tode seine Wollust; um geboren werden zu können, begehrt er vorher zu sterben‹: ›zwar er selbst, aber nicht derselbe, erlangt er das ewige Leben durch des Todes Gut‹.

Wenn auch schon in der ältesten Form der Sage der Phönix als ein der Sonne geheiligtes Thier erscheint, und ihm, indem er die Gebeine des Vaters in dem Heiligthum des Helios niederlegt, auf weitem Wege sie dorthin tragend, der Charakter der Pietät, im antiken Sinne, gegeben wird, so haben doch diese Elemente des Mythus in der Behandlung unseres Dichters eine ganz ausserordentliche Entwickelung erhalten, wodurch sich sein Gedicht auch von dem des Claudian Idylle I. Beide Gedichte erinnern trotzdem aneinander in einzelnen Zügen und Ausdrücken dergestalt, dass es kaum möglich ist, zu denken, einer der beiden Dichter habe nicht das Werk des andern gekannt. Dass es Claudian war, ist jetzt wohl nicht mehr zu bezweifeln. Schon in der ersten Ausgabe erklärte ich mich für die Priorität unserer Dichtung mit der Bemerkung, dass, wenn sie nach der Claudians geschrieben, sie zwar selbstverständlich nicht von Lactanz sein könnte, um so sicherer aber dann von einem Christen wäre. ganz wesentlich unterscheidet. Es erscheint hier die Wiedergeburt gleichsam im Gefolge der Frömmigkeit. Dieses starke religiöse Kolorit lässt allein schon leicht an einen christlichen Dichter denken, welcher aber zu der heidnischen hellenischen Bildung in keinem feindseligen Verhältnisse stand, sodass er an dem überlieferten mythologischen Gewand der Sage keinen Anstand nahm. Doch, könnte man vielleicht sich den Verfasser auch als einen Verehrer des Mithras, oder als Neuplatoniker denken? Dagegen spricht, dass manche einzelne Züge einen specifisch christlichen Charakter haben und der Ausdruck selbst sich zuweilen an den biblischen unmittelbar anschliesst. Man braucht nur an den Erdkreis als das Reich des Todes, und an die Verherrlichung der Keuschheit, sowie an die dem Paradies sehr ähnliche Heimath des Vogels zu erinnern; aber besonders beachtenswerth scheinen mir in dieser Beziehung die oben S. 99, Anm. 3 citirten Verse, einmal das › commendare animam‹, das an das › in manus tuas commendo spiritum meum‹ Luc. 23, v. 46 sogleich erinnert, dann der folgende Vers seines Inhalts wegen. An diese meine Beobachtungen reihen sich die oben citirten ausführlicheren Untersuchungen von Riese und Dechent, welche manche neue Argumente für den christlichen Ursprung (z. B. den Lebensquell v. 25) und die Autorschaft des Lactanz bringen, die letztere wird namentlich von Dechent durch eine Vergleichung der Sprache der Dichtung mit der Prosa des Lactanz erhärtet. – Ich halte es übrigens für nicht unmöglich, dass der Phönix hier sogar zugleich als Sinnbild Christi erscheinen soll, wie mit ihm Christus schon bei Commodian l. l. verglichen wird, und wie er auch in der spätern Kunst als sein Symbol sich findet. In dieser Hinsicht wäre namentlich v. 58: › Et sola arcanis conscia, Phoebe, tuis‹ von Bedeutung. Die Dichtung ist mehr, als 101 eine blosse metrische Spielerei, wie früher manche anzunehmen rasch bei der Hand waren; denn der Stoff ist in einer eigenthümlichen innerlichen Weise erweitert, sodass hier – was auch so ganz im Geiste der ältesten christlichen Kunst ist – seine symbolische Bedeutung den Kern des poetischen Interesses bildet Was bei Claudian z. B. keineswegs der Fall ist., wie auch recht der Schluss zeigt. Die religiöse Richtung jener Zeit, der die Unsterblichkeit das höchste der Güter geworden war, dessen sie sich auf den verschiedensten Wegen zu versichern suchte, spiegelt sich in dieser Dichtung wieder, wie in der Verbreitung selbst, die die Sage gewonnen. 102

 


 


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