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Abschied. Revolution in der Kolonie

Eines Abends aber kamen unsere schwarzen Freunde uns, um Abschied zu nehmen; sie hatten erfahren, daß wir abreisen wollten. Denn es war für uns die Zeit gekommen, an die Heimkehr zu denken. Unsere Arbeit war beendet, und täglich standen schwere Wolken, die Vorboten der nahen Regenzeit, drohend am Himmel.

So kam der Tag, an dem ich zum letztenmal in die Palmenwipfel über mir blickte, die sich in der kühlen Seebrise langsam hin und her wiegten. Sie rauschten leise und trocken, ganz anders als die Bäume daheim, deren tiefes Rauschen mit dem des Meeres zu vergleichen ist. Die Flut kam langsam näher und übertönte bald jedes Geräusch mit ihrem Getöse. Dünen aus feinstem weißem Sand, der die Augen schmerzhaft blendet und an den Füßen brennt, trennten mich von der Küste. Unbegrenzt war der weite Blick, sonnendurchglüht die Natur, die uns nun schon so viele Monate umgab. Wie Beklemmung überfiel's mich, als ich an unser enges Europa dachte, an die in den Städten zusammengepferchten Menschen, an die luft- und sonnenarmen Häuser. Doch auch mit lieblichen Bildern lockte die Heimat und schien unsere abtrünnigen Herzen wiedergewinnen zu wollen: Duftende Wälder auf hohen Bergen, grüne Almen mit dem lieblichen Geläute von Kuhglocken, sanfte Frühlingsregen und frische Wiesen stiegen flüchtig in der Erinnerung auf.

Hier aber, inmitten der heißen, flimmernden Luft, unter Palmen, verstummten die Stimmen der Heimat bald wieder, nur die Gegenwart sprach. Und traurig empfand ich, daß sie bald zu Ende ging.

Der Morgen unserer Abreise war gekommen. Männer trugen unser Gepäck aufs Boot. Die lange Reihe ihrer dunklen Gestalten watete in der glitzernden Morgensonne durchs Wasser. Geschickt hielten sie unsere schweren Kisten auf dem Kopfe im Gleichgewicht. Als die »Binar« dann die Segel hißte, standen sie, Silhouetten gleich, noch lange bewegungslos am Strande.

Am 16. April trafen wir in Bissau ein. Wir begannen nun unsere Sammlungen in große Kisten zu verpacken. Da brach in der Kolonie eine Revolution aus, die leicht noch im letzten Augenblick die ganze Ausbeute unserer Expedition hätte vernichten können.

Die Portugiesen pflegen politisch unzuverlässige Volksgenossen in ihre Kolonien zu verbannen. Diese hier versammelten unzufriedenen Elemente trachteten danach, die Macht zu ergreifen. Sie bildeten eine eigene Regierung und forderten die Beamten auf, ihnen den Treueid zu leisten. Der Gouverneur wurde gefangengenommen und eingekerkert. Wer sich weigerte, den neuen Eid abzulegen, wurde sofort verhaftet, ebenso der Direktor der portugiesischen Regierungsbank. Ein Vertrauensmann der Revolutionäre trat an die Spitze dieses Instituts und räumte zunächst einmal seinen Parteigenossen einen Kredit von 200 000 Eskudos ein, womit die neue Regierung vorläufig einen entsprechenden finanziellen Rückhalt hatte.

Während wir mit unseren Kisten beschäftigt waren, spitzte sich die Lage immer drohender zu. Standrecht wurde verkündet, auf jeden, der sich nach neun Uhr abends auf der Straße blicken ließ, sollte ohne vorherigen Anruf geschossen werden. Man befreite die Sträflinge auf der Insel Kanyabak und bewaffnete sie. Allen Schiffen, selbst den kleinsten Segelbooten der Eingeborenen, wurde die Ausfahrt aus dem Hafen verboten. Portugiesische Frachtdampfer wurden beschlagnahmt, einer von diesen als Kriegsschiff ausgerüstet.

Der Dampfer, auf dem wir Plätze für unsere Rückfahrt belegt hatten, blieb aus, der ganze Schiffsverkehr war lahmgelegt.

Allerhand Gerüchte begannen die Stadt zu durchschwirren: auf den Azoren sei die Revolution siegreich durchgedrungen, aus Portugal erwarte man Kriegsschiffe, die Bissau beschießen sollten. Gleichzeitig bereiteten sich die Aufständischen fieberhaft auf die bevorstehenden Kämpfe vor. Sie warfen Schützengräben auf, errichteten primitive Befestigungen, montierten drahtlose Sendestationen und dergleichen mehr.

Ganz leise raunte man sich aber zu, daß auch ein Autopark bereit stünde, damit die Aufrührer im Falle einer Niederlage rasch über die französische Grenze flüchten könnten.

Da lief ein deutscher Frachtdampfer Bissau an, der auch einige Passagiere befördern konnte. In aller Eile sicherten wir uns Plätze. Der Erledigung meines Ansuchens um die Ausfuhrbewilligung für unsere Sammlungen und die Erlaubnis für uns Mitglieder der Expedition, die Kolonie verlassen zu dürfen, sah ich mit einiger Besorgnis entgegen, da unsere Empfehlungsschreiben von der alten Regierung ausgestellt worden waren, die Abfertigung nun aber von den Revolutionären vorgenommen werden sollte. Doch wurden wir nicht anders als bei unserer Ankunft mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit behandelt: in kürzester Zeit waren alle Formalitäten erledigt.

Sehr erleichtert schifften wir uns ein. Als jedoch der Dampfer am Abend den Hasen verlassen wollte, wurde dies durch die Revolutionäre verhindert. Sie hatten nämlich auf ihrem eben ausgerüsteten Kriegsschiff Bewaffnete nach den Kapverdischen Inseln entsendet, um dort einen Handstreich gegen die regierungstreuen Besatzungstruppen auszuführen. Nun fürchteten sie, daß durch die Funkanlage unseres Dampfers dieses Geheimnis verraten werden könnte und hielten diesen zurück, bis ihr Schiff an Ort und Stelle gelandet war. Zuvorkommend jedoch, wie die Portugiesen sind, entschädigten sie die Reederei für den unfreiwilligen Aufenthalt. Auch dieser ging vorüber, und endlich konnten wir den Anker lichten. Mit einem Gefühl großer Erleichterung sahen wir das »zivilisierte Afrika« am Horizont verschwinden.


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