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Sechzehntes Kapitel.

Victor von Vita.

Ausser diesen Heiligenleben, denen sich auch Passionen, d. h. Berichte von Martyrien, die einzelne Heilige erduldet, in grösserer Zahl angeschlossen haben werden, als sicher aus jener Zeit beurkundete sich finden, hat diese Epoche nur ein historisches Werk von zusammenhängender Erzählung aufzuweisen, 455 das auch dem Gebiet der Kirchengeschichte zunächst angehört. Es ist die Geschichte der Verfolgung der katholischen Kirche Afrikas während der Herrschaft Genserichs und Hunerichs von dem Bischofe von Vita (in der Provinz Byzacena), Victor. Th. Ruinart, Historia persecutionis Vandalicae in duas partes distincta. Prior complectitur Libros V Victoris Vitensis episc. et alia antiqua monumenta ad codd. mss. collata et emend. cum notis et observationibus etc. Paris 1694. 8. Danach Venedig 1732.4 °. (Die Passio p. 54 ff.). – Victoris Vitensis Historia persecutionis Africanae provinciae sub Geiserico et Hunirico regibus Wandalorum, rec. Halm. Berlin 1879 ( Mon. Germ. hist. Auct. antiquiss. Tom. 3, Pars prior). – Victoris episcopi Vitensis Historia persecutionis Africanae provinciae, rec. Petschenig. Accedit incerti auctoris Passio septem monachorum et Notitia quae vocatur. Wien 1881 ( Corp. scr. eccl. lat. Vol. VII). – – Papencordt, a. a. O. S. 366 ff. – Petschenig, Die handschriftliche Ueberlieferung des Victor v. Vita in: Sitzungsber. der Wiener Akad., phil.-hist. Cl. Bd. 90. 1880. Er scheint schon im Anfang der Regierung Hunerichs eine angesehene geistliche Stellung gehabt zu haben Bei der Mittheilung des Edicts Hunerichs in der Kirche zu Carthago, wonach die Wahl des Bischofs dieser Stadt wieder erlaubt werden sollte, obgleich unter einer dem Klerus bedenklich erscheinenden Clausel, befand sich Victor, wie er erzählt (II, c. 2), gegenwärtig, und nachdem er bemerkt, dass sie über die Clausel zu seufzen und zu murren begonnen hätten ( gemere coepimus mussitantes ), fährt er fort: Et ita legato dixisse probamur . Es scheint hiernach, als wenn er dort das Wort für den carthagischen Klerus geführt hätte; selbst wenn wir hier keinen Pluralis maiestaticus annehmen, wie er bei dem vorausgehenden nobis praesentibus sich findet.; auch ihn traf die allgemeine Verfolgung des katholischen Klerus nach dem Religionsgespräch in Carthago 484, obgleich er diesem selbst nicht beigewohnt Die Bemerkung non occurrit bei dem Namen des Victor, wie bei ein paar andern, in der Notitia provinc. et civitat. Afr. (der Liste der katholischen Bischöfe im sechsten Regierungsjahre Hunerichs) wird so erklärt und mit Recht, da die ganze Darstellung jenes Vorgangs bei Victor den offenbaren Beweis liefert, dass er nicht bei ihm zugegen war. Er erzählt denselben nicht bloss sehr kurz, sondern auch in einer ganz objectiven Form, wie sie sich in andern Fällen, wo er als Augenzeuge berichtet, nicht findet: so heisst es hier (II, c. 18) stets nostri, nostri episcopi z. B. deligunt de se, dixerunt etc., nicht › nos‹; man vergleiche nur damit die oben Anmerkung 2 angezogene Stelle!, indem er, und wie es scheint in die Wüste, verbannt wurde. Er schrieb sein Werk gleich im Anfang der Regierung Gunthamunds, um 486. Das Werk beginnt: Sexagesimus nunc, ut clarum est, agitur annus ex eo, quo populus ille crudelis ac saevus Wandalicae gentis Africae miserabilis attigit fines, transvadans facili transitu per angustias maris, quod inter Hispaniam Africamque aequor hoc magnum et spatiosum bissenis milibus angusto se limite coartavit. Hieraus schon, wie aus dem nächst Folgenden geht hervor, dass nur die Hauptexpedition unter Genserich gemeint sein kann, die in das Jahr 428 gesetzt wird: will man also hiernach allein die Abfassungszeit des Werks bestimmen, so müsste 488 angenommen werden. Da indessen der Schluss des Werks zeigt, dass die Verfolgung ungeschwächt fortbestand, Gunthamund aber schon 487 spätestens den Bischof von Carthago aus der Verbannung zurückrief, so lässt sich die Abfassung kaum später als 486 setzen, und ist anzunehmen, dass Victor die Zeit des Einbruchs der Vandalen nicht so genau bestimmen wollte oder konnte, also nur eine runde Zahl angab. Es wäre selbst nicht unmöglich, dass das Werk, obgleich selbstverständlich unter Gunthamund herausgegeben, schon unter Hunerich verfasst worden wäre, weil die das kurze letzte Kapitel bildende Notiz von seinem kläglichen Tode (der übrigens ganz an den des Galerius bei Lactanz › De mort. persec.‹ c. 33 erinnert) offenbar später hinzugefügt ist, indem sie ohne alle Verbindung mit dem vorausgehenden Kapitel gegeben ist, und dieses – das Gebet des Autors – viel eher einen Schluss des Werks zu bilden geeignet ist. Dieser schon in der ersten Auflage aufgestellten Ansicht von der Unechtheit des Schlusskapitels haben nunmehr auch die beiden letzten Editoren zugestimmt. Wenn aber der Annahme einer Abfassung unter Hunerich von Auler (in den Arnold Schäfer zum 25jährigen Jubiläum gewidmeten Histor. Untersuchungen S. 258) entgegengetreten wird mit Hinweis auf ein paar Stellen (Relativsätzen wie quod non contigit), in denen in Parenthese gleichsam die Regierungszeit Hunerichs als vergangen bezeichnet wird, so ist zu erwidern, dass diese sehr wohl, ebenso gut als das Schlusskapitel, erst später hinzugefügt sein können. – Was übrigens Auler über ›die Lebensumstände Victors‹ sagt, ist in allem wesentlichen eine blosse Reproduction des Inhalts der bei Migne gegebenen Prolegg., namentlich der Dissertation von Liron, was von ihm wohl hätte bemerkt werden sollen. Das Werk ist in den 456 Handschriften in Bücher eingetheilt, deren Zahl variirt; welche Eintheilung überhaupt aber nicht ursprünglich ist. Dies ist leicht zu ersehen, wenn man den Anfang der Bücher betrachtet; namentlich den des zweiten, mit welchem Buche in der That ja ein neuer Abschnitt beginnt. Die besten der älteren Drucke theilten das Werk in fünf Bücher, wodurch die Uebersicht des Stoffes allerdings erleichtert wird In den neuesten kritischen Ausgaben von Halm und Petschenig ist das dritte Buch mit dem zweiten, und das fünfte mit dem vierten verbunden, zugleich aber die Eintheilung der älteren Drucke angezeigt.: das erste Buch behandelt die Verfolgung unter Genserich, das zweite die unter Hunerich bis zu dem Religionsgespräch mit den Arianern (incl.); das dritte enthält nur eine wichtige und längere Urkunde, das Glaubensbekenntniss der katholischen Bischöfe, welches sie nach der gescheiterten Verhandlung vortrugen und 457 dem König einreichten, das vierte das königliche Edict, wodurch die römischen Strafgesetze wider die Ketzer gegen die Katholiken angewandt wurden, worauf hier noch die Verbannung der Bischöfe berichtet wird; das fünfte Buch endlich erzählt zunächst einzelne Martyrien, die im Laufe der allgemeinen Verfolgung, welche das Edict hervorrief, vorkamen und besondere Hervorhebung verdienten, dann schildert es in lebendigen Farben die grosse Hungersnoth, die in Folge von Regenmangel in Afrika danach eintrat, von dem Verfasser als ein Strafgericht Gottes über die arianischen Vandalen hingestellt, worauf nach einer heftigen Invective gegen diese Barbaren und arianischen Ketzer eine Aufforderung an alle Katholiken folgt, mit dem Verfasser zu klagen, der dann im Stil und selbst mit Worten des Psalmisten und des Jeremias ein Klagelied singt, um hierauf die Engel, Patriarchen, Propheten und Apostel um ihre Fürbitten bei Gott für die verfolgte katholische Kirche Afrikas anzuflehen. Ein Zusatz besagt dann noch, dass Hunerich sieben Jahre regierte und eines kläglichen Todes verstarb, indem die Würmer ihn bei lebendigem Leibe verzehrten. Der in einem verhältnissmässig einfachen, wenn auch häufig nicht correcten Stile geschriebenen Erzählung fehlt es keineswegs an Lebendigkeit und Fluss; sie ist gleich dem stofflich verwandten Buche des Lactanz unter dem frischen Eindruck der Ereignisse geschrieben, die den Gegenstand des grössten Theils des Werkes bilden und auf welche das Vorausgehende nur vorbereitet; der Verfasser erzählt im allgemeinen nur, was er von Augenzeugen erfahren oder selber erlebt hat, er schreibt in der Verbannung, er empfindet persönlich noch das Leiden und die Drangsale des Katholicismus und seiner Bekenner, die er schildern will, und diese Empfindung macht ihn beredt, seine Feder führt nicht der Ehrgeiz des Rhetoren, wenn auch dessen Künste ihm nicht fremd sind. Die schwülstige Vorrede aber ist, mag es sich mit ihr verhalten wie es will, bis auf den letzten Satz: Ego namque etc., das Werk eines andern, vielleicht ein Citat aus einem Briefe. Petschenig (Handschr. Ueberl. S. 727 ff.) hält sie ganz für ein untergeschobenes Machwerk. Aber auch bei dieser Annahme fehlt eine Erklärung ihrer unverständlichen Abfassung. Allerdings sind die Farben in seinem Gemälde oft dick aufgetragen; auch kann von einem unparteilichen, unbefangenen Streben nach objectiver Wahrheit nicht die Rede sein, zumal dem doppelten Feinde, dem arianischen 458 Barbaren, gegenüber; ebenso fehlt auch hier der Sinn für chronologische Sorgfalt, andererseits aber zeigt die wörtliche Mittheilung der wichtigsten Actenstücke, die dem Buche einen besondern Werth für uns verleiht, wieder, dass der Verfasser des Berufs des Historikers sich nicht übera ll unbewusst war. Er will kein blosses Pamphlet für die Mitwelt schreiben, wie der Autor von De mortibus persecutorum , sondern ein Werk für die Nachwelt.

Dieser Geschichte der afrikanischen Verfolgung ist in allen Handschriften angehängt, in einer sogar einverleibt eine Passio von sieben Mönchen eines und desselben Klosters, deren schon in jener Geschichte (V, c. 10) in aller Kürze gedacht ist. Die ›Passio‹ ist in gleichem Stil und ähnlicher Sprache geschrieben als die ›Historia‹, und es könnte danach nicht unwahrscheinlich sein, dass Victor ihr Verfasser wäre Petschenig, ›Ueber die Echtheit der Passio‹ a. a. O. S. 717 ff., erklärt sich entschieden dagegen., als welcher er auch in einigen der jüngeren Handschriften ausdrücklich bezeichnet wird: jedenfalls ist die ›Passio‹ eine selbständige Arbeit, wie schon ihre Einleitung zeigt, und offenbar später als die ›Historia‹ verfasst, die auch nicht auf sie verweist – denn die Verweisung, die sich in einzelnen Handschriften findet, ist offenbar eine Interpolation. Dass diese fratres gerade sieben waren, – fratres non natura, sed gratia sagt Victor in der ›Historia‹ – erinnert an das älteste Martyrium, das man als solches in der christlichen Kirche gefeiert, das der sieben Maccabäer S. oben S. 125., mit welchen auch der Verfasser der ›Passio‹ seine Helden vergleicht, und diese Beziehung gab diesem Martyrthum, das schon durch die Anzahl der vereint Hingerichteten Aufsehen machen musste Sie wurden erschlagen: die Vandalen aber, so grausam sie straften, schritten doch in Verhältniss selten zu einer Hinrichtung der Katholiken, die sie schon deshalb vermieden, um ihren Gegnern nicht die Gelegenheit zu geben, die Zahl ihrer ›Blutzeugen‹ zu vermehren. – Ein Wunder musste sich natürlich auch bei dem Tode der Sieben begeben haben; wie genügsam man aber in der Beziehung schon war, mag die Erzählung desselben zeigen: Sed cum in mari venerabilia corpora iactarentur, illico quod contra naturam est aequoris, eadem hora illaesa corpora pelagus littori reddere maturavit, nec ausum fuit, ut moris est, triduana dilatione in profundo retinere, ne praecepto Dominico minime paruisset., noch eine besondere Weihe. 459

 


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