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XVI.

Mit einem Schlage war mein Leben ein anderes geworden. Gleich konnte ich mich aber nicht zurechtfinden. Doch sollst du selbst einen Blick in das Haus auf der Heiligen Kreutzergasse werfen, wo wir wohnten.

Es besaß nur drei Fenster, ging dafür aber tief in einen Hof hinein, der so schmal war, daß man vom Himmel nur ein Streifchen sah. Das Prunkzimmer lag nach der Straße, die andern Stuben gingen nach dem Hof hinaus, oder waren im zweiten Stock, wie auch die Niederlagen. Zu ebener Erde lagen das Kontor und ein Hinterstübchen, darin Lorenz seine Geschäftsfreunde empfing. Die Treppen waren dunkel, die Gänge winklig und die Stuben düster. Es ist mir, als hätte ich in dem alten Haus nie recht tief zu atmen vermocht.

Am ersten Morgen sagte ich zur Schwieger, wie es die Mutter mir geheißen: »Ich bitte, Frau Mutter, daß Ihr mir zeigt, wie es der Lorenz gewöhnt ist, damit ich alles nach seinem Wunsche richte.«

Da nestelte die Schwieger einen großen Schlüsselbund los, der ihr am Gürtel hing, und legte ihn in meine Hände. »Trage ihn mit Ehren, Bärbeli, wie auch ich ihn mit Ehren getragen habe. Wenn du aber eines guten Rates bedarfst, sollst du ihn allezeit bei mir finden.« – Darauf trocknete sie sich mit dem Fazilletlein die Augen und führte mich durch das Haus, um mir zu zeigen, wohin die Schlüssel gehörten.

In der Einrichtung war durch Lorenz' Verheiratung nichts geändert worden. Als Herr Gottfried Altherr nach Augsburg zog, meinte er seiner Frau die Trennung von der Heimat zu erleichtern, wenn er den ganzen Hausrat mitnahm. Da war im Prunkzimmer sogar das gemalte Fenster, welches der Züricher Rat nach dem Herkommen Herrn Altherr schenkte, als er sich ein Haus am Frauenmünster gebaut hatte. Da war auch an den Wänden das Schnitzwerk von dunklem Nußbaum, wodurch die Stube noch düstrer aussah. Was mir aber gar nicht gefiel, das war der unebene Fußboden im Prunkzimmer; er bestand aus einfärbig gebrannten Fliesen mit einer erhöhten Blume in der Mitte. In Zürich soll die Art gebräuchlich sein.

Auf dem Tische unter einer gestickten Decke lag eine Bibel in Samt gebunden, mit vergoldeten Schlössern, Platten und Figuren. Du hast sie nicht mehr gesehn, Gundel, weil sie bei dem großen Brande zerstört worden ist. Die Stühle waren mit blauem Samt beschlagen und mit silbernen Fransen geziert; aber Lehnen hatten sie nicht, denn solche halten die Schweizer für eine Verweichlichung.

Die Schwieger war auf das Prunkzimmer sehr stolz, gab aber nimmer zu, daß es benutzt wurde, und doch kostete es jeden Tag eine Stunde Zeit, um es zu putzen.

Das Wohnzimmer war fast bäurisch eingerichtet; wie denn die Schweizer nach mancher Seite auch etwas Bäurisches haben. Um den grünen Kachelofen lief eine Bank. Tische, Bänke und Diele waren alle von rohem Holze, bis auf die mit Tuch beschlagene Bank, auf der allein die Herrschaft saß. An den mit Holz bekleideten Wänden, eingefaßt von buntgemalten Blumenkränzen, standen Sinnsprüche. Die Schwieger, welche von Jugend auf gewöhnt war, solche Sprüche zu lesen, wendete sie aus dieser Ursache auch häufig im Reden an. Zinnerne Krüge und Trinkgefäße, alle blank wie nagelneu, hingen gleichfalls an den Wänden. Es kostete dem Gritli viele Mühe, sie so blank zu erhalten.

Von dem Gritli lohnt sich's wohl zu reden. Es war in unserm Haushalt die Hauptperson. Ich fürchtete mich vor der Schwieger; die Schwieger fürchtete sich vor dem Gritli, das Gritli fürchtete sich aber vor niemand; und war doch nur eine alte Magd, die schon im Hause diente, als der Lorenz geboren wurde.

Punkt zehn Uhr kam Lorenz aus dem Geschäft zum Mittagbrot herauf; hinter ihm schritten feierlich der Buchhalter, der Schreiber und der Lehrjunge; den Schluß machte der Hausknecht Andreas. Zugleich erschien das Gritli mit der dampfenden Schüssel.

Die Schwieger, der Lorenz, der Buchhalter und ich, wir aßen von zinnernen Tellern, mit Löffeln von Horn und tranken aus zinnernen Bechern unser Dünnbier. Aber die andern mußten von hölzernen Tellern mit hölzernen Löffeln essen und aus hölzernen Bechern trinken. Doch hielt das Gritli alles so sauber, daß sie sich's wohl schmecken lassen konnten.

Beim ersten Mittagsmahl schob mir die Schwieger den Anrichtelöffel zu: »Austeilen gebührt der Hausfrau.« – Worauf Lorenz seine Mutter ganz erstaunt anguckte: »Nun, Frau Mutter, ich dächte doch, daß das Austeilen deshalb Euch zukäme.«

Die Worte fuhren mir in die Krone; aber ich war nicht klug genug, mein Recht zu verteidigen. »Fahrt nur in Eurem Amte fort, wie Ihr's gewohnt seid, Frau Mutter.« – Und ich gab ihr den Löffel zurück.

Die Schwieger schien das erwartet zu haben. »So ist's, wie sich's gehört«, sagte auch das Gritli, welches gemeinschaftlich mit uns speiste. Alle drei schienen nun zufrieden, daß ich mich nicht auf den Thron gesetzt, sondern, daß die Schwieger im Regiment belassen wurde. Ich aber war nicht zufrieden und merkte, daß ich meine erste Niederlage erlitten hatte.

Bei den Mahlzeiten ging es ganz still zu. Lorenz sprach mit seiner Mutter Schweizer-Deutsch, was wir andern nicht gut verstanden, und das ich aus dieser Ursache haßte. Die Leute aus dem Geschäft wagten natürlich nicht, sich in das Gespräch zu mengen, außer dem Gritli, welches, je nachdem's ihm beliebte, jedem über den Mund fuhr und zu allem seine einfältige Meinung gab, als ob die Welt sonst nicht bestehen könne.

Ich hatte geglaubt, daß man im Hause meiner Eltern sehr einfach lebte; aber die Schweizer lieben ein schlichtes Wesen; deshalb ging es in Lorenz' Hause noch einfacher zu. Die Kost war derb; gut für Handwerksleute, die sich tüchtig ausarbeiten; mir sagte sie nicht zu. Da faßte ich mir einmal ein Herz: »Wenn die Frau Mutter nichts dawider hat, so will ich zeigen, daß ich auch zu kochen verstehe.«

»Du bist die Hausfrau und kannst schalten und walten wie dir's beliebt.« – Die Schwieger wurde, da sie redete, immer steifer. »Aber vergiß dabei nicht, daß Freundschaft und guter Wille keine Rechte sind. Was ich sagen will, ist, du darfst nicht verlangen, der Lorenz solle von heut an Augsburger Küche der Schweizer Hausmannskost vorziehen.«

Ich merkte, daß es der Schwieger Unbehagen machte; aber trotzdem ging ich in die Küche. Dort bekam ich's aber mit dem Gritli zu tun. Das Gritli meinte, an einer Hausfrau habe es genug, die zweite dürfe es gar nicht aufkommen lassen. Da wollte sich kein Gefäß finden, wie ich's brauchte. Auf dem Herde machte es ein Feuer, daß die Lohe zum Schornstein hinausfuhr. Es klapperte mit den Trippschuhen auf dem steinernen Fußboden grimmig einher, brummte, schalt, und warf um, was ihm im Wege schien, weil es hoffte, mich auf die Art zu vertreiben. Aber ich hielt tapfer aus und bereitete meine Spätzle so gut es eben ging.

Als am Mittag das Gritli auftrug, setzte es die Schüssel mit einem Krach auf den Tisch und schrie: »Das ist das erste neumod'sche Gericht und jetzt werden wir alle Tage ein andres haben.«

»Lasse dich's nicht verdrießen«, beruhigte es Lorenz. »Das Bärbeli will doch auch einmal seine Künste zeigen; und morgen bringst du uns wieder einen Schweizer Brei.«

Die Leute aus dem Geschäft aber machten lange Hälse und vergnügte Gesichter. »Spätzle, ei der tausend, Spätzle«, sagte einer zum andern.

Die Schwieger kostete nur. »Einem Augsburger mag's schmecken; aber einem Schweizer Magen steht's nicht an.« – Darauf legte sie den Löffel hin.

Trotzdem aß der Lorenz für drei, und die Leute aus dem Geschäft aßen für vier; kein Krümchen war mehr zu sehen. Das Gritli aber warf die Teller wütend in die leere Schüssel und brummte, als sie sie hinaustrug.

Mir war die Lust am Kochen vergangen.

Arbeit gab's trotzdem genug. Schon um fünf Uhr wurde es im Hause lebendig. Mit aufgeschürztem Rocke scheuerte das Gritli in der Wohnstube Tische, Bänke und Diele; die Schwieger aber humpelte mit einem Staubhader hinterdrein.

Ich war zur Hilfe bereit; doch trauten sie mir nichts zu; wenn ich ein Ding sauber geputzt hatte, beguckte sich's die Schwieger und wischte hier und wischte da. Dann beguckte sich's das Gritli und sagte: »Na, Frau, jetzt habt Ihr's schon sauber gebracht.«

Öffnete ich im Prunkzimmer ein Fenster, gleich schob das Gritli herein und schrie: »Frau, Frau, sie läßt Straßenstaub in die Stube.« – Und die Schwieger humpelte ängstlich herbei. »O, Bärbeli, du mußt den Hausrat schonen. Er stammt von meinen Eltern her, und so Gott will, soll Lorenz ihn auf seinen Sohn vererben.«

Die Schlüssel hingen längst wieder am Gürtel der Schwieger; in meinen Händen waren sie nur ein Spott, weil niemand von mir etwas verlangte. Ich war ja nicht die Herrin.

Nach dem Abendbrote, das um drei Uhr aufgetragen wurde, setzte sich das Gritli mit dem Rocken in die Stube und spann mit der Schwieger um die Wette, obwohl die Truhe bis oben voll Leinen lag. Doch hat das Feuer den Reichtum verzehrt, sonst hätte ich mein Lebtag keinen Bedarf gehabt.

Spinnen war in Augsburg bei den vornehmen Frauenzimmern nicht üblich; man hielt es für Mägdearbeit und das grobe Gespinst kaufte man von den Landfrauen. Weil aber die Schwieger meinte, eine Frau käme gar nicht in den Himmel, so sie nicht zu spinnen verstehe, mußte ich's lernen.

Wenn ich so den ganzen Tag mit den alten Frauen geschafft hatte, hoffte ich, daß nach dem Nachtmahl um sechs Uhr der Lorenz Zeit finden würde, mit seiner Frau zu schwatzen. Nun traf sich's aber, daß es dazumal viel Streit in den städtischen Angelegenheiten gab; der wurde in der Kaufmannsstube ausgefochten und dort brachte der Lorenz seine Abende zu. Blieb er einmal zu Hause, so fragte die Schwieger nach dem Geschäfte, und da sie trefflich Bescheid wußte, ich aber nichts verstand, saß ich dabei und schluckte Tränen.

»Mein liebes Dirndel«, sprach die Schwieger, »eine Frau muß teilnehmen an den Sorgen und Mühen ihres Eheherrn. Mit wem soll der Lorenz über Dinge reden, die ihm zumeist am Herzen liegen, wenn ich nicht mehr bin?«

Draußen wurde es Frühling; ich wußte es, denn ich bekam dieses wunderliche Sehnen und Verlangen, das um die Zeit die jungen Herzen ergreift. Aber ich sah nicht, daß die Bäume grün wurden und daß die Schneeglöckchen ihre Köpflein erhoben – ich hörte die lieben Vögel nicht singen. Die Schwieger war kein Freund vom Spazierengehen wegen eines lahmen Fußes; deshalb ging der Lorenz auch nicht spazieren. O, ich hätte wohl manchmal gern selbst mit dem Gritli getauscht; das durfte sich am Abend auf die steinerne Bank vor die Haustür setzen und schwatzte mit den Nachbarn. Ich aber blieb bei der Schwieger hinter verschlossenen Fenstern und spann Trübsal.

Um acht Uhr rief die Schwieger nach dem Gritli, damit es ihr den Abendtrunk bringe; den trank sie stehend, und dann mußte sie in die Schlafkammer geführt werden, obgleich sie tagsüber stets ohne Hilfe ging.

Ich konnte nicht einschlafen. »Ach, Vater! Ach, Mutter!« klagte ich in meinem Bett und weinte mich satt; denn ich hatte eine unbändige Sehnsucht nach meinen Eltern; aber vier Wochen durfte ich sie nicht sehen, damit ich in dem neuen Stande mich heimisch fühlen lerne. Das war auch Schweizer Sitte.

Die Schwieger war übrigens eine kluge Frau. Sie wußte die Rede immer so auf Lorenz zu bringen, daß sie etwas zu seinem Vorteil sagen konnte. Ich hörte auch noch lieber von Lorenz erzählen, den ich kannte, als von der Schweizer Sippe, die mir fremd war.

Einstmals brachte sie alle die Jungfern aufs Tapet, die, ihrer Rede nach, sich in den Lorenz verliebt hatten. Ich hätte nimmer geglaubt, daß es in Zürich so viele schöne, reiche und tugendhafte Jungfern geben könnte. Mir wurde vor all den guten Eigenschaften, die da zum Vorschein kamen, fast bange. »Möchte wissen, warum der Lorenz auf eine so einfältige Dirn' verfallen ist?« dachte ich zuerst; hernach aber fühlte ich mich geschmeichelt. »Er muß wohl an mir noch was gefunden haben, was ihm besser gefallen hat, als das Geld und die Tugend der schönen Schweizermädel.« – Und so recht im Geheimen machte ich mir eine große, doch gar stille Liebe zurecht, die dem Lorenz so tief im Herzen saß, daß sie nimmer zum Vorschein kommen konnte.

Als der Lorenz an diesem Abend nach Hause kam, es war ein überaus rauher Apriltag, nahm ich ihm selbst den nassen Mantel ab, hing ihn an den Ofen und brachte ihm die Pantoffel; machte mir auch allerhand sonst um ihn zu tun.

»Ei, das Bärbeli schaltet ja heut wie eine kleine Hausfrau.« – Er sprach freundlich und zog mich auf sein Knie. Ich lehnte mich an ihn und fragte leise: »Hast du mich lieb, Lorenz? Ich meine nur, so ein bißchen lieb?«

»Du bist ja mein gutes Bärbeli«, sprach er eben so freundlich und klopfte mir die Wange.

Das war kein Liebeswort. Es ging mir durchs Herz wie ein schmerzhafter Stich. Ich sprang gleich auf und sah ihn mit zornigen Augen an. »Ich bin nicht dein gutes Bärbeli und ich will's auch nicht sein!« – Und ich lief hinaus. Fast hätte ich das Gritli, das mit dem Abendtrunk ins Zimmer trat, über den Haufen gerannt.

Ich warf mir den Mantel um, zog den Kragen über den Kopf und rannte auf die Gasse. Ich hätte keinem raten mögen mich anzuhalten. Es ist etwas in mir – Gott hat mich gnädig bewahrt, daß es geweckt wurde – aber in dieser Stunde wäre es herausgekommen.

Ich lief wie gejagt durch die Gassen. Was schierte mich der Regen, der aus den Dachtraufen auf die Straße sprang und den mir der Wind ins Gesicht schleuderte. Sturm und Regen waren mir gerade recht, denn der Widerstand tat mir wohl; ich mußte dagegen kämpfen, aber ich vermochte ihn doch zu besiegen.

Ich kannte eine Stelle vor dem Erker in unserm Hause, von der aus man in unsere Stube zu sehen vermochte; man sah gerade den Platz, an dem die Eltern abends saßen; ich wußte auch, daß unsere Anne manchesmal den Laden zu schließen vergaß.

Dort trat ich hin und schaute mit brennenden Augen in das liebe, vertraute Gemach, wie Lucifer in den Himmel, aus dem er verstoßen war.

Die Lichter im Arme der Zauberfrau brannten. Der Vater las in einem Buche; aber er las nur wenige Zeilen, dann wendete er sich zur Mutter und sprach ein paar Worte; das geschah offenbar nur, um die arme Mutter zu trösten; denn ihr war die Arbeit aus den Händen gesunken und sie sah sehnsuchtsvoll mit traurigen Augen in das Dunkel hinaus.

»Mutter! Mutter«, schluchzte ich auf und rang die Hände und preßte die heiße Stirn an die Scheiben.

Da fuhr sie plötzlich auf, als habe sie etwas vernommen und schaute sich ängstlich um. Aber der Vater ergriff ihre Hand, zog sie neben sich nieder und schlang seinen Arm um sie.

Ich stürzte fort. Bei dem Wetter war niemand auf der Gasse, so daß ich unbelästigt unser Haus erreicht habe.

Das Gritli stand breit in der Hausflur, damit ich ihm nicht entgehen möchte; aber ich war viel zu unglücklich, um seinen Zorn zu fürchten.

»Trockne den Mantel!« befahl ich und warf ihn ihr über; da erschrak's zum ersten Male und ließ ihn fallen.

Lorenz eilte aus der Wohnstube herzu. »Komm nur herein, Bärbeli«, sprach er freundlich, »das Feuer brennt noch im Ofen. Die Frau Mutter hat Holz nachlegen lassen, damit du dich wärmen kannst; es ist ja ein abscheuliches Wetter.«

Ich konnte durch die offene Tür die Schwieger sehn; kerzengrade saß sie da, und mit ihren scharfen Augen guckte sie hinaus nach dem dunklen Flure.

»Ich will nicht hineingehen«, rief ich trotzig. »Ihr braucht mich nicht. Ihr seid euch allein genug, du und die Schwieger und das Gritli. Warum habt ihr mich erst aus meiner Eltern Haus hergelockt?« – Dann lief ich in die Schlafkammer, legte mich ins Bett und weinte mir die Seele aus.

Der Lorenz trug mir die Kränkung nicht nach; vielleicht fühlte er auch, daß an mir nicht recht gehandelt worden war. »Morgen gehen wir zu den Eltern«, tröstete er mich. »Nun, was meinst du, Bärbeli? Das ist doch wohl das Richtige?«

»Die vier Wochen sind noch nicht um«, rief ich schluchzend.

»Die Eltern werden uns die Tür nicht verschließen, wenn wir anpochen.«

Und richtig, am nächsten Tage, obgleich ich mich wie ein eigensinniges Kind sträubte, kam der Lorenz aus dem Geschäfte, warf sich in seinen Sonntagsstaat, und ich mußte an seinem Arm nach dem Rotentor wandern.

»Wir können nicht länger warten; die Sehnsucht ist gar zu groß«, rief er den Eltern zu.

Die blickten uns erst mit erstaunten Gesichtern an; dann aber waren sie voll Freude.

Ich wollte tapfer sein und keine Tränen aufsteigen lassen; doch da mich die Mutter im Arme hielt, brach ein herzhaftes Weinen los.


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