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Die Insel Eguba

Wir hatten Segel gehißt, um auf Une loszusteuern, aber im Rat der Götter war es anders bestimmt. Die Fahrt der Küste von Karasch entlang glückte noch halbwegs. Als wir aber die Nordspitze dieser Insel umschiffen wollten, um die Westküste von Une anzusteuern, blies uns ein heftiger Südwind entgegen, der uns zu beständigem Kreuzen zwang und uns der Insel Eguba entgegentrieb. Nachgiebig, wie wir bereits im Verkehr mit Wind und Wetter geworden waren, beschlossen wir daher, zunächst diese Insel zu besuchen. Am späten Nachmittag, als die Nordküste von Eguba bereits in der Ferne sichtbar wurde, schrallte aber der Wind plötzlich nach Westen, und die Hoffnung auf das Erreichen auch dieses Zieles schwand mit der sich unaufhaltsam dem Horizont zuneigenden Sonne langsam dahin. Konnte man wissen, wie lange der Wind uns noch zum besten halten würde mit seinen ewig wechselnden Launen? Notgedrungen spielten wir die Klügeren und ließen uns geduldig von ihm treiben. Wir gelangten auf diese Weise in eine schützende Bucht zwischen der unbewohnten Insel Koti und der Nordküste von Urakan, gerade als der riesige Feuerball der Sonne am blutroten Horizont verschwand. Während sich die Pracht der Farben in ein fahles Grau verwandelte und die kurze Dämmerung uns einzuhüllen begann, wurde der Anker geworfen und abgetakelt. Bald saßen wir bei völliger Windstille auf unseren Matten beim Abendessen, eine wunderbare tropische Nacht senkte sich auf uns herab. Obwohl kein Mond am Himmel stand, konnten wir uns doch ohne Licht in unserem Schlafraum zur Ruhe legen, ein herrlich funkelnder Sternenhimmel wölbte sich über uns und übergoß die Erde mit hellem Schein. Die widrigen Winde waren schnell vergessen, mit dem beglückenden Gefühl, daß es nichts Schöneres geben könne als unsere Lagerstätte zwischen dem leuchtenden Himmel und dem unendlichen Weltmeer, versanken wir in einen tiefen, erquickenden Schlaf.

Die ersten Sonnenstrahlen weckten uns. Der Blick suchte sofort die sich leicht kräuselnden Wellen, die über die schimmernde Wasserfläche dahinglitten. Nach welcher Richtung zogen sie? Die Brise war uns günstig, unverzüglich erscholl das Kommando zum Aufbruch. Schlaftrunken saß der Steuermann am Ruder, es ging nach Westen gegen Urakan. Plötzlich bemerkten wir in der Ferne, unweit der Küste von Koti, einen schwarzen Strich, der auf dem Wasser zu ruhen schien. Unser Zeiß sah mehr. Es war ein Eingeborenenboot mit vier Mann Besatzung. Wir änderten sofort unseren Kurs und fuhren darauf los. Die Eingeborenen stellten das Rudern ein, blickten uns mit Besorgnis entgegen und überlegten sichtlich, wie sie sich wohl dem Schiff der Weißen gegenüber verhalten sollten. In dem Augenblick, da wir Anstalten trafen, Anker zu werfen, strebten sie mit heftigem Ruderschlag dem Ufer zu, sprangen an Land, rafften ihre Habseligkeiten und sämtliche Ruder zusammen und liefen über den sumpfigen Strand den dichten Mangrovenbeständen zu, in denen sie verschwanden. Wir sandten schnell den langbeinigen Takr hinter ihnen her, der mit seiner kräftigen Stimme ihnen in ihrer Sprache zurief, daß sie nichts von uns zu fürchten hätten. Atemlos zwar, aber unverrichteter Dinge kam er zurück. Die Eingeborenen waren offenbar gebrannte Kinder, die das Feuer scheuten.

Wir hatten inzwischen den zurückgelassenen Einbaum, im Wasser watend, erreicht, ich machte einige Aufnahmen von diesem interessanten, sehr alten Fahrzeug mit dem mächtigen geschnitzten Rinderkopf an seinem Bug.

Dann beeilten wir uns, den Kurs auf die Westspitze von Urakan wieder aufzunehmen. Nach kurzer Zeit aber setzte Gezeitenwechsel ein, die ungünstige Strömung trieb uns zurück. Es blieb nichts anderes übrig, als sich wieder einmal in Geduld zu fassen und abzuwarten.

Während wir vor Anker lagen, legte ich einige Angelschnüre aus; nach kürzester Zeit und im Abstand von nur wenigen Sekunden konnten wir Fische der verschiedensten Art an Bord ziehen.

Trotz diesem Zeitvertreib waren wir bald des Wartens müde. Zudem frischte die Westbrise immer mehr auf. Zur großen Entrüstung unserer Schwarzen, die solche unvorhergesehene Ruhestunden über alles liebten, gab ich den Befehl zum Aufbruch. Ich wollte den Versuch machen, mit Achterwind und Strömung nach Nordosten um die Insel Eguba herumzukommen, um Urakan von der anderen Seite zu erreichen. Wirklich war uns bei dem guten Wind eine ausgezeichnete Fahrt beschieden. Schnell wie ein Dampfer, mit brausender Bugwelle, jagten wir dahin.

Die Nordspitze von Eguba lag bereits hinter uns, als wir inmitten des grünen Busches, ganz nahe dem Strande, einige Hüttendächer gewahrten. Es war das Dorf Eguba, das vom Meer aus frei sichtbar daliegt, während sich sonst die stets im Inneren der Insel verborgenen Siedlungen der Bidyogo höchstens durch leichte Rauchwolken verraten.

Leider wurde unser Herannahen von den Eingeborenen schon lange beobachtet. Als wir nach unserer Landung dem Dorf einen Besuch abstatteten, lag es wie ausgestorben da. Sogar die Haustiere, Schweine und Hühner, hatten die mißtrauischen Bewohner mit in den schützenden Busch genommen. Nur einige Hunde umschlichen kläffend unsere Beine. Ungehindert konnten wir nun das einsame Dorf, das aus etwa vierundzwanzig arg zerfallenen und verwahrlosten schmutzigen Häusern bestand, in Augenschein nehmen. Rote Flächenmalereien und einige figurale Darstellungen zierten die Wände der ganz alten Häuser, doch waren sie durch Witterungseinflüsse schon so verwaschen, daß man sie kaum unterscheiden konnte. Augenscheinlich wird diese Kunst in neuerer Zeit hier nicht mehr ausgeübt.

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Trommelkapelle auf dem Fest in Ankadak (Formosa). Die Burschen schlagen lange, schmale, zwischen den Beinen zu haltende, für Mädchen kurze, dicke Felltrommeln.

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Blitzlichtaufnahme aus dem Innern des Fetischtempels in Akunu (Formosa). In der Mitte die Gallionsfigur eines portugiesischen Kriegsschiffes früherer Zeit, welche die Bidyogo als Fetisch verehren.

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Opferung eines Rindes auf Formosa. Das Haupt wird blitzschnell vom Rumpf getrennt.

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Tänzer aus Ankadak (Formosa). An Stelle der Rindermaske trägt er riesige Hörner aus Holz.

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Tänzer auf Formosa mit Sägefischmaske auf dem Kopf und hölzernem Schwanz.

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Tänzer mit Schild und Palmblatt auf dem Fest in Ankadak (Formosa).

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Tänzer auf dem Fest in Ankadak (Formosa) in schön geschnitzter stilisierter Rindermaske aus Holz mit reichem Schmuck.

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Fetischecke im Innern eines Wohnhauses in Ssoé (Formosa). Links auf dem Boden ein Hüttengrab, mit Kaurimuscheln bezeichnet. Holzgeschnitzte Seelenfiguren, Berührungszauber aus Palmblättern.

Von größerem Interesse für uns war das Innere des einzigen Fetischhauses im Dorf. Hier stießen wir zum erstenmal auf einen sorgfältig aus hartem Holz geschnitzten, mit menschlichen Kopfhaaren versehenen Fetisch in Menschengestalt, der in einer Ecke des dunklen Wohnraumes stand, eingefaßt von einer niedrigen Lehmfassade; Eierschalen und Reste von geopferten Tieren lagen zerstreut umher, die Glassplitteraugen des Fetisch funkelten uns fast unheimlich entgegen.

Die Schlafstellen der Eingeborenen waren meist von vier hohen Lehmwänden umgeben und durch eine türartige Öffnung zu besteigen. Auch offene Betten aber standen überall herum, wie wir sie noch auf keiner Insel angetroffen hatten. Auf vier hohen Lehmfüßen ruhten die aus Holzstäben zusammengefügten und mit geflochtenen Matten bedeckten »Matratzen«. Die Geräte, Mörser, Kalebassen, Holzschemel stimmten mit denen von Etikoka überein. An der Außenwand einer Hütte war ein großer Regenhut aus Palmblättern aufgehängt.

Die Eingeborenen hatten uns ohne Zweifel von ihrem Versteck aus mit größter Aufmerksamkeit beobachtet. Daß wir aber, obwohl wir ihre Häuser genauestens untersuchten, keine Anstalten trafen, etwas wegzuschaffen und auch kein besonderes Interesse an den Tag legten, den Häuptling oder überhaupt irgendwelche Bewohner des Dorfes zu sprechen, schien sie davon zu überzeugen, daß ihre Angst unberechtigt sei. Vorsichtig schlichen einige dunkle Gestalten heran. Wir warteten gespannt, wie sie uns entgegentreten würden.

Sie behinderten unser Tun in keiner Weise und betrachteten uns nur aus großen, gutmütigen und oft recht traurig blickenden Augen. Bald hatte sich eine stille dunkle Menschenschar um uns versammelt; keiner sprach ein Wort, lautlos hockten sich einige vor ihre Hütten auf den Boden nieder und starrten uns an. Ein wehmütiger Ernst lag in ihren Mienen, der uns ergriff und uns zögern ließ. Was ging hier vor? Lag auch hier das große Sterben in der Luft, ahnten die Menschen den herannahenden Untergang?

Kräftige Männergestalten fielen uns in der Menge auf, mit Ziegenfellen oder schwarzen Lendentüchern bekleidet, mit vielen kleinen Ringen aus Messingdraht oder Holzstäbchen in den durchbohrten Ohrmuscheln.

Die Frauen trugen die Köpfe meist ganz rasiert. Ihre braunen Palmfasernschurze waren etwas länger wie die der Frauen auf Orange Grande. Ihre Glieder zierte nur wenig Schmuck, ihre kleinen Kinder sahen wohlgenährt und reinlich gepflegt aus.

Als wir Abschied nahmen, gaben uns die Eingeborenen bis zum Strande das Geleit. Still segelten wir davon, unsere Gedanken weilten noch lange bei den am Strande stehenden dunklen Gestalten, die uns unverwandt mit ihren Blicken verfolgten.


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