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Auf der Fahrt

Wir sind auf eine Sandbank aufgelaufen und warten auf die Flut, die uns wieder forttragen wird. Vor uns liegt eine kleine, unbewohnte Insel, in der Ferne sehen wir einen Landstreifen im Nebel verschwinden. Er zeigt uns die Insel Bubaque an, unser nächstes Ziel. Um uns breitet sich tiefblau das bewegte Meer mit seinen weißen Schaumkämmen aus, von den schrägen Strahlen der abendlichen Sonne beleuchtet. Wie oft hatten wir schon, wenn der Wind abflaute oder wenn wir festgefahren waren, solche unfreiwilligen Ruhestunden verlebt.

Wir vertrieben uns dann die Zeit auf Deck teils mit der Aufzeichnung unserer Erlebnisse, teils mit anderen Unterhaltungen. Hätte man die Güte der Unterhaltung nach dem Lärm, den sie verursachte, gemessen, dann hätte zweifellos unsere Mannschaft den Sieg davongetragen. Die Witze des einen Mandyako zumal schienen ungeheuren Anklang zu finden. Auch an vierfüßigen Passagieren war kein Mangel. Wir selbst pflegten zwar höchstens ein Schwein oder eine Ziege und allerhand Geflügel als lebenden Proviant mitzuführen. Unsere Burschen aber, denen von Zeit zu Zeit ihr künftiger Hausstand vor Augen trat, kauften, wo sich eben Gelegenheit fand, Ziegen, Schweine und Schafe, und baten uns, die Tiere nach Hause mitnehmen zu dürfen.

Ja, eines Tages kam sogar Ilere mit der freudigen Nachricht, daß er soeben mit einem Bidyogo einen Handel abgeschlossen und einen Stier für seine zukünftige Zucht erworben habe! Das war nun doch zuviel des Guten. Da der Kaufpreis noch nicht ausgezahlt war – Ilere hatte sein »Vermögen« bei mir deponiert –, gelang es glücklicherweise, das Geschäft rückgängig zu machen.

Die unangenehmsten Reisegefährten waren die Schweine, die die Luft mit ohrenbetäubendem Quieken erfüllten, sobald man sich ihnen nur näherte, und mit ihren steifen Beinen alles durcheinanderbrachten, was ihnen in den Weg kam.

Der kleine Hundsaffe aber, den sich Ilere angeeignet hatte, um ihn in Bissau auf einem Dampfer zu verkaufen, war allerliebst und trug mit seiner Komik viel zu unserer Unterhaltung bei. Da er mich oft an den ihm verwandten Helden der Wilhelm-Busch-Geschichte erinnerte, gab ich ihm den Namen Fips. Anfangs erregte Fips so sehr das Mitleid meiner Frau, daß ich ihm schon fast, einen Zufall vortäuschend, die Freiheit wiedergegeben hätte. Er litt unter dem Alleinsein und schrie jämmerlich, wenn sich nicht fortwährend jemand mit ihm beschäftigte. Glücklicherweise gewöhnte er sich langsam an uns, kletterte später vergnügt herum und hatte seine bestimmten Lieblingsplätzchen.

Dann war da noch der kleine graue Papagei, der Abu gehörte. Er piepste unaufhörlich. War es ein Klagelaut, der Ruf nach der Mutter, oder eine bloße Gewohnheit? Darüber waren die Meinungen der Expeditionsmitglieder geteilt. Das weibliche Herz meiner Frau vermutete die Sehnsucht nach der Mutter, und so saß auch jetzt wieder, während wir auf die Flut warteten, der kleine Vogel auf ihrem Schoß, pickte nach ihren Fingern, zerrte sie hin und her und spielte etwa, wie ein junger Hund mit dem Menschen spielt. Abu teilte redlich jede Mahlzeit mit dem Tierchen, so wie er überhaupt unsere wandernde Menagerie treulich versorgte.

Einen zweiten Aufenthalt auf einer Sandbank benützten bald danach meine Frau und ich, um vom Bootsrand in das nicht allzutiefe Wasser zu springen und bis zur nächsten Ziegeninsel zu schwimmen, einem kleinen Eiland ganz in der Nähe.

Wir hatten geglaubt, unbetretenes Land hier zu finden, aber untrügliche Spuren von nackten Menschenfüßen am Ufer belehrten uns eines anderen. Wir folgten den Spuren und gewahrten bald den weiten Bogen eines dem Anschein nach vor kurzem errichteten Fischzaunes. Die eng aneinandergefügten Palmblattstiele ragten über einen Meter aus dem seichten Wasser empor, das den schlammigen Grund bedeckte.

Die Insel schien nur zum Fischen ausgesucht zu werden, es befand sich keine Behausung auf ihr. Unter einem Baum entdeckten wir ein verlassenes Eingeborenenlager. Verschiedene Tontöpfe lagen umher, Fischreste und gesammeltes Holz. Die Asche der Feuerstelle war noch warm. Es konnte noch nicht lange her sein, daß die Leute mit ihrer Fischbeute die Insel verlassen hatten. Aufmerksam ließen wir unsere Blicke umherschweifen, in der Erwartung, doch noch irgendwo eine schwarze Gestalt zwischen den Büschen auftauchen zu sehen. Es zeigte sich aber kein menschliches Wesen. So kehrten wir zu unserem Schiff zurück. Takr kam uns, strahlend wie immer, entgegen, uns zur Eile anzutreiben, denn die Flut hatte ihren Höchststand erreicht und die »Binar« dadurch ihre Bewegungsfreiheit wiedererlangt.

Nachdem wir trotz der Untauglichkeit des Steuermannes glücklich dem Gebiete der Sandbänke und Riffe entronnen waren, ging es mit schwachem Wind, der aber von achtern kam, vorwärts. Als der Mond am Himmel stand, rauschten wir durch den schmalen Meeresarm zwischen Bubaque und der Insel Ruban flott dahin.


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