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XXVI.

Indem ich dir von diesen schweren Zeiten berichtete, liebe Gundel, wurden die Schrecken wieder lebendig und ich fühlte noch einmal alle Schmerzen. Damals war ich in Leid noch unerfahren, so daß es mir von ewiger Dauer schien; aber wie das Feld neue Halme treibt, wenn ein Hagelwetter die Saat vernichtet hat, so überwindet auch ein frommes und gesundes Herz den Kummer und wird wieder fröhlich. Doch was man erlebte, kann nimmer ausgelöscht werden, und an den Spuren magst du erkennen, welcher Art der Ton ist, in den das Schicksal mit seinem harten Griffel geschrieben hat.

Bleibt einer hinterm Ofen hocken, weil er auf die Finger geklopft wurde, so magst du wissen, daß der ein Pinsel ist. Wem die Seele voll Bitterkeit überflutet, und wer auf der Menschen Tun nur mit Verachtung schaut, dessen Gemüt ist nimmer gesund gewesen. Aber wer mit gefalteten Händen Gott dankt, daß er ihn weise geführt hat, und wer seine Arme in helfender Liebe ausbreitet, der ist, trotz Irrtum und Kummer, auf seinem Lebensweg als ein rechtschaffener Christ gewandelt.

Den bösen Zeiten ist manch gutes Jahr gefolgt, Gundel. Kann wohl sein, daß mir's zu lange gut gegangen ist, denn das Herz ist schwach; nur zu leicht nennt es Glück Verdienst und Gottes Gnade gerechten Lohn.

Die Mühe kann ich mir wohl sparen, dir unser schönes Haus am Perlach zu beschreiben, dieweil wir's heute noch bewohnen. Als mich Lorenz in das neugeschmückte Haus führte, lief ein Büblein mit blauen Augen und blonden Locken neben mir her – unser lieber Heinz. Und ein gar liebliches Töchterlein trug die Amme hinterdrein.

Unsre Isabella wurde geboren, als wir auf Kindersegen schon verzichtet hatten. Sie war ein sonderlich schönes Mägdelein, so daß die Leute stehen blieben und ihm verwundert nachschauten. Ich hab' mit bittrer Reue nachmals empfunden, daß ich auf dieses Kind zu stolz gewesen bin. Wir nannten Isabella »das Prinzeßle«, weil sie ein gar apartes Wesen besaß. Ach, wir machten sie so recht zum Abgott unsres Herzens.

Sie war mehr ein stilles Kind, gar sanft und zärtlich; doch gab es Anzeichen, die mich Isabellas Zukunft wegen sorgten. War ihr etwas zuwider, so schrie und tobte sie nicht wie andre Kinder, denn dazu dünkte sie sich zu gut; aber sie verfärbte sich, und ihre Händlein wurden ganz kalt. Einige Male, wo sie etwas traf, das ihr ein großes Herzeleid bereitete, überwand aber die Leidenschaft ihre Scheu, und das stille Kind gebärdete sich, daß ich vor ihm erschrak. Da habe ich gebetet, Gott möge ihre Jugend vor großem Schmerz bewahren; denn ich wußte, daß er sie töten würde.

Mit unserm Heinz aber haben wir, ehe er es zu einem hochgelehrten Medicus und fürstlichen Leibarzt in der schönen Stadt Heidelberg gebracht hat, unser redliches Teil Not gehabt. Es gibt eben Menschen, die sich lieber eine Bahn durchs Dickicht brechen, anstatt auf geebneten Wegen zu gehn. Nur deine Mutter, Gundel, hat mir niemals Kummer verursacht.

Wir schickten unsern Heinz auf das Gymnasium zu St. Anna, an dem der berühmte Hieronymus Wolf damals Rektor gewesen ist. Nun lernte Heinz zwar nicht schwer; aber er hatte immer mehr dumme Streiche als lateinische Regeln im Kopfe. Es ist nicht zu zählen, wie oft er Unheil angerichtet hat, und wie vieler Not und Gefahr er noch glücklich entgangen ist. Denke ich jetzt mit ruhigem Blute seiner Schulbubenstreiche, möchte ich aber wohl eher darüber lachen, ja mich seiner Keckheit freuen, als lamentieren. Habe mir mit unnützer Sorge darum manch gute und frohe Stunde verdorben und nicht mir allein.

Nun will ich dir von einem Ereignis berichten, das zwar keine weltgeschichtliche Bedeutung erlangt hat, aber in unserm Hause eine gar wichtige Rolle spielte, so daß sowohl vor- als nachher viel davon geredet worden ist. Auch du hast ja schon oft von der großen Reise nach der Schweiz gehört, die wir anno 65 unternommen haben.

Die erste Veranlassung dazu war eine unfreundliche Mahnung der Gicht in des Lorenz großer Zehe. Dr. Schludin meinte, einen solchen Feind müsse man gleich mit Ernst zurückweisen, und dazu sei Baden bei Zürich das beste Medicum.

Schau, da ging's über des Lorenz Gesicht wie ein Freudenschein, und die Heimatliebe, die er vergessen wähnte, war mit einem Schlage erweckt worden. Ich meinte anfänglich, daß ich mich nur um meines Eheliebsten willen mitfreue; hernach aber merkte ich, daß ich selber große Reiselust verspürte. Es muß mir wohl von des Vaters Reisedrang etwas angehangen haben; dabei ist mir auch eingefallen, daß, sobald die Knospen trieben und die Saaten schossen, kam's alle Jahre wie eine große Sehnsucht in mein Herz, die mich aus den Stadtmauern hinaus ins Freie getrieben hat.

Freilich stellten sich auch allerhand Bedenken ein; denn wird man älter, schaut man nicht nur vorwärts, sondern prüft mit sorgendem Auge, was man im Hause zurücklassen muß. Meine liebe Mutter hätte ich nimmer einer so beschwerlichen Reise aussetzen mögen; aber ich wollte sie auch ungern fremden Händen übergeben. Da kam mir meine liebe Susanne zu Hilfe; sie hatte, ohne daß ich sie ihr klagte, meine Sorge erraten. »Möchtest du mir die Großmutti nicht anvertrauen?« – Und dabei brachte sie hundert Gründe auf, so daß es fast den Anschein bekam, sie trage weit mehr Verlangen, daheim zu bleiben, als die Fremde zu schauen. Das war aber so ihre Art; denn Helfen war ja gerade ihr Vergnügen, und wenn sie ein Opfer brachte, wußte sie es zu wenden, daß man meinte, sie habe das zu tun sich längst gewünscht. Ich lebte wie eine Königin, so lange Susanne in meinem Hause waltete; hätte es nicht besser verlangen können. Du wirst mir's nicht verdenken, wenn ich sie rühme, obwohl ich ihre Mutter bin. Du weißt es ja selbst am besten, daß, wer sie um Rat fragt, gut beschieden ist und daß niemand, der ihrer Hilfe begehrt, umsonst bittet; sie denkt nur an der andern Wohl und vergißt darüber sich selber. Darum hat auch mein lieber Tochtermann gesagt, sie spiele zwar nicht die Laute und schwatze nicht also gelehrt wie viele Frauen, die sich wunder viel auf ihre Klugheit einbilden; aber sie habe ein Talent, um das sie manch ein Frauenzimmer beneiden könne – sie mache alle Menschen, die mit ihr lebten, glücklich.

Über das Geschäft konnte Lorenz beruhigt reisen; denn er hatte Georg Heller, der sich so treu und klug bewährte, als Gesellschafter ausgenommen. Jetzt unternahm an seiner und Georgs Statt dessen ältester Sohn Gottlob die Reisen nach dem Osten, wohin er auch damals gerade unterwegs gewesen ist.

Nichts für ungut, Jungfer Gundel, daß ich gelegentlich Dinge sage, die dir längst vertraut sind.

Wirst es deinem Vater jetzt kaum mehr ansehn, was für ein schöner Jüngling er damals gewesen ist. Er war schlank von Gestalt, trug lange Locken und war im Ballhaus der beste Tänzer. Die Frauenzimmer haben ihn damals auch arg verwöhnt.

Die Verhältnisse brachten es nun mit sich, daß er in unserm Hause viel verkehrte. Ich hatte auch so meine Gedanken darüber – nicht nur erfreuliche. Es kam mir manchmal vor, als sei Gottlob unserer Susanne nicht gleichgültig; doch mochte ich nicht daran rühren; denn unsre Tochter stand ihm in äußerer Schönheit nach und war auch ein Jahr älter als er.

An dem Eifer, mit dem Lorenz alles für unsern Plan vorbereitete, konnte ich merken, daß seine Reiselust nicht erkaltet war. Bei dem ersten Wagenschmied in Augsburg ließ er einen großen Reisewagen bauen. Innen war er gar sauber mit Tuch ausgeschlagen und die Sitze gepolstert. Darunter befanden sich die Kasten für unsre Kleider, sowohl für die kostbaren, als die einfachen. Doch ist's überflüssig, dir den Wagen zu beschreiben, den du noch heute auf unserm Speicher, hinten im zweiten Hofe, anschauen kannst.

Lorenz ließ sich auch einen Zollbrief ausstellen, der zwar ein schweres Stück Geld kostete, aber uns vor vielen Scherereien bewahrt hat, wie man sie vor jeder Stadt, ja ich möchte sagen, beinahe vor jedem Dorf und jeder Brücke gewärtig sein mußte.

Wir nahmen noch einen Kammerknecht mit und die Tilge, deren du dich vielleicht noch erinnern wirst. Die Seitentaschen des Wagens wurden reichlich gefüllt mit Gebratenem, Gebackenem und gutem Weine, auch an einer Reiseapotheke fehlte es nicht, noch an großen Rehledern, um sie auf unsauberem Bettlager auszubreiten. Unter einer dichten Plane von Segeltuch saßen wir, geschützt gegen Sonne und Regen und vermochten, selbst wenn ein Unwetter uns überfiel, die Plane seitlich zu schließen. Die Pferde waren von ausdauernder Rasse und der Kutscher, Joseph Lange, schon im Hause bewährt.

Als aber die Trennungsstunde kam, ist sie uns doch recht schwer geworden. Nachdem ich von der Mutter Abschied genommen hatte, bin ich noch einmal zu ihr zurückgelaufen. Darüber aber gab's bei allen Leuten, die im Hausflur versammelt waren, ein großes Geschrei, weil sie das Umkehren für ein schlimmes Omen hielten; darum zwangen sie mich noch einmal auf einen Schemel mich zu setzen, was den bösen Einfluß wieder aufheben sollte. Es ist uns, mit Gottes Hilfe, auch nichts Übles begegnet.

Es war noch Morgengrauen, als wir durch die Gassen nach dem Tore fuhren; doch sobald wir an einem Hause vorüberkamen, darin Freunde oder Bekannte wohnten, wurde uns aus den Fenstern Lebewohl zugerufen; viele kamen sogar bis an den Wagen, mit guten Wünschen und leckrer Reisezehrung. Dabei ist mir fast weich ums Herz geworden. Was wir verließen, wußten wir; aber was für Gefahren wir entgegengingen – das konnten wir nicht wissen.

Sobald die Stadt hinter uns lag, erhob sich die Sonne mit großer Pracht und Glanz. Zwischen den auf den Feldern reifenden Saaten, bei munterm Lerchenschlag, rollte unser Wagen dahin. Die Kinder – Heinz und Isabella – jubelten laut. Auch uns wurde wieder gar frei und fröhlich zumute und das Reisen dünkte uns das größte Vergnügen.

Als aber ein blauer Saum am Himmel, die hohen Alpen, meinem Lorenz den ersten Heimatsgruß zusendete, drückte er meine Hand und Tränen standen in seinen Augen. Man sagt, es sei der Schweizer Art, daß sie trotz der furchtbaren, kaum übersteiglichen Berge, die ihr Land so unwirtlich und rauh machen, mit großer Liebe an ihrer Heimat hängen. Ich hätt' so was nimmer geglaubt; aber an des Lorenz Seite habe ich's erfahren und ich begriff, daß, was in der Kindheit angesponnen ist, die Seele nimmer verlassen kann.

Darüber dachte ich nach und fragte mich: »Hast du auch in deiner Kinder Herz die Liebe zu Gott und zu einem tugendhaften Wandel so tief eingepflanzt, daß sie für das Leben darin wurzelt, wie meines Lorenz Heimatliebe? Aber schau, wie die beiden so hold und rein vor mir saßen, vergaß ich schnell alles Fragen und freute mich des gegenwärtigen Glückes. Würde man sich seiner wohl jemals sorglos freuen, wenn uns die Zukunft offenbar wäre?

Eine Reise ist nicht eitel Vergnügen, das mußten wir auch erfahren. Die Straßen waren staubig und voll tiefer Löcher; oft sind wir ein Stück Weges lieber tapfer ausgeschritten, aus Sorge, der Wagen möchte stecken bleiben oder gar in einen Graben stürzen. Es ist auch vorgekommen, daß der Kutscher den Weg verfehlte oder falschem Bescheide gefolgt ist, so daß wir bis in die Nacht hinein herumirrten, ehe wir sichre Herberge fanden.

Die Herbergen waren auch, je nach den Wirtsleuten, die darin hausten, gar verschieden. Manchmal aber haben wir's gut getroffen. Wir fanden eine sauber gedeckte Tafel mit blankem Zinngeschirr; mitten darauf stand ein Korb, darein man die gebrauchten Teller warf. Das Essen war gut und der Wein trinkbar. War aber die Gaststube überfüllt, so richtete man uns das Mahl unter den Bäumen vor dem Hause an.

Unter den Gästen fanden sich ab und zu auch gebildete und weitgereiste Leute, die wohl zu unterhalten wußten und von denen man mancherlei zu hören bekam, davon man in Augsburg nichts erfuhr. Manches, was da berichtet wurde, hörte sich freilich wie ein Märlein an und dünkte mir nicht gerade glaubwürdig. Dabei kam es vor, daß mein Lorenz die Berichtigung gab, nicht zur Freude des Aufschneiders, doch von den andern gepriesen. Ja, er durfte seine Meinung hören lassen, und allerwege konnte ich merken, daß ein Großkaufmann, der sich der Mühe großer Reisen selbst unterzogen hat, allgemein in hoher Achtung stand.

Manch ein Abend aber kam, da wir müde, wie zerschlagen, mit Staub bedeckt und die Kehle trocken, vergeblich nach einer Herberge ausschauten. Leuchtete endlich aus den Fenstern eines stattlichen Hauses der helle Schein von brennenden Kerzen, die ein Leuchterweibchen über einer gedeckten Tafel hielt, war die Freude allemal groß.

Trafen wir aber auf eine unsaubere Wirtschaft, begann die Not; denn Isabella war ein eigensinniges Kind, das weder unser Schelten, noch Heinzes Spott vermochte, von schlecht zubereiteten Speisen, und hätte sie der Hunger noch so sehr gequält, etwas zu nehmen. Ging's aber erst zur Nachtruhe, dann stellte sich das Kind gar kläglich an. Wunderliche Dinge bekommt man freilich in der Fremde zu schauen. Oftmals trafen wir breite Bettstätten, die mit einer Leiter erstiegen werden mußten und darauf viele Frauenzimmer ihrer Nachtruhe pflegten. Da kostete es tausend Tränen, und Isabella drängte sich bebend an mich, derweil die Tilge auf ihrer andern Seite zu ihrem Schutze liegen mußte.

Lorenz meinte, wir hätten das »Prinzeßle« zu sehr verzogen. Ich aber glaube, daß es so ihre Art war; vor allem Unreinen und Häßlichen schauderte sie zurück; und wie mit den leblosen Dingen, war es auch mit den Menschen. Da mußte ich oftmals meines Vaters gedenken, dem gleich diesem Kinde, schmutzige und zerrissene Leute abschreckend erschienen sind.

Der Heinz dahingegen machte sich nichts daraus, mit barfüßigen Buben Ring zu schlagen und Steine zu stoßen. Ja, selbst vor den grausamen Bergen kannte er keine Furcht. Es ist mir oft angst und bange für sein Leben bei solchem Wagemut geworden. Einmal sah ich, wie er mit geschickter Hand einen Buben, der sich beim Kraxeln ein Loch in den Kopf geschlagen hatte, verband. Hätte ich besser auf seine Art geachtet, kann sein, mir wäre mancher Kummer und dem Heinz mancher Kampf erspart worden. Aber Gott führt uns die Wege in unsrer Blindheit nach seiner Weisheit, nicht nach der unsern.

In Baden lernte ich in wenig Wochen mehr Menschen kennen, als in Augsburg in einem Jahre. Es ist erstaunlich, wieviel Leute aus aller Herren Länder an so einem Badeorte zusammenkommen. Doch schienen alle mehr zu Lust und Kurzweil versammelt, und ihre Leiden trugen nur die armen Leute zur Schau, damit man sich ihrer erbarme. Rings auf den Mauern, die die Bäder umgaben, darin das Volk gemeinschaftlich badete, standen auch Schüsseln, darein man Geld und Lebensmittel für die Armen legte.

Die Reichen badeten, je nach ihrem Pläsier, allein oder auch in Gemeinschaft. Selbst Nonnen und Mönche sah man, mit Kränzen geschmückt, beim Baden. Im Frauenbade wurde täglich eine Wirtin erwählt, und wie ich vernommen, wäre mir die Ehre mehr als einmal zugedacht gewesen, hätte ich nicht ein Einzelbad benützt.

Schon beim gemeinsamen Frühmahle, dem ein Gebet voranging, begann die Lustigkeit. Man bedankte sich bei dem Wirt mit einem kurzweiligen Liede, worauf eine Obrigkeit gewählt wurde, die für Unterhaltung sorgte und derben Unfug bestrafen sollte; doch wurde übertriebenes Trinken mit fast zu großer Nachsicht behandelt. Man schmückte sich mit herrlichen Gewändern, wobei einer den andern noch zu überbieten suchte, ein Wettstreit, darein wir uns nicht eingelassen haben. Die Männer waren auch von ausgesuchter Galanterie gegen die Frauenzimmer. Doch schienen die Ehemänner ihre Eifersucht zu Hause gelassen zu haben; keine Zwietracht störte das Vergnügen, noch herrschte üble Nachrede; ein jeder trachtete nur darnach, sich arglos zu unterhalten. Billig haben wir im Fürstenbade freilich das Losament nicht gehabt, doch in guter Kompagnie und die Mahlzeiten vortrefflich.

Durch Vermittlung eines Handlungshauses in Zürich erhielten wir auch Briefe aus der Heimat, so daß wir ohne Sorge die fröhliche Zeit genießen konnten.

So kehrten wir nach einer gesegneten Kur wohlgemut und reich mit Reisegeschenken beladen in unser altes Haus zurück.

Auf dem Perlach aber hatte die Zeit nicht stillgestanden, und was ich mit zagendem Herzen kommen sah, trat jetzt, aber doch noch unerwartet, an uns heran. Kaum, daß wir die Reisekleider abgelegt hatten, kam Georg Heller, für seinen Sohn um unsrer Susanne Hand zu werben. Als wir in ihre Augen geschaut, blieb uns kein Zweifel, wie es um ihr Herz stand, und wir haben mit unsrer Einwilligung nicht gezögert.

Schau, Gundel, hab' mir's nicht erwartet, aber nun muß ich dir richtig wieder ein Bekenntnis machen. Bei dem Verlöbnis und auch nach der Hochzeit hat sich's gezeigt, daß ich nicht um Haaresbreite besser und klüger war, als andre Mütter. Bis er meiner Susanne Bräutigam wurde, hatte ich an Gottlob Heller nimmer was auszusetzen. Aber alsobald mein Mutterrecht seinem Eherechte weichen mußte, wollte mir bald das, bald jenes an meinem Tochtermanne nicht gefallen. O Gundel, mit Scham fand ich, daß die Schuld allein an mir gelegen hat und daß meine eifersüchtige Liebe die Ursache von allem Mißtrauen gewesen ist. Sobald ich aber den Fehler erkannte, habe ich redlich getrachtet, ihn zu vermeiden; hoffe, daß es mir gelungen ist.

Als du deinen Eltern geboren wurdest, Gundel, haben sie dich mit tausend Freuden begrüßt, weil ihre Ehe lange Jahre kinderlos geblieben war.

Meine liebe Mutter hat trotz der Gebrechen ihres Alters noch manche frohe Stunde mit uns verlebt, und Gott hat es gefügt, daß sie der schweren Sorgen und großen Trübsal, die uns nach diesen glücklichen Zeiten getroffen haben, durch einen sanften Tod entgangen ist.


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