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In unserer Wohnstube hing ein Frauenbild von großer Schönheit; ein junges Mädchen war's, in Schweizer Tracht gekleidet, das in der Hand eine Rose hielt. Hans Holbein hatte das Bild gemalt.
Allemal wenn Lorenz in die Stube trat, warf er zuerst einen Blick auf das Bild, dann schaute er nach der Mutter und erst der dritte Gruß galt mir.
Anfangs glaubte ich, der Zufall habe mich getäuscht; aber ich überzeugte mich, daß davon nicht die Rede war. Darum gab's mir allemal einen Stich, wenn Lorenz nach dem Bilde schaute.
O Gundel, sollte man wohl glauben, daß ein vernünftiges Frauenzimmer auf ein Bild eifersüchtig sein könnte? Da magst du sehen, was deine Elternmutter einmal für eine törichte Dirne gewesen ist. Ich dichtete mir eine lange Liebesgeschichte, ehe ich nur den Mut fand, nach dem Bilde zu fragen.
»Das ist das Friedeli«, antwortete die Schwieger und machte dazu eine beleidigte Miene.
Nun wendete ich mich in meiner Angst an das Gritli. »Wenn die Frau nicht vom Friedeli redet, ist's besser, ich rede auch nicht.« – Damit ging's steif zur Tür hinaus.
Jetzt blieb noch der Lorenz übrig; denn nun wollte ich erst recht wissen, was es mit dem Friedeli für eine Bewandtnis habe.
Eines Morgens setzte ich mich auf den Bettrand zu Lorenz; das Herz schlug mir gewaltig; doch ich bezwang mich und sprach ruhig: »Du brauchst mir gar nicht erst zu antworten, ich weiß schon, wie ich mit dem Friedeli dran bin, obgleich mir's keiner sagen will. Es hat mir alle deine Liebe fortgenommen und mich bettelarm gemacht.«
»Schilt nicht auf das Friedeli; es ist ja alles lange vorüber«, bat der Lorenz, und um seine Lippen zuckte es, als litte er Schmerz.
Da fand ich nicht den Mut mehr zu fragen; aber ich wußte nun, daß eine andere Liebe in ihm lebendig war. Wie sollte ich sein Herz gewinnen? Die Künste, mit denen man einen Mann bezaubert, waren mir fremd.
Zu dieser Zeit hatte der Rat die Kirche zum heiligen Geist und den Spitalhof außerhalb des Rotentores weggebrochen und, nachdem er mit den Klosterfrauen von St. Margarethen sich abgefunden, das heißt jeder derselben ein jährliches Gnadengehalt oder eine Reisezehrung gegeben hatte, verlegte er das Spital in jenes Kloster.
So kam es, daß Schwester Regina den Ort verlassen mußte, in dem sie gehofft hatte einst begraben zu werden. Sie ging nach einem Kloster im Breisgau. Weil sich aber ihre Abreise verzögerte, wohnte sie zuvor noch ein paar Tage bei meinen Eltern.
Die Mutter ließ mich das alles durch einen Boten wissen, der mich gleich zum Rotentor geleiten sollte.
»Ich will dich nicht abhalten, Bärbeli«, sprach die Schwieger gemessen. »Aber es ist ein Ding, wie man es achtet; wenn eine junge Frau sich viel auf der Straße zeigt, bringt sie sich leicht ins Gerede.«
Weil mich aber sehr danach verlangte, Schwester Regina noch einmal zu sehen, achtete ich diesmal nicht ihrer guten Lehren.
Kaum saßen wir drei Frauen in unserem Erker, so fuhr Schwester Regina fort, als ob sie durch meinen Eintritt nur unterbrochen worden wäre: »Es war der Therese ihr Unglück, daß sie sich einbildete, weil sie ein hübsches Gesicht und munteres Wesen besäße, würde ihr Ehemann auch fortfahren, den Liebhaber zu spielen, und weil der sich nicht darauf verstand …«
Hier unterbrach ich die Nonne und sagte fast feierlich: »Schwester Regina, es ist eine große Sünde, wenn ein Mann seine Frau nicht liebt.«
»Ich habe nicht gesagt, Bärbel, daß er die Therese nicht liebte; nur daß er's nicht zu zeigen verstand. Das Geschäft ließ ihm auch wenig Zeit und von der Schwieger wurde sie geplagt. Die hübschen Frauenzimmer aber bilden sich ein, daß sie nur auf der Welt wären, damit sich das Mannsvolk in sie verliebe. Sie denken nur daran sich schön zu putzen, naschen allerhand Süßes gern, und meinen, ein Ehemann habe nichts anderes zu tun, als ihnen frohe Tage zu bereiten.«
»Da bist du auf dem Holzwege, Schwester Regina«, rief ich eifrig. »Aber im Kloster wißt ihr ja gar nicht, wie's in der Welt zugeht. Du mußt nicht glauben, daß jedes hübsche Frauenzimmer so albern ist, wie die Therese. Doch es ist eine Sünde – ja eine Sünde ist's, wenn ein Mann eine Jungfer freit und eine andre liebt; wenn er meint, daß er sein eheliches Weib mit einem freundlichen Wort abspeisen könne wie sein Pferd oder seinen Hund oder die Magd. Wozu hat mir Gott ein Herz gegeben, das nach Liebe verlangt, wenn mein Mann nur nach einem schönen Bilde schaut? Und glaubst du wirklich, eine Frau könne die Schwieger wie die eigene Mutter lieben? Soll ich ein lustiger Narr sein, um einer alten Frau die Zeit zu vertreiben, wenn die Magd widerhaarig und verdrossen ist? – Ich frage dich, Schwester Regina, ob ein Mann recht oder unrecht handelt, der um solcher Ursache willen eine Frau heiratet? Sag's gerade heraus – mit einem Wort – ja oder nein.«
»Ja, Bärbel, er handelt unrecht.«
Ich atmete tief auf; das Ja hatte ich nicht erwartet. Da sah ich wie die Mutter eine Träne verstohlen trocknete und fiel ihr um den Hals. »Weine nicht, Mutti. Ich mache dir keinen Vorwurf. Du hast gehofft, es solle mir zum Glück ausschlagen.«
»Und wenn dir's nicht zum Glück ausschlägt, Bärbel, an wem wird die Schuld liegen?«
»Doch nimmer an mir! Meinst du, ich wolle nicht tun, was mir zukommt, Schwester Regina? Aber du weißt ja nicht, wie es bei uns zugeht. Ich darf im Hause als eine Hausfrau gar nicht schalten; das Gritli schert sich nichts um meine Befehle; denn die Schwieger ist die Herrin. Ich aber bin von den Eltern nicht erzogen worden, um bei fremden Leuten als eine Magd Dienste zu tun.«
»Und wie gedenkst du dein Los zu tragen, Bärbel?« – Schwester Regina schaute mich prüfend an.
Ich verstand nicht, was sie damit meinte.
»Vielleicht ist's noch an der Zeit, dir mit einem guten Rate zu helfen. Denke einmal, Bärbel, du wärest pockennarbig, hättest ein schielendes Auge und einen Buckel. Müßte der gütige Gott dir deshalb ein Herz versagt haben? Ein Herz, das gar heiß nach Liebe verlangt? Aber was würdest du ernten als Spott, wenn du das zeigen wolltest. Spräche nun ein Mann, wie Lorenz Altherr, zu dir: »Komm in mein Haus, damit du meiner alten Mutter eine Stütze bist und meinen Kindern, sollte Gott mir welche schenken, eine treue Mutter wirst. Würde das häßliche Bärbel sich nicht freuen, daß es ein Winkelchen gefunden, da es unterkriechen kann? Würde es Gott nicht auf den Knien danken, daß es begnadigt werden solle Mutter zu sein? Ach, du schönes Bärbel, denke einmal daran, wie glücklich das häßliche Bärbel in das Haus von Lorenz Altherr getreten wäre; und wie's darin demütig und fleißig schalten und für ein gütiges Wort dem Gatten danken würde. – Mit solch einem häßlichen Bärbel ist aber der Segen ins Haus gezogen. Wie sollte der Gatte nichts davon spüren? Da dünkt ihm, es leuchte durch die unscheinbare Hülle seiner Hausfrau etwas von einer ewigen Schönheit, und er vermag nicht länger sie häßlich zu finden. So wächst sie ihm allmählich ins Herz hinein und er lernt das bucklige Bärbel lieben mit einer Liebe, die keine Zeit verlöscht, die nur der Tod scheidet.«
Die Mutter seufzte. Mir aber war nicht weich ums Herz. Konnte ich mich zu einem häßlichen Bärbel machen, um für die Brosamen von des Lorenz Liebe dankbar zu sein? Eben noch hatte mir Schwester Regina zugestanden, daß ich im Rechte war; warum wollte sie auf einmal mein Recht in Unrecht verkehren?
»Glaubst du, daß das häßliche Bärbel ihres Mannes Liebe gewonnen hätte, wenn er schon eine andre liebte?« fragte ich trotzig.
»Wie ich oftmals gehört habe, hat eine Frau große Macht über ihren Eheherrn, im Guten wie auch im Bösen.« – Darauf wandte sich Schwester Regina zur Mutter, als wolle sie etwas, das sie zu vergessen fürchtete, nur aussprechen: »Ja, was ich dir noch sagen wollte, liebe Dorothe, denke, daß ich vernommen, die Therese habe sich einen Liebhaber angeschafft.«
Jetzt aber fuhr ich zornig auf: »Meinst du, daß ich so ehrlos wie die Therese handeln könnte, Schwester Regina? Du vergißt wohl ganz, daß du mit solchem Verdachte meiner Mutter Ehre kränkst?«
Da trat der Vater in die Stube und wir schwiegen, denn er sollte nicht merken, wovon wir geredet hatten.
Diesmal aber fiel der Samen, den Schwester Regina ausstreute, bei mir auf trocknes Erdreich. – –
Die Reise von Lorenz verzögerte sich länger als wir erwarteten; endlich aber war alles zur Abreise bereit. Doch vorher sollte ein Bankett gegeben werden. Das fand die Schwieger notwendig und also fand's der Lorenz auch notwendig.
Hast du schon einmal geträumt, Gundel, daß du Gesellschaft erwartest, aber du kämst mit den Vorbereitungen nimmer zustande? Man hastet, man rennt und bringt doch nichts vorwärts; schon sind die Gäste da; aber die Stuben sind noch dunkel, und alles geht drunter und drüber. Na, ohngefähr so ging es auf unserm ersten Bankette zu.
Das Unheil fing damit an, daß die Schwieger alles allein besorgen wollte. Anstatt bei einem Apotheker die süßen Latwergen, Syrups, eingemachten Früchte und den Marzipan zu bestellen, meinte sie, daß sie das selbst am besten zu bereiten verstände.
Von früh bis abends standen wir nun in der Küche am offenen Herdfeuer und kochten ein und buken und brieten. Dazu war es im Monat Juli und es war ein so heißer und trockner Sommer, daß er in den Chroniken vermerkt worden ist; denn die ältesten Leute konnten sich keiner solchen Trockenheit erinnern.
Es war kein Wunder, daß am Tage vor dem Bankett die Schwieger sich nicht mehr auf den Füßen halten konnte und ins Bett gelegt werden mußte.
War das Gritli schon vorher übler Laune gewesen, so verlor es nun vollends allen Mut. Wir bekamen auch doppelte Arbeit; denn die Schwieger gab nicht nur genau an, wie alles zubereitet werden solle, sondern sie wollte auch kosten, und weil wir ihren Geschmack nicht trafen, so verlangte sie noch einmal und noch einmal zu kosten und zuletzt war's eben nur so so, weil die Schwieger es nicht selbst bereitet hatte.
Nun traf's sich auch, daß ein Ballen Wollenware schleunig nach Ulm gesendet werden mußte, weil sich eine Gelegenheit fand, ihn sicher zu transportieren. So hatte Lorenz den Kopf voll und Andreas fand kaum Zeit, uns die Tafel zu richten.
Nach Schweizer Art durften von dem reichen Silbergeschirr nur wenige Trinkgefäße auf die Tafel zum Gebrauch gestellt werden; das meiste wurde auf einem Kredenztisch aufgebaut. Obgleich es in den Spinden sauber geputzt lag, verlangte die Schwieger doch alles noch einmal geputzt. Das Gritli und ich, wir seufzten bei der Arbeit immer um die Wette.
Und dabei lag's mir wie Blei in den Gliedern, ich schnappte ordentlich nach Luft und atmete doch nur Glut. Ich dachte, ich müsse ersticken, und das Gritli sah aus wie ein Donnerwetter.
Ich erwartete nichts Gutes; aber, du lieber Himmel! es kam noch viel schlimmer, als ich's erwartet hatte.
Die Mutter bot ihre Hilfe an.
»Ach, Mutti«, sagte ich, »irgendwo fehlt noch irgendwas; aber ich kann's nicht mehr ausfinden.«
»Was sollte noch fehlen?« tröstete die Mutter und griff eifrig zu; aber sobald sie eine Schüssel aufstellte, fuhr das Gritli herzu und gab ihr einen andern Platz. Da bekam's selbst die Mutter satt.
Der Vater und Lorenz wollten mich für meine Mühe entschädigen und lobten den Aufputz der Tafel. Ich hatte sie auch schön mit Blumen geschmückt und selbst den Fußboden mit Tannenreisern bestreut. Zwischen dem Silber glänzten die venetianischen Gläser und die deutschen Humpen von weißem und grünem Glas mit daraufgemalten Bildern und Sinnsprüchen.
Die kalten Wild- und Kapaunenbraten, die Pasteten und gebackenen Fische lagen auf reichverzierten Schüsseln von Majolika. Dazwischen nun die in Honig eingekochten Früchte wie saure Amarellen, Nespelin, Johannisträubel, Morellen, Schlehen und mit Nelken gespickte grüne Nüsse. In der Mitte thronte das vergoldete Konfekt: Mandeln, Canel, Ingwer, Muskat, Coriander und Anis. Dazu Fladen, Honigkuchen, Hippen und schön verzierter Marzipan. Es fehlte auch nicht am besten Käse und an Obst, das gerade die rechte Reife hatte, noch an Weißbrot, Eierkuchen und Brezeln.
Zum Trinken waren Krüge aufgestellt mit Kirsch-, Schleh- und Johannisbeerwein; die Schwieger bereitete solchen Wein selbst und hielt ihn im Keller.
In der Prunkstube empfing ich die Gäste und stellte mich recht mutig, obwohl ich gar schüchtern war. Als sie aber in der Wohnstube an der Tafel saßen, war mir ein Stein vom Herzen. »Nun ist das Schwerste überwunden«, dachte ich.
Da aber fing das Unheil an.
»Bärbeli, wo hast du den Reynfall und Malvasier hingestellt?« fragte Lorenz. Ich wurde dunkelrot. Von dieser Art Wein war kein Tropfen im Hause; aber ich faßte mich und sagte, daß ich ihn hereinschicken würde.
Draußen gebot ich dem Hausknecht, er solle so schnell als ihn seine Füße trügen, zu Hans Hilpolt, dem Weinschenk, laufen und Wein herzuholen. Das Gritli fuhr mir zwar immer mit Gepolter dazwischen, denn es meinte, die Gäste sollten sich's an den selbstbereiteten Weinen genügen lassen; auch die Schelle der Schwieger ertönte; aber ich hatte nicht den Mut, ihr vor die Augen zu treten und schlüpfte ins Wohnzimmer, wo es anfing recht laut und lustig zuzugehen.
Unterdes war es dunkler und dunkler geworden; gerade als stiege ein Wetter auf, und wie der Andreas mit den übersponnenen Flaschen Malvasier in die Stube trat, brach's los mit Blitzen, Donnern, Schloßen und einer gewaltigen Regenflut. Zugleich wurde es so dunkel, daß man seinen Nachbar nicht zu erkennen vermochte.
»Andreas«, gebot Lorenz, »brenne die Kerzen an.«
Wie gelähmt vor Schreck saß ich da. Auf die Kerzen hatte ich vergessen; das war's, was mir immer vorgeschwebt und das mir nicht einfallen wollte. Ich stürzte hinaus.
Die Schelle der Schwieger ertönte mit Gewalt; aber kein Mensch hätte mich jetzt an ihr Bett gebracht. »Gritli«, schrie ich verzweifelt, »Gritli, haben wir Kerzen im Haus?«
Das Gritli stemmte die Arme in die Seite. »Die Frau hat's eben auch gesagt; ein Unglück ist's, wenn ein junges Frauenzimmer die Gedanken nicht zusammenhält. Die Frau hat an alles erinnert; aber woran die junge Frau denken sollte, das hat sie natürlich außer acht gelassen.«
Die Schelle der Schwieger ertönte jetzt, als ob sie mit aller Gewalt auf den Bettrand geschlagen würde; zugleich rief Lorenz aus der Stube: »Bärbeli, wo bleibt das Licht?« – Und draußen raste und toste der Gewittersturm.
Ich packte das Gritli bei der Hand und rüttelte es verzweifelt. »Ich will wissen, ob Licht im Hause ist? Schaffe Licht, Gritli, schaffe Licht!«
Ich hörte noch, wie das Gritli schrie: »Unschlittkerzen – selbstgezogne – gibt's.« – Dann war's als stünden wir alle auf einmal im Feuer und zugleich ein Gekrach und Geprassel, als ob uns das Haus über dem Kopf zusammenstürzte. Darauf wurde es wieder finster und der Regen schlug mit verdoppelter Gewalt gegen die Fenster.
Das Gritli aber war nicht vom Blitz getroffen worden, denn es ließ sich gleich wieder vernehmen: »Wenn wir im Dunkeln jetzt alle zu Grunde gehen, ist die junge Frau dran schuld.« – Ihre Stimme wurde nur von dem Gepolter in der Stube übertönt. Es schien, daß alle zu gleicher Zeit von ihren Sitzen aufsprangen und daß dabei Stühle und Bänke umgeworfen wurden. Nun drängten die Gäste über den Hausflur nach dem Prunkzimmer. Man wollte die Fenster nach der Straße öffnen, um zu erfahren, wo es eingeschlagen habe.
Von draußen vernahm man auch schon den Schreckensruf: »Feuer! Feuer!« Dann gab's wieder einen furchtbaren Krach; aber diesmal war's der Kredenztisch in der Prunkstube, an den Jakob Herbrot unsanft angerannt war; alles Geschirr purzelte durcheinander und auf den Boden.
Durch den Knäuel der angstvollen Gäste schritt aber feierlich mit zwei eisernen Küchenleuchtern und den brennenden Talglichten das Gritli. »Da ist die Beleuchtung für die Bescherung. Bin doch neugierig, was die Frau dazu sagen wird.«
Ich war nicht neugierig; mir war schon alles gleich. Es lag auf mir wie Alpdruck. Das Lärmen wurde zu einem Brausen; die Gäste huschten wie Gespenster um mich her; nur wenn ein Blitz zuckte und die elenden Talglichtchen vollends verdunkelte, da sah man, daß es geputzte Menschen mit bleichen, verstörten Gesichtern waren.
»Wo brennt es?« hörte ich Lorenz aus dem Fenster rufen.
»Im Ehingerischen Hause am Weinmarkt«, kam die Antwort herauf.
Da vernahm ich des Vaters Stimme: »Wir haben uns zur rechten Zeit salviert, Teutiche. Wären wir noch reiche Leute, so hätte der Blitz jetzt in unser Haus geschlagen.«
Nun kam aber die furchtbarste Erscheinung – die Schwieger in einem weißen Kamisol. Ich drückte mich in einen Winkel und hielt mir noch die Augen zu; konnte mich aber nicht enthalten, durch die Finger zu blinzeln.
»Lorenz, Gritli, Bärbeli, hat euch der Donner erschlagen?« schrie sie. Dann hielt sie ein, sie erblickte das durcheinandergepurzelte und auf dem Boden verstreute Silber. Da kam wieder ein Blitz und ein prasselnder Donner. Ich aber hörte alles nur noch wie aus weiter, weiter Ferne – nur noch wie im Traume.
So ist unser erstes Bankett verlaufen.