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Fünftes Kapitel.

Hilarius.

Ein jüngerer Zeitgenosse des Firmicus Maternus war der heilige Hilarius S. Hilarii Pictaviensis episcopi opera ad mss. codd. gallicanos, romanos, belgicos etc. stud. et labore monachor. ordin. S. Benedicti e congreg. S. Mauri. Paris 1693. fol. (Prolegg.) – Id. Verona 1730 (verbessert und vervollständigt von Maffei). – * S. Hilarii Pict. ep. opera omnia iuxta edit. monachorum ord. S. Bened. et omnca alias inter se collatas reproducta, emendata, singulariter aucta (Migne's Patrologia lat., Tom. IX et X). Paris 1844–45. – – Reinkens, Hilarius von Poitiers. Schaffhausen 1864., der im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zu Poitiers geboren war, von welchem er beigenannt 135 wird. Aus einer angesehenen heidnischen Familie stammend, trat er erst in reiferen Jahren zum Christenthum über, um dann alsbald die höchste Würde in der Gemeinde seiner Vaterstadt, das Episcopat zu erlangen. Dies nimmt weniger Wunder, wenn man die Geschichte seiner Bekehrung, wie er sie selbst in seinem bedeutendsten Werke andeutet De trinitate I, c. 1 ff., in Betracht zieht. Der Weg der Wissenschaft hatte ihn zum Christenthum geführt; er war gleichsam als Theolog Christ geworden. In seinem Streben nach der höchsten Wahrheit, seinem eifrigen Suchen nach Gott, das ihm ein Bedürfniss des Gemüthes wie des Geistes war, um den menschlichen Beruf würdig zu erfüllen und einer Fortdauer nach dem Tode versichert zu sein, hatten ihn die ältern wie die neuern philosophischen Systeme im Stich gelassen; so wandte er sich an die heiligen Schriften der Christen, und hier fand er denn, namentlich in dem Pentateuch und den Propheten einerseits, und andererseits in dem Evangelium Johannis, was er suchte: Gott das absolute Sein, und seine Vermittlung mit der Welt und dem Menschen.

In dem Kampfe des Kaisers Constantius gegen das nicäische Glaubensbekenntniss wurde Hilarius im Abendlande dessen Hauptvertheidiger, und ein um so überzeugterer und energischerer, als es ihm nicht bloss eine Sache des Herzens, sondern auch seines speculativen Geistes war. 356 wurde er von dem Kaiser deshalb nach Kleinasien verbannt. Vier Jahre brachte er in diesem Exil zu – ein Aufenthalt, der ihm reiche Früchte eintrug. Dort nämlich wurde er noch vertrauter mit der griechischen Sprache und der kirchlichen Literatur des Morgenlands, sowie mit seinem theilweise eigenthümlichen Kultus; unter dem Einfluss des Studiums der griechischen Kirchenväter, das er hier umfänglicher als früher pflegen konnte, reifte seine christliche Speculation: dort verfasste er sein bedeutendstes Werk, das über die Dreieinigkeit, welches er selbst wohl nur De fide , wahrscheinlich mit dem Zusatz contra Arianos betitelt hat S. Reinkens, S. 137., während er eben dort auch die Anregung zur 136 Dichtung seiner Hymnen fand, von denen freilich keine einzige, die beglaubigt wäre, sich erhalten hat. Auch von dem bekannten Morgenhymnus › Lucis largitor‹ etc. lässt sich die Authenticität ganz und gar nicht nachweisen, vielmehr spricht vieles dagegen (namentlich auch die metrischen Verstösse), nur nicht seine Mittheilung in dem untergeschobenen Briefe an die Abra; diese könnte vielmehr dafür sprechen, denn die Schlussfolgerung Reinkens' (S. 313): ›Gehören beide – der Brief und der Hymnus – zusammen, sind sie von der selben Hand, dann folgt die Unechtheit des einen aus der des andern‹, ist ganz irrig. Der Fälscher des Briefs wird, wenn er nur ein wenig schlau war, gerade einen Hymnus, den man zu seiner Zeit als von Hilarius abgefasst allgemein annahm, seinem Falsificat einverleibt haben, um diesem den Schein der Echtheit zu geben. – Ueber die in neuester Zeit unter seinem Namen aufgefundenen Hymnen s. die Anmerkung am Schlusse dieses Kapitels. Uebrigens kommen wir auch noch einmal später auf die Hymnen des Hilarius zurück. Zugleich wirkte er auch in der Verbannung sowohl persönlich als durch verschiedene Flugschriften So verfasste er damals das Sendschreiben › De synodis‹ an die gallischen, germanischen und britannischen Bischöfe, worin er die nach der nicäischen Synode aufgestellten Glaubensbekenntnisse verzeichnet und kritisirt; so ferner die Denkschrift an Kaiser Constantius, worin er um eine Audienz bittet und den orthodoxen Glauben vertheidigt, welche Schrift als › Ad Constantium liber secundus‹ unter seinen Werken erscheint, während der liber primus vor der Verbannung zu seiner Rechtfertigung geschrieben ist. Noch schrieb er während seines Exils den von Hieronymus De vir. ill. c. 100 aufgeführten › liber adversus Valentem et Ursacium historiam Arimiensis et Seleuciensis synodi continens‹, von dem sich nur Fragmente erhalten haben, s. darüber Reinkens, S. 210. für das Glaubensbekenntniss von Nicäa und gegen die von Constantius damals angestrebte Glaubenseinheit, in welcher zum Vortheil des kaiserlichen Semiarianismus die Gegensätze der Orthodoxen und Arianer vermittelst einer in ihrer Fassung unbestimmten und zweideutigen Glaubensformel aufgehoben werden sollten. Da aber alle Bemühungen des Hilarius bei dem Kaiser fruchtlos geblieben waren und dieser selbst ihn nicht einmal anhören wollte, so schrieb er noch in Constantinopel, wo er in der letzten Zeit seiner Verbannung sich aufhielt, gegen das Ende des Jahres 359 das Buch Contra Constantium imperatorem , in welchem er, seinem gepressten Herzen Luft machend, die volle Schale des Zornes über den Kaiser ausgiesst. Erst nach dem Tode desselben aber wagte er es herauszugeben. Auch in der Heimath, wohin er 360 zurückkehrte, setzte er noch diese Thätigkeit für das nicäische 137 Glaubensbekenntniss In dieser Zeit verfasste er auch im Interesse der orthodoxen Kirche seine Schrift gegen den Mailänder Bischof Auxentius., und hier mit dem grössten Erfolge, bis zu seinem sechs Jahre später eingetretenen Tode fort, sodass, wie Sulpicius Severus schreibt Chron. II, c. 45; ebendort auch die von uns angenommene Zeitbestimmung des Todes des Hilarius., es allgemein anerkannt war, einzig dem Hilarius habe Gallien die Befreiung von dem Makel der Ketzerei zu verdanken.

Eine so grosse Rolle indess Hilarius, der Athanasius des Abendlandes, wie man ihn genannt hat, in der Kirchengeschichte spielt, in der Geschichte der allgemeinen Literatur, sowie wir die letztere hier auffassen, ist er doch, als Prosaiker wenigstens, fast nur von indirecter Bedeutung, wenn auch diese keine geringe ist. Wir besitzen von ihm nämlich, abgesehen von jener Flugschrift gegen Constantius, nur rein theologische Werke: ausser den dogmatisch-speculativen, historischen und polemischen, deren wir gedachten, noch zwei bibelerklärende, einen Commentar des ersten Evangelium, sein ältestes, noch vor der Verbannung verfasstes Buch, und einen weit grösseren der Psalmen, nach seiner Rückkehr aus jener geschrieben, der aber nicht mehr vollständig erhalten ist. S. darüber Reinkens a. a. O., namentlich S. 306. Diese beiden Commentare liegen uns hier schon darum näher, weil sie wohl unmittelbar, namentlich der erstere, auch für ein Laienpublikum bestimmt waren.

Die allgemeine Bedeutung der theologischen Werke des Hilarius für den Entwicklungsgang der christlich-lateinischen Literatur liegt aber darin, dass sie ihr den Einfluss der christlich-griechischen Speculation vermittelten, und so ihr neue befruchtende Elemente zuführten. Die hohe Bildung des Geistes, die Hilarius durch das Studium der bedeutenden griechischen Kirchenväter seiner Zeit wie der Vergangenheit sich erworben, führte ihn aber zugleich auch dahin, vom rein christlichen Standpunkt selbst eine Eleganz des sprachlichen Ausdrucks zu fordern, und für seine Person zu erstreben, im vollsten Gegensatz zu den allerdings schon überwundenen Ansichten eines Tertullian und Arnobius; und so musste er als Autor auch in formeller Beziehung von nachhaltiger Wirkung sein. Wenn auch bereits die Schönheit der Form von den christlichen Autoren mit 138 Bewusstsein angestrebt wurde, so geschah dies doch, wie wir sahen, ausser zu der eigenen ästhetischen Befriedigung, nur zu dem Zweck, den gebildeten Heiden, oder den heidnisch Gebildeten den christlichen Inhalt zu empfehlen; Hilarius dagegen machte den bedeutenden Fortschritt und erklärte, jener Inhalt verlange an und für sich, seiner Bedeutung und Würde entsprechend, die höchste Eleganz des Ausdrucks. So bittet er Gott, indem er dessen Beistand zur Ausführung seines Werkes über die Dreieinigkeit anruft De trinit. I, c. 38., nicht bloss um das Licht der Intelligenz und die Treue der Wahrheit, sondern auch um der Wörter Bedeutung und des Ausdrucks Würde ( dictorum honor ); so verlangt er an einer Stelle seines Psalmencommentars Tract. in Ps. XIII. : wer das Wort Gottes behandelt, soll auch durch die Sorgfalt der Rede dem Urheber ( auctor ) desselben die Ehre geben, sowie schon die, welche die Rescripte eines Königs abfassen, mit allem Fleiss und aller Vorsicht verfahren müssen, um seiner Würde zu genügen; die Prediger müssen also nicht sowohl daran denken, dass sie zu Menschen reden, als dass es die Worte Gottes sind, die sie ihnen verkündigen. Wir müssen wachen und sorgen, sagt er, nichts niedriges zu sagen, sondern uns mit der schuldigen Würde auszudrücken.

In wie weit er selbst seine Forderung erfüllte, darüber lässt sich allerdings streiten, wie dies in der That auch geschehen ist. Es lässt sich einmal nicht leugnen, dass er in Betreff des Wortschatzes von der klassischen und auch der guten silbernen Latinität oft weit sich entfernt, und doch soll er nach Hieronymus Epist. 83, ad Magnum. Quintilians Institutionen nachgeahmt haben: aber Hilarius musste sich seine Ausdrucksweise zum Theil selber schaffen, als er zuerst unter den christlichen Lateinern ein Werk von so tiefsinniger Speculation als das über die Dreieinigkeit schrieb, und er war sich der Mangelhaftigkeit der lateinischen Sprache im Vergleich zur griechischen wohl bewusst. Seine Satzbildung ferner ist nicht selten eine schwere: lange Perioden, denen Abrundung und Durchsichtigkeit mangelt, zumal er mitunter selbst Wörter (ohne dies anzudeuten) den Leser aus dem Zusammenhang oder dem Vorausgehenden ergänzen lässt, auch griechische Constructionen mehr als billig 139 zu Hülfe nimmt; aber seine Diction ist andererseits kernig und kraftvoll, nie seicht und trivial, sie hat stets Charakter, und so fesselt sie immer durch den Reiz der Individualität, und vermag selbst durch leidenschaftliches Feuer, das hier und da in ihr erglüht, wahrhaft fortzureissen: allerdings wird, wie Hieronymus sagt Epist. 13, ad Paulinum. , Hilarius auch – doch fügen wir hinzu, nur zeitweilig – von dem gallischen Kothurne getragen; er ist in der Schule dieser Beredsamkeit aufgewachsen, aber ihre Magniloquenz ist bei ihm keine leere, noch weniger eine stereotype, sie ist stets die Folge wahrer innerer Erregung, welche geschmacklose Uebertreibung des Worts also wenigstens entschuldigt; andererseits aber verbreitet sich auch öfter ein wahrhaft poetischer Hauch über seine Darstellung, die in der kühneren Anwendung metaphorischer Ausdrucksweise die den alten Klassikern fremden Reize des modernen Stiles zeigt. Z. B. De trin. I, c. 37, wo er um den Beistand Gottes bittet: › ut extensa tibi fidei nostrae confessionisque vela flatu Spiritus tui impleas, nosque in cursum praedicationis initae propellas‹; oder ibid. VI, c. 2, wo er, der Motive zur Abfassung des Werkes gedenkend, von sich sagt: › uberius gaudium consectans ex salute multorum, si – – se Deo redderent haereticis repudiatis atque a cibo mortis, quo in laqueum aves solent illici, in votatum se liberae securitatis erigerent‹.

Die Bibelcommentare des Hilarius sind auch inhaltlich für die allgemeine Literatur von Bedeutung durch die allegorisch-typologische Auslegungsweise, die der alexandrinischen Schule entlehnt, hier zuerst im Abendland in bedeutenderer Weise eingeführt erscheint. Sie beherrscht von da an, und fast das ganze Mittelalter hindurch, die Bibelerklärung, indem sie namentlich auch in den Predigten sich geltend macht, und so auf die Phantasie des Volkes nicht wenig einwirkt. Diese Art der Exegese ist ja selbst mehr das Werk einer speculativen Phantasie und des Witzes, als der Gelehrsamkeit. Sie hat auch auf die bildende Kunst der Christen wie auf die Poesie einen bedeutenden Einfluss ausgeübt; ja unter diesem hat sich eine ganze, specifisch christliche Gattung, die der allegorischen Dichtung entwickelt, deren Anfänge wir in der christlich-lateinischen Literatur weiter unten betrachten werden, und die in der Weltliteratur des Mittelalters auch in den Volkssprachen später eine so grosse Rolle spielen sollte. Diese Bibelexegese geht aber 140 von der Grundansicht aus, dass hinter dem einfachen Wortsinn noch ein tieferer Sinn verborgen sei, dessen Erfassung erst das ›himmlische Verständniss‹ gewährt Die ›coelestis intelligentia‹ Comment. in Matth. c. 20, § 2.; letzteres will sie eben vermitteln. Es beruht aber darin, dass die ganze heilige Schrift prophetisch ist; die Ereignisse, die erzählt werden, sowie der Ausdruck ihrer Erzählung selbst zeigen zugleich immer vorbildlich zukünftiges an: dies ist ihre typica ratio . Diese Ansicht aber hat sich zunächst aus dem Streben, das Alte Testament mit dem Neuen ganz in Einklang zu bringen, entwickelt, ein ähnliches Streben als das des Philo war, dasselbe seinem philosophischem Systeme anzupassen: er wandte zuerst in umfassender und systematischer Weise diese allegorische Bibelerklärung in Bezug auf die Schriften des alten Bundes an, indem er selbst, wie seine jüdischen Vorläufer, hierin nur dem Vorgange der heidnischen Philosophen, namentlich der Stoiker, die also die Mythen interpretirten, folgte. S. Zeller, Philos. der Griechen III, 2, S. 224 ff. u. 300 ff. Von den christlichen Erklärern aber wurde die Hinweisung, die man auf Christus als Messias bei den Propheten fand, nur verallgemeinert: eine Beziehung auf ihn sollte nun überall in dem alten Bunde thatsächlich und wörtlich sich finden.

Hilarius' Commentar des Matthäus ist allein nach dieser Methode verfasst Um ein Beispiel zu geben, sei c. 1, § 5 angeführt: › Stellae autem ortus a magis intellectus indicat mox gentes in Christum credituras et homines professionis longe a scientia divinae cognitionis aversae lumen quod statim in ortu eius exstitit cognituros. Denique oblatio munerum intelligentiam in eo totius qualitatis expressit: in auro regem, in thure Deum, in myrrha hominem confitendo. Atque ita per venerationem eorum sacramenti omnis est consummata cognitio: in homine mortis, in Deo resurrectionis, in rege iudicii. Quod vero repetere iter, atque ad Herodem in Iudaea redire prohibentur, nihil a Iudaea petere scientiae agnitionisque permittimur, sed in Christo salutem omnem et spem locantes, admonemur prioris vitae itinere abstinere., und, wie es scheint, ihm ganz eigenthümlich; der der Psalmen hat zugleich auch sprachliche, historische und namentlich ethische Gesichtspunkte, er ist aber im Anschluss an den der alexandrinischen Schule, welcher den Namen des Origenes trägt, doch mit vieler Selbständigkeit, abgefasst. Es ist übrigens keine Frage, dass Hilarius die allegorische Auslegungsweise auch schon bei dem andern Commentar dieser 141 Schule entnommen hat, wenn er auch nicht an ein bestimmtes Werk derselben hier sich unmittelbar anlehnte. Ein Commentar von ihm zu dem Buche Hiob ist uns verloren.

Die Schrift gegen Constantius, welche ganz dem Bereiche der allgemeinen Literatur angehört, und für die Charakteristik dieses Kaisers eine, wenn auch nicht objective, doch äusserst werthvolle Quelle bildet, ist mit einer seltenen Energie und der fortreissenden Beredsamkeit eines sittlichen Zornes geschrieben. Hier bewegt sich die Darstellung oft in kurzen schlagenden, mit Antithesen gewürzten Sätzen. Und wir hören hier nicht bloss den eifrigen Orthodoxen, dessen Partei von dem Kaiser verfolgt wird, sondern den überzeugungstreuen, einer hohen Idee ganz hingegebenen Mann einem verschlagenen Diplomaten gegenüber, dem nichts heilig ist, wenn es ihm gilt, seine Zwecke zu erreichen, und der dafür das Mittel moralischer Corruption, dem eigenen Charakter gemäss, ebenso gern als geschickt ausbeutet. Wie viel besser waren die früheren blutigen Verfolgungen, meint Hilarius. ›Jetzt aber kämpfen wir gegen einen Verfolger, der betrügt, einen Feind, der schmeichelt, gegen Constantius den Antichristen: der geisselt nicht den Rücken, sondern streichelt den Bauch, er proscribirt nicht zum Leben, sondern bereichert zum Tode; er wirft nicht in den Kerker zur Freiheit, sondern er ladet mit Ehren in seinen Palast ein zur Knechtschaft; nicht die Seiten peinigt er, sondern nimmt das Herz ein; er schlägt nicht das Haupt ab mit dem Schwerte, sondern tödtet die Seele mit dem Golde; nicht droht er mit Verbannung öffentlich, sondern entzündet das Höllenfeuer privatim. Er kämpft nicht, um nicht besiegt zu werden, sondern er schmeichelt, um zu herrschen. Christus bekennt er, um ihn zu leugnen; Einigkeit erstrebt er, damit kein Friede sei; er unterdrückt die Irrlehren, damit es keine Christen gebe; die Priester ehrt er, damit sie nicht Bischöfe sind; der Kirche errichtet er Häuser, um den Glauben zu Grunde zu richten. Dich trägt er in Worten, dich im Munde herum, und thut alles allewege, damit du, Gott, nicht als Vater geglaubt werdest.‹ c. 5. Grausamer als ein Nero und Decius sei Constantius, der verworfenste aller Sterblichen, der alle Leiden der Verfolgung so ›temperire‹, dass er das Martyrium bei dem Bekenntniss ausschliesse. c. 8. Alles was dieser ›Wolf im Schafskleide‹ gegen die 142 orthodoxe Kirche verbrochen, führt dann Hilarius noch im einzelnen auf. In der Bibliothek der Fraternitas S. Mariae in Arezzo hat sich unlängst ein Codex gefunden in der bis zum 12. Jahrhundert gebrauchten langobardischen Schrift, nach Kohler ( Note sur un msc. de la bibioth. d'Arezzo, in der Bibl. de l'école des chartes T. XLV, p. 142) aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, welcher aus dem Kloster Monte Cassino zu stammen scheint. Dieser Codex enthält u. a. ein Prosafragment und ein paar Hymnen, die von dem Schreiber als S. Hilarii episcopi bezeichnet werden. Sie sind im folgenden Werk 1887 in Rom herausgegeben: S. Hilarii Tractatus de Mysteriis et Hymni et S. Silviae Aquitanae Peregrinatio ad loca sancta. Quae inedita ex cod. Arretino deprompsit I. Fr. Gamurrini. Accedit Petri Diaconi liber de locis sanctis. Dem Prosastück fehlt der Anfang und ein grosser Theil im Innern. Der Schreiber nennt es am Schluss Tractatus Mysteriorum, indem er offenbar den von Hieronymus, De viris illustr. c. C, unter den Werken des Hilarius von Poitiers aufgeführten › Liber hymnorum et mysteriorum‹ meint, der aber sonst nirgends in der Literatur des Mittelalters sich erwähnt findet. Höchst wahrscheinlich versteht aber Hieronymus unter diesem Titel nur eine Sammlung von Hymnen, deren Charakter und Inhalt durch das mysteriorum angezeigt wird, indem sie wohl die Geheimnisse der Trinität behandelten, vielleicht war auch die Sammlung mit einer liturgischen Einleitung versehen, wie man auch das mysteriorum erklärt hat. Ganz falsch ist es aber, aus diesem einen liber zwei Werke zu machen, ein Hymnenbuch und ein liturgisches Werk, wie dies auch Reinkens thut. Der aufgefundene Tractat, der aus zwei Büchern besteht und schon deshalb mit dem einen von Hieronymus aufgeführten liber nicht identificirt werden kann, hat auch mit der Liturgie nichts zu thun; er legt vielmehr die typologische Bedeutung der Thaten ( gesta ) der wichtigsten Personen des Alten Testaments, so der Erzeltern, ihrer Söhne, des Noah, dann nach einer beträchtlichen Lücke des Jacob und Moses, darauf im zweiten Buche von Aussprüchen der Propheten dar, indem der Verfasser zeigen will, ›dass was im Herrn vollendet worden ist, schon von Anfang der Welt an in den meisten Dingen präfigurirt worden sei‹. Seinem Inhalt nach könnte das Prosafragment wohl als ein Werk des h. Hilarius angesehen werden, seinem Ausdruck und Stil nach aber nicht. Noch mehr gilt letzteres von dem einzigen der dem Tractat im Codex folgenden Hymni, für welchen des Hilarius Autorschaft in Anspruch genommen werden könnte; es ist der erste; denn der zweite, der erst nach einer Lücke von sechs Blättern folgt, ist von einer Frau verfasst und so kann auf diesen wie den noch folgenden dritten die dem ersten vorausgehende Ueberschrift: Incipiunt Hymni eiusdem (sc. S. Hilarii) nicht mehr bezogen werden. Uebrigens ist der letzte in rythmischen trochäischen catal. Tetrametern verfasst und besingt die Siege des himmlischen Adam über Satanas. Der erste Hymnus, ein Abecedarius, im zweiten Asklepiadeum des Horaz, aber in rythmischen Versen, würde auch, wie die Prosa, seinem Inhalt nach für ein Werk des Hilarius genommen werden können, insofern er die Trinität zum Gegenstand hat, und gerade dieser Umstand wird wohl auch den Anlass gegeben haben, Hilarius dieses Gedicht beizulegen; in formeller Beziehung aber ist es sowohl was Vers als Sprache betrifft des Hilarius so durchaus unwürdig, dass seine Autorschaft gar nicht denkbar ist. 143

 


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